Willkommenskultur statt Panikmache

Es ist ein heikles Thema und wird hitzig und in Wahlkampfzeiten auch recht populistisch diskutiert: Migration.

Das Thema in all seinen Facetten ist für die Zukunft unserer Gesellschaft, vor allem aber unseres Arbeitsmarktes, elementar wichtig. Davon bin ich überzeugt. Aber die hitzige und populistische Art der Diskussion könnte viel mehr Schaden anrichten als sie zu guten Lösungen beiträgt.

Es wird vieles verzerrt, Ängste werden geschürt und Signale in die Welt gesandt, die uns massiv schaden können.

Das Hauptproblem: man vermischt die beiden Arten von Zuwanderung: fluchtbedingte Migration und die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt.

Dabei handelt es sich um zwei völlig unterschiedliche Systeme. In beiden Bereichen besteht dringender Handlungsbedarf – Lösungsansätze gibt es. Erst wenn beide Systeme sehr viel besser geregelt und gemanagt sind, wird sichtbar, worum es wirklich geht – weit darüberhinaus.

Denn auf lange Sicht steht unser Land mit allen anderen Regionen dieser Welt im Wettbewerb um Talente und Wohlstand. Wie gut wir in diesem Sinne dastehen, welches Image wir uns in der Welt aufbauen und wie attraktiv wir diese Entwicklungen steuern – das entscheidet am Ende über unsere Situation in der Welt.

Ich bin kein Migrationsexperte. Aber mir liegt der Themenkomplex enorm am Herzen. Zum Einen, weil er (und vor allem die Art der Diskussion) für unsere demokratische Kultur so immens wichtig ist. Zum Anderen weil ich durch meine vielen Reisen in verschiedene Teile der Welt immer wieder erlebe, wie ähnlich sich Menschen auf der ganzen Welt sind. Egal, welche Hautfarbe, welche Religion und welche Kultur – Menschen sind sich so viel ähnlicher als vielen bewusst ist.

Statt uns auf Vorurteile und das Trennende zu fokussieren,
sollten wir viel mehr auf das menschlich verbindende achten.

Es braucht klügere Systeme, bessere Steuerung und Prozesse und eine kluge, langfristig orientierte Haltung und Strategie. Ich möchte ein paar Denkansätze aufzeigen und zu einem positiven Blick auf den Themenkomplex beitragen. Und ich hoffe auf eine politische Mehrheitsmeinung, die in der Lage ist, die nötigen Schritte in einem breiten Konsens professionell zu klären und auf den Weg zu bringen. Es gäbe so viele wichtigere Themen, für die wir dann wieder Raum hätten.

Doch der Reihe nach…

Die Inhalte im Überblick

Schutz vor Verfolgung

Der Schutz und die Aufnahme von Menschen in Not ist im Grunde immer noch gesellschaftlicher Konsens. Gut so. Aber über den Umfang und die Steuerung wird heftig gestritten.

Mit Abstand betrachtet, ist das bisher etablierte System reichlich dysfunktional. Da führt der Weg zum sicheren Ort durch zunächst durch Wüsten und Berge, dann über das Mittelmeer und ist gespickt von lebensbedrohlichen Gefahren.

Zu welchen Entscheidungen zwingt das Familien in Syrien, Sudan oder Afghanistan? Man wählt junge, noch nicht verheiratete, sportlich fitte Männer aus, um sich diesen Strapazen zu stellen. In der Hoffnung, dass sie es am ehesten nach Europa schaffen können, um dann die Familie nachzuholen oder finanziell zu unterstützen.

Wer es dann buchstäblich ans rettende Ufer geschafft hat, sieht sich frustriert in Auffanglagern und vor monatelangen Verfahren. Arbeit ist untersagt, willkommen fühlt man sich auch nicht. Muss monatelang untätig bleiben. Ist es da ein Wunder, wenn der eine oder andere in solcher Situation auf die schiefe Bahn gerät?

Wäre es nicht klüger, hier über ganz andere Systeme und Steuerung nachzudenken? Würden wir die Menschen schützen wollen, die z.B. in Afghanistan besonders gefährdet sind – müssten wir dann nicht eine bestimmte Anzahl an Frauen und Kindern retten?

