„Wer Remote – Arbeiten nicht anbietet, wird vom Arbeitsmarkt aussortiert“

der Satz könnte von mir sein. Ist er aber in diesem Fall nicht. Gesagt hat ihn Teresa Hertwig im aktuellen Podcast-Interview. Wir teilen nicht nur diese Aussage, sondern auch viele andere Überzeugungen, wie flexibles Arbeiten in Zukunft funktionieren wird.

Firmen bekennen Farbe

Sinkende Inzidenzen, steigende Temperaturen und geöffnete Biergärten – die Freude ist allerorten spürbar. Wie schön.
Gleichzeitig sind die Zeitungen gerade voll von den Meldungen über das Arbeiten nach Corona. Das finde ich sehr spannend zu beobachten.
Während der BDI reflexartig und gefühlt zu früh das Ende der Homeoffice-Pflicht fordert, preschen Unternehmen genau in die andere Richtung vor.

Dass eine Firma wie SAP offensiv kommuniziert, dass Mitarbeiter arbeiten können, wo sie wollen – auch in Zukunft – das überrascht nicht. Eher schon, wenn Porsche stolz verkündet, dass jeder 12 Tage im Monat aus dem Homeoffice oder von unterwegs arbeiten kann und alle mit einem Technik-Paket für zuhause ausgestattet werden. Menschen in der Produktion oder technischem Service immer ausgenommen.

Auch das Silicon Valley bewegt sich. War hier – aller Digitalisierung zum Trotz – die Kultur der gemeinsamen Präsenz auf dichtem Raum – bei vielen Firmen Kult, bewegt sich auch hier eine Menge. Facebook und Google lassen viele Freiheiten fürs mobile Arbeiten bzw. formulieren ihr hybrides Modell.
Apple hat einen satten Shitstorm ausgelöst mit der Forderung, dass die Mitarbeiter Mittwochs und Freitags im Homeoffice und Montag, Dienstag und Donnerstag ins Büro kommen sollen.

Entscheiden Sie – jetzt

Die großen Konzerne entwickeln gerade großen Eifer, selbst noch positive Schlagzeilen erreichen zu  können und ja bloß nicht als rückständig zu gelten.
Wie weit die großen Augen der Controller beim Blick auf Einsparpotenziale im Bürobereich da eine Rolle gespielt haben – wer weiß.
Dabei gibt es nicht den einen richtigen Weg. Allerdings eine gewisse Häufung für Modelle mit 2-3 Tagen Homeoffice-Arbeiten (als Option, nicht als Pflicht) und 2-3 Tage Präsenz im Büro.
Die Ausgestaltung hat viel mit der Unternehmenskultur zu tun. Der Markt und die Zukunft wird zeigen, welche Modelle am erfolgreichsten sein werden.

Die Botschaft aus diesen Beobachtungen ist für mich:

Wenn Sie noch kein klares Konzept für sich
und Ihre zukünftige Arbeitskultur haben –

dann wird es jetzt Zeit, sich zu positionieren.

Menschen wollen wissen, welche Möglichkeiten sie in Zukunft haben werden und wie es weitergeht.
Alles wieder zurückdrehen und erst mal ein paar Monate benötigen, um sich zu gemächlichen Schritten durchzuringen – das wird nicht reichen.
Sie brauchen eine grundlegende Richtung und entsprechende Entscheidungen. Das ist Chefsache.

„Die Arbeitskultur vom Zufall befreien“

Das ist eine andere Aussage von Teresa. In ihrer Arbeit legt sie großen Wert darauf, nicht nur die grundsätzlichen Entscheidungen in der Firmenleitung  zu treffen, sondern auch mit den Teams und deren Führungskräften klare Spielregeln zu entwickeln und eine bewusste Arbeitskultur zu entwickeln.

In den letzten Monaten war das eine plötzliche und krisenbedingte Flexibilität. Das heißt nicht, dass die etablierten Formen des Zusammenarbeitens das richtige für die nächsten Jahre sind.

