Roter Teppich oder schlechter Empfang?
Die ersten Tage im neuen Job

Wissen Sie eigentlich noch, wie Ihr erster Arbeitstag in Ihrem jetzigen Unternehmen war?

Den meisten Menschen ist das sehr bewusst – auch Jahre später.

Bei uns sind Blumenstrauß, Welcome-Mappe und das gemeinsame Kennenlernfrühstück fester Bestandteil und Auftakt des ersten Arbeitstages. Und in Homeoffice-Zeiten? Auch! Wie, lesen Sie weiter unten.

Auch die Frage nach der eigenen Einarbeitung fördert unterschiedlichste Stories zutage. Manchmal gute – leider oft eher suboptimale. Das Spektrum reicht von richtig guten Prozessen (herzlichen Glückwunsch, wenn das bei Ihnen schon so ist) bis zum berühmten „ins kalte Wasser werfen“. Ganz nach dem Motto „Wer´s übersteht, passt zu uns.“

Na ja. Das geht besser. Viel besser.

Schließlich ist die Einarbeitung neuer Mitarbeiter einer der Schlüsselprozesse im Auf- und Ausbau Ihres Teams. Doch die Praxis in vielen Firmen lässt eine Menge Luft nach oben.

Das ist teuer.

Da steckt man viel Geld und Energie in Suche und Auswahl geeigneter Kandidaten, führt Gespräche und einigt sich schließlich auf einen Arbeitsvertrag.

Das ist nicht das Ende der Mitarbeitergewinnung. Es ist eher der Anfang der nächsten, noch wichtigeren Phase. An der es dann oft fehlt.

Teure Fehler und Leerstellen

Es gibt Statistiken, nach denen fast jede dritte potenzielle neue Kraft noch vor dem ersten Arbeitstag wieder abspringt.

Motivierte Menschen freuen sich auf den neuen Arbeitgeber. Dann kommen sie dort an und die Kollegen, denen sie zuerst begegnen, haben keine Ahnung, wer sie sind. „Arbeitsplatz?“ – „Oh ja. Da müssen wir mal sehen. Wo setzen wir Frau … denn hin?“

„Laptop?“ – „Ja, bekommen Sie auch noch. Ich glaube, der ist schon bei der IT bestellt. Das kann aber noch dauern, die sind gerade überlastet.“

Die Liste könnten wir fortsetzen. Das mag alles verständlich sein. Was aber bleibt, sind klare Eindrücke. Abgekühlte Motivation, bevor es richtig angefangen hat. Ein Dämpfer nach der Vorfreude. Unnötige Verunsicherung.

Es gibt Menschen, die sagen:

„Die Qualität der Einarbeitung entscheidet über das maximale Niveau an Produktivität und Identifikation, die Menschen in ihren Jahren im Unternehmen an den Tag legen werden.“

Es soll Leute geben, die am ersten Arbeitstag innerlich schon die Weichen wieder auf Abschied gestellt haben. Oder in den ersten Wochen den inneren Engagement-Regler gleich wieder auf lauwarm runtergedreht haben.

Schade.

Das geht auch anders

Ein richtig guter Einarbeitungs- und Onboarding-Prozess sieht ganz anders aus. Was Sie in welchen Phasen tun können – dazu hören Sie in der aktuellen Podcastfolge „Einarbeitung – holpriger Start oder perfektes Onboarding?“ Erfolgsfaktoren und Beispiele. Auf der Beitragsseite finden Sie den Text auch zum Nachlesen.

Eine gute Einarbeitungsphase hat (mindestens) zwei Dimensionen:

  1. Einen richtig guten Prozess, mit dem Ihr neues Teammitglied das Unternehmen, seine Ziele und die eigenen Aufgaben kennenlernt und Schritt für Schritt zum eigenen produktiven Tun im neuen Umfeld gelotst und begleitet wird. So wächst Produktivität.
  2. Die gute persönliche Integration in Firma und Team. Dazu braucht es echtes Interesse am Menschen, eine wertschätzende Willkommenshaltung und unterschiedliche Gelegenheiten zum Kennenlernen und Zusammenfinden. So wächst Identifikation.