Wäre es nicht klüger, einen Schutz gemeinsam mit WHO, UNO, EU und Partnerländern möglichst nah an den Herkunftsländern zu organisieren? Warum nicht dort unter europäischen Sicherheitsstandards Verfahren durchführen und den weiten Weg dann nur denen zumuten, die bereits ein OK für den Aufenthalt haben? Geleitet von europäischen Staaten statt von illegalen Schleppern.

Behördenversagen

Auch im nächsten heiß diskutierten Punkt scheinen sich viele Parteien „eigentlich“ einig zu sein: Wer kein Aufenthaltsrecht hat, sollte unser Land wieder verlassen. Das wäre im Übrigen mit viel weniger Härten verbunden, wenn man dann gar nicht erst im Land gewesen wäre oder jedenfalls nur für ein paar Tage. So etwas erst nach vielen Wochen oder Monaten zu entscheiden, ist unmenschlich.

Allein – es passiert da ziemlich wenig. Mit etwas Abstand betrachtet, macht ein Staat doch keinen guten Eindruck, wenn Abschiebungen nicht möglich werden, weil Menschen keine Papiere haben. Es ist ja schon schlimm genug, dass man nicht in ein Land hineinkommt, wenn man seinen Pass nicht dabei hat.

Aber dass man nicht hinausgeworfen werden kann, weil man seine Papiere nicht dabei hat – das hat – wäre es nicht so tragisch – schon Slapstick – Charakter.

Das ist, als ob ich keine Steuern zahlen müsste,
wenn ich meine Steuererklärung nicht als Papierausdruck zur Hand habe.

Man kann sich ja gar nicht ausdenken, wie schnell man seine Steuererklärung verlegt und verloren hätte…

Noch weitergehenden Wahnsinn entdeckte ich kürzlich bei einer Recherche zum Thema. Eine Rückführung in andere EU-Länder ist wohl dann möglich, wenn die ursprünglichen Herkunfts- oder Transitländer eine Rücknahme-Erklärung abgeben. Jetzt scheint es so zu sein, dass die öfter vorliegen als man denkt. Allerdings gelten die „nur“ für 6 Monate (das ist ein halbes Jahr!!!). Das Drama: offenbar schaffen es deutsche Ausländerbehörden nicht, die Abwicklung der Verfahren in einem halben Jahr zu gewährleisten. Und aus diesem Grund werden viele tausend Menschen dann nicht abgeschoben.

Ist es ein Wunder, dass Menschen da ratlos werden und die falschen Kräfte Auftrieb gewinnen? Egal, wer die nächste Bundesregierung bildet – solche Ausprägungen von Behördenversagen und Missmanagement müssen schnellstens behoben werden.

Trotz alledem: obwohl das System so dramatisch schlecht aufgestellt ist, sind viele (die weit überwiegende Mehrheit) der zu uns gekommenen Menschen längst gut integriert, haben sich im Arbeitsmarkt etabliert, die Sprache gelernt und tragen eine Menge bei. Klar gibt es auch die Negativbeispiele. Aber das plakative Verallgemeinern aus tragischen Taten von Einzeltätern auf „die Flüchtlinge“ oder die „Ausländer“, ist ebenso falsch wie schädlich. Das fördert neben unsinnigem Aktionismus vor allem ungerechtfertigte Ressentiments gegenüber viel zu vielen Menschen.

Vorträge, die begeistern und Wirkung zeigen

Fachkräftemangel, Digitalisierung, New Work – der Wandel der Arbeitswelt stellt alte Sicherheiten in Frage. Jammern hilft nicht. Strategie schon.

Bringen Sie Zuversicht und Motivation in die Köpfe und Herzen Ihrer Zuhörer. Mit Vorträgen, die begeistern, ermutigen und zum Handeln anstiften. Provokant und relevant für alle, die Verantwortung für Unternehmen und Mitarbeitende tragen.

Bekenntnis als Einwanderungsland

Das noch größere politische Versäumnis ist die langjährige Verweigerung, anzuerkennen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und sein muss – wollen wir unseren Wohlstand trotz unserer Demografie erhalten. Das ist lange bekannt. Wir haben das im Jugendverband schon vor 30 Jahren diskutiert.

