Mitarbeiterentwicklungsgespräche jetzt !? Doch! Gerade jetzt.

Wann haben Sie eigentlich die letzten Mitarbeiter-Entwicklungs-Gespräche (MEG) mit Ihren Teammitgliedern geführt? 

Doch – die Frage ist ernst gemeint.  

Da gibt es vielleicht den Impuls „Wir wissen doch in der Krise gar nicht, wie die Perspektiven sind. Wie soll ich da ein Entwicklungsgespräch führen?“. Oder die althergebrachte Überzeugung „Ein Mitarbeitergespräch kann man nicht remote machen. Wir warten, bis wir uns wieder regulär ohne Restriktionen treffen können.“ 

Im normalen Gespräch kommen Führungskräfte mit beiden Aussagen vermutlich durch. 

Ich halte das für falsch. 

Gerade in besonderen Zeiten gibt es viel Unsicherheit und Klärungsbedarf, ändern sich Ziele und Perspektiven. Derzeit in der gesamten Gesellschaft, in den Firmen und bei jedem einzelnen persönlich. Gerade jetzt sind Mitarbeiterentwicklungsgespräche besonders wichtig, nötig und wertvoll – wenn Sie richtig gemacht werden. Was in Krisenzeiten anders ist und worauf Sie achten können – darum geht es heute. In der aktuellen Podcastfolge beleuchte ich das Thema umfassender, zentrale Gedanken in aller Kürze hier. 


Was für gute Mitarbeitergespräche immer gilt 

Mitarbeiterentwicklungsgespräche sind nicht unumstritten. Zurecht. In manchen Unternehmen werden sie in einer Art und Weise geführt – da würde man sie besser abschaffen. Häufige Fehler: 
1.  Führungskräfte erledigen die Gespräche als lästige Pflicht und wollen die Aufgabe „abhaken“. Das fehlende Interesse spüren alle und – oh Wunder – so kommt auch wenig raus.  

2.  Die Gesprächsstruktur ist zu kompliziert. Umfangreiche Kompetenzmodelle in Exceltabellen führen zu Streitigkeiten über Bewertungen. Alle sind unzufrieden und für das Wesentliche bleibt kein Raum.

3.  Die Gespräche sind eher eine Ziel- und Gehaltsverhandlung. Das ist ein völlig anderer Modus. Das ehrliche, offene Gespräch ist kaum möglich, wenn beide Seiten eine Verhandlungsstrategie im Hinterkopf haben. 
Gute MA-Gespräche sind vor allem offene, vertrauensvolle Gespräche. Es geht um Nähe, Transparenz und ehrliches Feedback. Ein gutes MA-Gespräch beleuchtet die Situation ungeschminkt, vorwurfsfrei und ohne Tabus. Gemeinsam versucht man Potenziale zu entdecken und Zusammenarbeit zu verbessern. Diese Gespräche brauchen den Mut für das Wesentliche. Sie brauchen Interesse und die Bereitschaft, sich auf den anderen Menschen wirklich einzulassen. Haben Sie das gut vorbereitet und zeigen Sie Verbindlichkeit im Umgang mit Vereinbarungen, machen Sie vieles richtig.

Was bei Mitarbeitergesprächen in der Krise anders ist 

Das „klassische“ MA-Gespräch steht meist in einem Kontext des Planungsrhythmus in Ihrem Unternehmen. Früher hat man das einmal im Jahr gemacht, inzwischen gehen viele gut geführte Firmen zu kürzeren Zyklen über – z.B. zweimal jährlich oder einmal jährlich als großes Entwicklungsgespräch plus Quartalsupdates. In diesen Gesprächen hat man oft eine erprobte Gesprächsstruktur. 

Das kann in der Krise ganz anders sein. Gespräche können andere Themenschwerpunkte haben. In der aktuellen Pandemie-Situation geht es vielleicht vor allem darum, Ängste zu nehmen, die Arbeitsweise und Zusammenarbeit bei Kurzarbeit und Homeoffice zu klären und bestmöglich durch diese Phase zu kommen. Haben Sie mit allen Mitarbeitern gesprochen, haben Sie ein sicheres Gefühl für die Stimmung, verbreiten Sicherheit soweit es geht und gewinnen ein gutes Gespür dafür, was Ihre Mannschaft braucht. Sie verringern die Unsicherheiten und Informationsdefizite, die so häufig zu Stress, schlechten Gedanken oder innerem Rückzug führen. Gerade in unsicheren Zeiten braucht es diese Qualität vertraulicher, aufmerksamer Gespräche. 