Das Wichtigste ist, dass es im Unternehmen eine klare Verantwortlichkeit und ein Procedere für die Einarbeitung gibt. In der konkreten Ausgestaltung sind viele Varianten denkbar – so unterschiedlich sind Branchen, Firmen und Vorerfahrung neuer Mitarbeiter. Wird der Einarbeitungsprozess direkt nach der Vertragsunterzeichnung gut vorbereitet und geführt, machen Sie Wesentliches richtig.

Homeoffice und Abstand sind eine Herausforderung – aber keine Ausrede

Das gilt in normalen Zeiten. Unter den besonderen Bedingungen mit Homeoffice und reduzierten persönlichen Begegnungen ist eine gute Einarbeitung doppelt herausfordernd.

Allerdings ist das kein Grund, Abstriche zu machen bei der Qualität des Onboardings. Im Gegenteil. Gerade jetzt ist besonders viel Aufmerksamkeit erforderlich.

Im Podcast gehe ich ausführlicher auf die einzelnen Phasen ein und zeige, was Sie dort tun können. Deshalb hier nur kompakt und mit besonderen Augenmerk auf die gerade herrschenden Sonderbedingungen mit reduziertem Kontakt:

„Ich hoffe, das klappt alles – hab nix mehr gehört“

Preboarding. Das ist die Phase zwischen Vertragsunterzeichnung und dem ersten Arbeitstag. Viele Mitarbeiter in spe hören da nichts von Ihrem neuen Arbeitgeber. Auch schade. Legen Sie fest, wer den Kontakt hält und lassen Sie sich was einfallen, um im Dialog zu bleiben. Das ist gut für die Vorfreude und gibt Sicherheit. Nicht selten sind Menschen nochmal unsicher nach ihrer Entscheidung. Da tauchen Zweifel auf. Menschen im Umfeld stellen kritische Fragen. Je weniger man weiß, je weniger Kontakt besteht, desto größer die potenzielle Verunsicherung.

Tauschen Sie Kontaktdaten, informieren Sie über die Firma. Klären Sie Hardware-Wünsche. In Vor-Corona-Zeiten wären es Einladungen zu Feiern oder zur Teilnahme an einer Weiterbildung. Jetzt ist es vielleicht ein Video-Call, bei dem Sie Hilfe bei der Wohnungssuche anbieten oder einfach schon mal ein Kennenlernen und Beantworten von Fragen ermöglichen.

„Bin total gespannt, wie das so wird und freue mich auf die neue Station.“

Der erste Tag. Bei unserer aktuellen Neu-Mitarbeiterin klingelt es morgens an der Tür. Meine Kollegin hat den Blumenstrauß vorbeigebracht 😊. Das Frühstück findet virtuell als Videokonferenz statt.

Nein, das ist nicht dasselbe. Jeder muss sich seinen Kaffee selbst machen. Aber einen guten Start kann man nicht einfach auf „nach Corona“ verschieben. Wenn das nicht schon vorher geklärt war, sollten Ansprechpartner vom ersten Tag an klar sein. Wer ist meine Führungskraft? Gibt es eine Art Buddy oder Paten? Was mache ich konkret in den ersten Tagen?

Wertschätzung spürt man auch daran, dass ein Laptop eingerichtet, ein Arbeitsplatz vorbereitet und das Team sich einen guten Plan zurechtgelegt hat.

Schritt für Schritt zu Produktivität und Zufriedenheit

Eine gute Einarbeitung braucht eine klare Struktur und verständliche Ziele. Meilensteingespräche und gutes Feedback helfen auf dem Weg dahin. Wer neu startet, will wissen, wo er steht. Das Unternehmen will herausfinden, ob Mensch und Aufgabe zueinander passen, wie erhofft. Beim „Mitlaufen“ oder „überall mal reinschnuppern“ findet man das nicht heraus.