Erst jetzt in den letzten Jahren gibt es Veränderungen und Regelungen, die eine gezielte Einwanderung in den Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Das sind aber alles Einzelregelungen und sie sind aufgesetzt in einem System und mit Bearbeitern, die im Kontext des Abwehrens und des Misstrauens gegenüber Menschen aus anderen Ländern entstanden und sozialisiert sind.

Was wir stattdessen längst gebraucht hätten und dringend nachholen müssen, ist ein modernes, selbstbewusstes Verständnis als Einwanderungsland. Nach welchen Kriterien lassen wir wie viele Menschen in unser Land? Wie läuft das Bewerbungsverfahren? Wozu muss sich verpflichten, wer zu uns kommt?

Eine Zuwanderung in diesem Sinne hat automatisch eine völlig andere Wirkung. Menschen, die zu uns kommen, sollten mit Begeisterung aufgenommen, als Bereicherung wahrgenommen werden. Staat und Gesellschaft stellen die Weichen anstatt gefühlt die Kontrolle zu verlieren.

Die versteckte Gefahr …

Hätte diese Säule der Zuwanderung den größeren Teil der öffentlichen Wahrnehmung übernommen – wir hätten eher eine Diskussion über Willkommenskultur und einen positiven Wettbewerb um die besten Talente.

Denn das ist eine der größten Gefahren der derzeitigen Diskussion.

Machen wir uns bewusst, wie all diese Botschaften in den Ohren von Menschen klingen, die selbst oder deren Eltern aus anderen Teilen der Welt zu uns gekommen sind und die hier längst Wurzeln geschlagen haben, sich integriert haben, Steuern zahlen und den Müll rausstellen.

Getrieben von (überzogenen) Ängsten, Abwehrreflexen und Hilflosigkeit prägen Aussagen und politische Parolen die öffentliche Meinung und lassen gut integrierte Menschen ängstlich werden und unsicher.

Und was sollen erst talentierte Softwareentwickler, Pflegekräfte und Mediziner aus Vietnam, Ghana oder Indien denken, wenn Sie über Deutschland recherchieren. Macht das Lust und Mut, sich hier einzubringen? Ich befürchte nicht…

Country Branding – wie Employer Branding, nur größer!

Damit kommen wir zu dem, worüber wir wirklich diskutieren müssten. Die Welt ist längst ein globales Dorf. Auch wenn manche politische Entwicklungen gerade nach Rückzug in die eigene Weltregion klingen – in der großen Linie wird das nichts daran ändern, dass Menschen immer mobiler werden.

Nicht nur die Unternehmen können sich rund um die Welt die besten Standorte suchen. Auch die einzelnen Menschen können sich immer leichter rund um den Globus die Orte aussuchen, in denen sie leben und arbeiten wollen.

Die eigentliche Abstimmung erfolgt mit den Füssen.

Da kann man sich fragen, wo es die Menschen hinzieht. Ich sage in Vorträgen öfter mal:

„Menschen gehen gerne dahin, wo es schönes Wetter hat,
die Menschen freundlich sind und
man mit der englischen Sprache gut zurecht kommt.“

Ich fürchte, da stehen wir in Deutschland nicht ganz oben in der Nahrungskette.

Berufliche High Potentials suchen vielleicht nach niedrigen Steuern. Oder nach unbürokratischen Regelungen für Forschung oder Gründung. Merken Sie was?

Klar, wir haben einiges zu bieten. Aber wir sind nicht allein auf der Welt. Es gibt genug aufstrebende Weltregionen, die sich jede Menge einfallen lassen, um die besten Köpfe der Welt anzuziehen.

Wie die Firma, so das Land

Was wir tun müssten als Land, ähnelt sehr dem, was Arbeitgeber im Kampf um Talente tun müssen.

Wir brauchen ein Employer Branding und smarte Recruitingprozesse.
Als Land genauso wie als Arbeitgeber. Country Branding sozusagen.