In einer späteren Phase der Krise geht es dann vielleicht um die Perspektiven für die Zeit danach. Planen Sie größere strategische Veränderungen, bringt eine Runde guter Mitarbeitergespräche erfahrungsgemäß eine Fülle an Ideen und Potenzialen – wenn Sie die richtigen Fragen stellen und Impulse geben. Wer möchte wo mehr Verantwortung übernehmen? Wer würde was gerne abgeben oder reduzieren? Manchmal ist eine Krise mit gewissen Umsatz- und Arbeitsreduzierungen sogar eine Zeit, in der man gut Weiterbildungs- und Entwicklungsprojekte klären und auf den Weg bringen kann. 
Es gibt kein richtig oder falsch. Wichtig ist mir: gerade jetzt ist der intensive persönliche Kontakt elementar. Natürlich gibt es viele andere Kommunikationsformen – vom Teammeeting bis zum kleinen Gespräch am Rande. Aber der bewusste Termin des persönlichen Gesprächs für die wichtigen Dinge – das ist oft der Raum für wertvolle Erkenntnisse.  

Drei Situationen – aber kein Grund zum Aufschieben

Gleich, ob sie Entwicklungsgespräche schon etabliert haben, sie gerade einführen wollten oder damit noch keine Erfahrungen gemacht haben. Schieben Sie sie nicht auf. Wenn Sie schon als Chefs das Gefühl haben, dass es keine klaren Ziele geben kann, ist das kein Grund die Gespräche aufzuschieben. Alle wissen, dass niemand verbindliche Aussagen in die Zukunft machen kann. Es geht mehr ums Zuhören und Verstehen als um klare Ansagen. Führen Sie die Gespräche nicht, nehmen Sie in Kauf, dass Ihre Leute in großer Unsicherheit auf sich allein gestellt sind. 

In der Krise kann es gut sein, lieber kürzere, dafür häufigere solcher Gespräche zu führen. In anderen Zeiten kann man dann wieder zu einem anderen Rhythmus wechseln. Mitarbeitergespräche remote? Na, klar. Das geht. Ich habe an anderer Stelle über gute Videokonferenzen geschrieben. Hier gilt doppelt: Sie brauchen gute Technik und sind genauso gut vorbereitet wie beim persönlichen Termin. Dann geht das auch – es gibt Firmen, die machen das nur so. Besser ein gutes Remote-Gespräch als kein oder gar ein schlechtes Offline-Gespräch. 

​Eine Falle wartet noch: „Das ist ja ganz schön viel Aufwand!“ – das hören wir öfter. Ich muss dann grinsen und sage gerne „Stimmt. Aber genau dafür werden Sie als Führungskraft bezahlt.“ 

So verständlich die Bedenken sind (Ja, wenn Sie zehn oder mehr Entwicklungsgespräche vorbereiten, terminieren, führen und auswerten, dann investieren Sie einiges an Zeit), so wertvoll sind die Erfahrungen hinterher. Wenn wir Führungsteams dabei unterstützen, wirklich gute Gespräche in diesem Sinne zu führen, haben wir schon ganz oft erlebt, wie überrascht und angetan Chefs wie Mitarbeiter von den Gesprächen waren. Hinterher sind die allermeisten sich einig „Das hat sich gelohnt“. 

Sie zu führen, hat einen Preis an Zeit und Energie. Sie nicht zu führen, hat einen höheren Preis. 

Wenn Sie bis hierher gelesen haben – mir ist schon klar, dass das kein „Impuls“ ist, den Sie mal eben diese Woche umsetzen können  😉. Aber wie bei so vielen sehr wichtigen Dingen, kommt es nicht auf den schnellen Aktionismus an. Hauptsache Sie arbeiten in die richtige Richtung.  

In diesem Sinne starten sie vielleicht einen guten ersten Schritt. ​​

Bleiben Sie gesund und zuversichtlich – und erzeugen Sie das bei Ihrem Team auch. Das hilft – gerade in Zeiten wie diesen.