  • Welche Arbeitszeiten und Erreichbarkeiten wollen wir vereinbaren?
  • Wie gelingt das Neben- und Miteinander der Kollegen, die lieber 5 Tage im Büro sein wollen mit denen, die gerne seltener kommen?
  • Führen wir Videokonferenzen hybrid durch – mit einigen Leuten im Meeting-Raum und anderen von zuhause zugeschaltet oder verlegen wir uns dann auf 100 % remote – so dass auch die Kollegen am Standort am eigenen Rechner am Meeting teilnehmen.

Schwarz oder weiß ist kein Konzept

Für ein zukunftssicheres und belastbares Konzept für die Arbeitskultur von morgen müssen eine Menge Fragen beantwortet werden. Die Erfahrungen der letzten Monate erlauben eine Weiterentwicklung, die vor 2 Jahren niemand für möglich gehalten hatte.
Doch Gefahren lauern an verschiedenen Stellen.

Ganz offensichtlich: haben Firmen ihre Hausaufgaben nicht gemacht oder verharren Führungskräfte im „Zurück zum alten Normal“ gilt der Satz aus dem Titel. Das könnte ungemütlich werden. 😉
Viel weniger offensichtlich, aber vermutlich wichtiger und eher in Gefahr übersehen zu werden sind die Konflikt- und Frustpotenziale aus nicht geklärter Arbeitskultur.

Wo früher selten erlaubte Homeoffice-Regelungen an bestimmte familiäre Situationen (kleine Kinder oder pflegebedürftige Angehörige) gekoppelt waren, müssen das alte Denken und entsprechende Regelungen dringend modernisiert werden.
Wo in der Pandemie alle gleichermaßen im Homeoffice waren – wie wird das, wenn jeder die Freiheit der individuellen Wahl hat? Wie erreichen wir, dass das alle als frei und fair empfinden?
Wir stellen wir sicher, das Menschen die für sich gute und verträgliche Abgrenzung zwischen Arbeits- und Privatleben organisieren können und sich nicht dauerhaft aufreiben oder abgehängt fühlen?
Wie bringen wir alle Mitarbeitenden und Führungskräfte konsequent in die nötige digitale Affinität und Kompetenz?

Führungsaufgabe Arbeitskultur

Die Fragen hier sind nur ein Ausschnitt. Sie machen aber klar, wie wichtig es ist, bewusst und offen Themen anzusprechen und zu klären. Das gilt für alle Beteiligten. Die Unternehmensspitze ist gefordert, diesen Prozess in Gang zu setzen, eine zeitgemäße Richtung vorzugeben bzw. zu ermöglichen. Vor allem müssen die richtigen Investitionen beschlossen und die konsequente Umsetzung sichergestellt werden.
Alle Mitarbeitenden sind gefordert, aktiv zur Reflektion und Entwicklung einer guten Arbeitskultur beizutragen, die allen mehr Produktivität und Lebensqualität bringt.

Besonders gefordert sind die Führungskräfte. Schließlich müssen sie nicht nur gute Führung bei verteilten Teams und auf Distanz sicherstellen. Die manchmal viel tieferliegende Herausforderung hat mit Vertrauen und der Art des Führens ohne vermeintliche Kontrolle durch Präsenz zu tun.
Das war früher schon nicht klug. Aber jetzt ist es so sichtbar geworden, dass es nicht so bleiben kann, wie es war.
Um die Vorreiter, die jetzt gerade die Zeitungsseiten füllen, mache ich mir keine Sorgen.
Eher um die vielen mittelständischen Firmen, die Verwaltungen, die Einrichtungen, von denen längst noch nicht alle so weit klar sind, wie es Mitarbeiter und Umfeld erwarten.

Noch ist es nicht zu spät. Aber es ist Zeit.

Podcast – Remote Arbeiten – aber richtig!

Teresa Hertwig ist Profi in Sachen Remote-Arbeiten. Was Unternehmen klären und wie sie vorgehen sollten – darüber sprechen wir heute. Damit nach der Krise eine durchdachte Arbeitskultur mit dem richtigen Mix zwischen Präsenz und Remote-Arbeit entsteht. Mehr dazu in der aktuellen Podcastfolge. Hören Sie rein.

2021-06-23T08:48:14+02:00
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