Und da können wir das ganze Instrumentarium durchdeklinieren und übertragen:

  • Eine klare und überzeugende Positionierung: Wofür stehen wir und was ist hier besser als anderswo?
  • Eine sympathische Kommunikation. Wir müssen bekannt sein als ein „cooles“ Land mit tollen Möglichkeiten. Der Ruf Deutschlands in der Welt ist so schlecht gar nicht. Es ist noch nicht zu spät…
  • Moderne, digitale und gewinnende Kennenlernprozesse. Upps. Jetzt wird es schwierig. Einreiseprozess, Visa, Anerkennung von Abschlüssen – das muss alles unkompliziert, digital, schnell und auf englisch passieren. Am besten mit der positiven Erfahrung ausgesprochen freundlicher und dienstleistungsorientierter Kontaktpersonen.
  • Überzeugendes Onboarding und Integration. Was im Unternehmen elementar ist, gilt im fremden Land umso mehr.

Da gibt es jede Menge zu tun. Vor allem dürfen wir das, was hier an Weltoffenheit, Anwerbe-Initiativen und Marketinganstrengungen unternommen wird, nicht kaputt machen lassen durch Parolen und gar Gewalt und Ablehnung gegen alles Fremde.

Und wie im Unternehmen auch – achten wir auf die Menschen, die schon bei uns sind. Fühlen die sich nicht mehr wohl und sicher, gehen vor allem die Guten. Das spricht sich rum und wir wundern uns dann, warum die besten Talente woanders hin gehen.

Parallelgesellschaften – na und?

Noch einen Gedanken möchte ich zum Schluss teilen. Eine der häufigen Parolen: Wir müssen Parallelgesellschaften vermeiden, Multi-Kulti sei gescheitert. Das will ich doch etwas relativieren.

Da denkt man dann an vollverschleierte Frauen, Ehrenmorde und völlig ohne Kontakt zur Hauptgesellschaft lebende Gruppen. In diesem Extrem sicher keine wünschenswerte Entwicklung. Bei einer aktiven Einwanderung mit klaren Erwartungen und Bekenntnissen zu Grundgesetz und unseren Werten, dürfte das aber auch nicht passieren.

Man sollte das mit der Integration und der Angst vor Parallelgesellschaften aber auch nicht übertreiben.

Auf Reisen bewundern wir in New York oder Bangkok das jeweilige Chinatown. In San Diego freut man sich im italienischen Viertel „Little Italy“ über grandiose Pizza. Natürlich kann man da auch italienisch hören. Und mal ehrlich – wir sind doch auch nicht anders.

Deutsche leben jahrelang an der Costa Blanca und können trotzdem nur so viel Spanisch, dass sie unfallfrei einen Café con Leche bestellen können. Sogar die Saarländer in Berlin organisieren sich einen eigenen Verein und treffen sich in der Landesvertretung.

Mit dem rechten Mittelweg zwischen Integration und Vernetzung auf der einen Seite und ein wenig Heimatgefühl und Unterstützung in der Fremde ist doch allen geholfen. Solche Modelle gibt es längst. Im Osten Kaiserslauterns ist die amerikanische Gemeinde so groß, dass viele Läden zweisprachig ausgeschildert sind. Rund um die Airbase in Ramstein kann man problemlos mit Englisch als Sprache zurechtkommen, amerikanische MarshMellows kaufen und hinter dicken Pickups herfahren.

In Düsseldorf steht die japanische Gemeinschaft für die größte japanische Bevölkerungsgruppe in Deutschland – das einzige Japantown.

Eine kluge und vernetzte Integration ohne vollständige Assimilation – das kann m.E. ein perfekter Weg sein. Mit Kulturen und Herkunftsländern, die zu ihren Zielregionen passen, können kulturelle Vielfalt und wirtschaftliche Prosperität wunderbar zusammengehen. Der vietnamesische Nachbarschaftsverein, der den Pflegekräften das Leben erleichtert. Die portugiesische Gemeinschaft an der Uni. Die indische Community am Campus.

Und da denke ich dann wieder: es sollten einfach mehr Menschen die Chance haben und nutzen, öfter mal in anderen Ländern zu Gast zu sein. Nicht in der Hotelanlage, sondern mitten drin. Das ändert den Blick auf die Welt, die Menschen und das Ausländer sein.

Wir sind das alle – fast überall auf der Welt.

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Hi ich bin Stefan und schreibe hier für großartige Arbeitgeber und eine bessere Arbeitswelt.

Ich bin selbst Unternehmer, motiviere als Keynote Speaker und begleite als Sparringspartner.
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