Heute wird es ernst…

Wenn ich sonst über andere Länder schreibe, ist das ja meist mit Sonne, Sand und Meer und dem Arbeiten und Leben an tollen Orten verbunden😃.

Der Blick ist auch heute global – aber viel fundamentaler auf den Arbeitsmarkt gerichtet.

Wir reden ja schon lange vom globalen Dorf als Sinnbild für globale Wirtschaftsbeziehungen, Arbeitsteilung und Lieferketten. Wirklich nutzen konnten das bisher vor allem große Konzerne mit weltumspannenden Niederlassungen. Der Trend, Produktionen in Länder mit geringeren Kosten oder größerer Auswahl an Fachkräften zu verlagern, ist ein alter Hut (auch wenn sich aktuell die Prioritäten etwas verschieben).

Das ist komplex. Niederlassungen in fremden Ländern rechtssicher aufzustellen und zu führen – das brauchte eine Menge Manpower, Knowhow und Kapital.

Für den Mittelstand oder für Startups und damit das Gros der Firmen in Deutschland war der globale Arbeitsmarkt keine Option.

Genau das ändert sich gerade und die Folgen könnten dramatisch sein.

Wie wäre es, wenn es eine Plattform gäbe, die es möglich macht, dass jede Firma innerhalb weniger Tage qualifizierte Mitarbeiter in jedem beliebigen Land der Welt einstellen könnte? Rechtssicher, schnell und ohne eigene Präsenz vor Ort. Gegen eine Gebühr natürlich, aber schnell  und unkompliziert.

Bei meinem Besuch der Expo 2020 in Dubai letztes Jahr sprach ich mit Menschen, die genau solche Dienste entwickeln. Und bei der letzten Messe „Zukunft Personal“ begegnete ich kurz vor der Abreise meinem Gesprächspartner in der aktuellen Podcastfolge – Martin Tillert. Als langjähriger Experte im deutschen Arbeitsmarkt (vorherige Stationen u.a. Indeed) ist er als Partner Director für den deutschen Markt beim Marktführer solcher Plattformen, G-P (früher Globalization Partners), tätig.

Mit ihm habe ich ein sehr anregendes Gespräch über das Modell von G-P und den globalen Arbeitsmarkt geführt. Die Grundidee der Plattform mag nur für wenige von Ihnen direkt relevant sein – die großen Entwicklungen dahinter halte ich in jedem Fall ein paar weiterführende Gedanken wert.

Mitarbeiter einstellen in aller Welt? So geht´s!

G-P stellt in fast allen Ländern dieser Welt eine reguläre Infrastruktur als Arbeitgeber zur Verfügung. Mitarbeitende können dort angestellt werden und werden – sozusagen im Dreiecksverhältnis mit dem Auftraggeber in Deutschland.

Die Mitarbeiter im anderen Land sind formal inkl. aller rechtlichen, steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Fragen bei G-P angestellt. Inhaltlich geführt werden sie vom Auftraggeber – z.B. in Deutschland. Sie können also genauso in die Firmenabläufe integriert werden wie Remote-Mitarbeiter im Homeoffice.

In welchen Anwendungsfällen kann das interessant sein?

Naheliegend ist diese Leistung natürlich für Firmen, die schnell in internationale Märkte expandieren wollen und sich so den Markteinstieg erleichtern und beschleunigen. Hat man erst mal Fuß gefasst, kann man ja immer noch eigene Niederlassungen gründen.

Der zweite große Fall ist das Auslagern von Leistungen, für die man in Deutschland nicht mehr genügend Fachkräfte findet. Damit Kosten zu sparen, kann ein Motiv sein. Diese Rechnung geht allerdings seltener auf, als man denkt. Erstens passen sich Lohnniveaus im Zuge der Globalisierung zunehmend an, andererseits entstehen durch die Plattform und die Leistungen auch Kosten. Martin Tillert erläutert, dass die Einsparung vor allem gegenüber dem eigenen Gründen einer Niederlassung besteche.

Doch es kann weitere Anwendungsfälle geben. Das Beispiel von Max Tramboo mit workparadise.asia aus einem der letzten Impulse hat die Idee schon gezeigt: Mitarbeiter entsenden in ein anderes Land, in dem sie eine Weile leben wollen, sie aber rechtssicher angestellt lassen – das geht natürlich auch über G-P, auch wenn es hier nicht im Vordergrund steht.

Und die Beschäftigung von Freelancern und Dienstleistern kann über die Plattform auch abgewickelt werden.

Wer mehr über das Modell, die Funktionsweise und die Anwendung der G-P-Plattform hören will – hier geht´s zur Podcastfolge.

Zur Website von G-P geht es hier.

So spannend diese neuen Möglichkeiten sind – noch interessanter finde ich die Trends und Entwicklungen, die sich hier abzeichnen.

Fachkräftemangel – eine Frage der Perspektive

Wir sprechen viel – richtigerweise – über Migration und Integration von Menschen in unseren Arbeitsmarkt und unsere Gesellschaft.

Für ortsgebundene Jobs ist das vermutlich auch der einzig gangbare Weg. Für alles was auch remote geht, wird genau anders herum ein viel größerer Schuh daraus:

Wir bringen nicht die Menschen zur Arbeit, sondern die Arbeit zu den Menschen.

Rund um den Globus. Der nächste Mitarbeiter ist nur ein paar Klicks entfernt.