Gute Einarbeitungsprozesse ermöglichen und fordern konkrete und produktive Leistungen von Anfang an. Das ist für alle befriedigender. Geht das im Homeoffice? Na klar. Sie müssen nur noch öfter und systematischer im Kontakt sein wie bei erfahrenen Mitarbeitern. Machen Sie Ihre Aufgabensteuerung ohnehin digital, ist das praktische Arbeiten nicht komplizierter als früher mit Büro-Präsenz. Haben Sie sich noch nicht so organisiert, ist die Einarbeitung einer neuen Mitarbeiterin unter Homeoffice-Bedingungen eine gute Gelegenheit, die eigenen Prozesse auch für alle anderen im Team weiter zu entwickeln. 😉

In guten Einarbeitungsprozessen werden Stärken, Talente und Motive klar. Gute Führungskräfte reflektieren Ergebnisse und Beobachtungen mit der neuen Kraft. Wir investieren hier in eine gute Persönlichkeitsanalyse mit entsprechender Reflektion. Warum sich dieser Aufwand lohnt? Wir wollen – am besten deutlich vor Ende der Probezeit – sicher sein, dass wir zusammenpassen. Wir wollen gemeinsam ein klares Bild der weiteren Entwicklung des Mitarbeiters und seiner möglichen Rolle haben.

Identifikation und Zusammenfinden

Klare Struktur und gute Prozesse sind immens wichtig – und doch nur die halbe Miete. Menschen wollen wissen, wofür sie arbeiten. Soll man sich für ein Unternehmen und seine Ziele begeistern, dann muss das auch entstehen können. Wer erläutert Firmenwerte, die Vision und Mission, die Kultur? Klar – vieles spürt man. Doch wie anders wirkt das, wenn sich Führungskräfte, Gründer oder Kollegen bewusst Zeit nehmen und spürbar und nachvollziehbar machen, wie und wofür Firma und Chefs antreten.

Auch das geht online, bis man es wieder beim gemeinsamen Essen oder in Form eines Kamingesprächs machen kann.

Jetzt fallen Kaffeepausen, das gemeinsame Mittagessen oder die Autofahrt zum Kunden weg – ja, damit fehlt etwas Wichtiges. Sind es doch diese informellen Kontakte, die neuen Teammitgliedern beim Einstieg helfen. Auch hier gilt: Warten ist keine Lösung. Erfinden Sie virtuelle Feierabendbierchen, Kollegeninterviews, eine Patenlösung – Fantasie voraus.

Klingt aufwändig?

Ja. Ist es auch.

Doch kaum eine Investition lohnt sich mehr. Wann ist die Einarbeitung zu Ende? Klar, werden Sie sagen „Mit dem Ende der Probezeit.“

Vorsicht Falle! Für Führungskräfte ist längst klar, dass der oder die Neue voll an Bord ist. Beim Mitarbeiter bleibt meist ein Rest Unsicherheit bis zum Ende der Probezeit. Menschen warten mit dem Bezug der neuen Wohnung, der Anschaffung des neuen Autos bis die gefürchtete Anlaufzeit mit verkürzter Kündigungsfrist endlich zu Ende ist. Daraus können Sie zwei Schlüsse ziehen:

  1. Lassen Sie das Ende der Probezeit nicht einfach vorbeiziehen. Machen Sie einen bewussten Schritt, gratulieren Sie zum nächsten Etappenziel und nutzen Sie den Grund zum Feiern.
    Wenn Sie sich deutlich früher klar sind, dass alles zu 100 % passt – was spricht dann dagegen, die Probezeit einen oder
  2. Wenn Sie sich deutlich früher klar sind, dass alles zu 100 % passt – was spricht dann dagegen, die Probezeit einen oder zwei Monate früher zu beenden? Das motiviert.

Also: Vor dem nächsten Start eines neuen Kollegen oder einer neuen Kollegin – nehmen Sie sich Zeit und bereiten Sie eine gute Einarbeitung vor.

Sind Mitarbeiter gerade noch in der Einarbeitungsphase und Sie sehen Verbesserungspotenzial? Nehmen Sie die Beteiligten zusammen und schauen Sie, was Sie direkt verbessern können. Setzen ein paar Schritte um. Nichts muss perfekt sein – Hauptsache die Richtung stimmt.

Und Sie wissen ja: fast alles geht auch online. Nicht genauso wie sonst. Gute Einarbeitungen gehen immer und sie lohnen sich immer.