Merken Sie was?

Klar, wir haben in Deutschland einen dramatischen Fachkräftemangel. In unseren Nachbarländern ist das Problem ähnlich. Es gibt erstaunlich viele Länder auf der Welt mit ähnlicher Demografie.

Aber insgesamt? Auf der ganzen Welt betrachtet? Arbeitskräftemangel?

Sicher nicht. Menschen sind genug da. Lernwillige, motivierte, junge Menschen. In Ländern wie Indonesien, den Philippinen, Brasilien, Nigeria, Indien und vielen anderen mehr.

Nein, das geht nicht ganz so einfach, wie ich es jetzt darstelle. Stimmt schon. Sprachkenntnisse, Qualifikationen, Kultur – da gibt es noch eine Menge Hürden.

Aber in der großen Linie haben wir nicht zu viel Arbeit für die Menschen auf der Welt.
Das ist eher ein Verteilungsproblem und die Frage,
wo die Arbeit erledigt und der Wohlstand erzeugt wird.

Wer also in Deutschland glaubt, wie ein wütender Dreijähriger darauf pochen zu können, dass doch wohl jemand das Fachkräfteproblem zu lösen habe, weil die Arbeit ja gemacht werden müsse – der mag ja aus einheimischer Perspektive auf Verständnis stoßen. Aber im globalen Maßstab ist das schlicht irrelevant.

Die Arbeit wird – wenn sie wertschöpfend und sinnvoll ist – erledigt.
Die Frage ist nur wo.

Und ob wir und unsere Firmen dabei so wettbewerbsfähig und attraktiv sind, dass wir noch mitspielen.

Menschen und Arbeit sind nur einen Klick entfernt

Denken wir das doch mal in ein paar Richtungen weiter.

Globales Recruiting
Welche Potenziale entstehen da, wenn man Menschen in aller Welt einstellen oder beauftragen kann. Programmierer in Moldawien, deutschsprachige Service-Hotline-Mitarbeitende in Rumänien, das Entwicklerteam in Indien. Ohne eigene Niederlassungen, einfach per Plattform organisiert und per Videokonferenz und Kollaborationssoftware gemeinsam gesteuert. Genauso remote wie mit einheimisch verteilt arbeitenden Menschen. Nur halt erst mal auf Englisch, wenn es grenzüberschreitend sein soll. Oder mit deutschsprachigen Menschen, die ja auch in nicht so geringer Zahl auf der ganzen Welt verteilt leben.

Vom babylonischen Sprachgewirr zur automatischen Übersetzung.
Klar, heute ist die Sprache noch eine wichtige Hürde beim internationalen Rekrutieren. Wer Fachdiskussionen in Nicht-Muttersprachler-Englisch mit indischen Entwicklern und philippinischen Buchhaltungskräften erlebt hat, weiß: Das kann mühsam sein.
Doch es ist ja längst klar, dass wir (geht heute schon) in wenigen Jahren unsere Videokonferenzen in Muttersprache machen. Die Technik übersetzt und die Kollegen in Thailand hören mich auf Thai, die in Indien auf indisch… – und ich sie auf Deutsch oder Englisch.

Zeitverschiebung? – Zeitverschiebung!
Viele sehen das ja als Problem an. Kann man aber auch als Chance betrachten. Ich habe lange Zeit mit einer virtuellen Assistentin zusammengearbeitet, die in Malaysia lebte. Das war cool. Ich habe abends etwas erstellt und ihr Aufträge geschickt. Bis ich am nächsten Morgen wieder weiter arbeiten wollte, hatte ich ihre Ergebnisse auf dem Tisch. Praktisch.
Als dann unser SEO-Experte gerade in Mexiko war, wurde auf einmal klar: wir könnten jetzt 24 Stunden-Service anbieten 😉. Aber man muss ja nicht alles machen, nur weil´s geht…

Globale Unternehmen – auch für kleine Firmen möglich
G-P ist selbst ein Beispiel. Die ca. 1000 Mitarbeiter starke Firma hat zwar einige Büros. Aber die ganze Firma ist komplett remote organisiert. Mitarbeiter leben und kommen aus der ganzen Welt. Das kann man auch realisieren, wenn es nicht so logisch zum Geschäftszweck gehört, wie bei G-P. Die Diversität kann unglaublich bereichernd sein, davon berichtet Martin Tillert sehr überzeugend. Menschen können in verschiedenen Ländern leben oder alle paar Monate weiterreisen – und dennoch bei der gleichen Firma beschäftigt bleiben. Klar – das wollen nicht alle, eine interessante Möglichkeit ist es aber allemal.

Die Liste ließe sich fortsetzen….

Kopf in den Sand oder in die Luft? Chancen nutzen!

Ich gebe ja gerne zu: das kann beängstigend sein. Man könnte sich fragen, ob es wirklich eine gute Idee sei, Prozesse zu digitalisieren und dann noch auf Englisch abzubilden. Denn dann könnten sie ja ausgelagert werden – und ppppfusssch – sind unsere wertvollen Arbeitsplätze in Deutschland weg.

Ich glaube allerdings dass es auch hier überhaupt keine Option ist, die Möglichkeiten des Fortschritts zu ignorieren. Die Entwicklungen kommen so oder so.

Wer glaubt, wir wären in Deutschland das Maß aller Dinge und könnten uns langsame und bürokratische Prozesse (Einwanderung, Anerkennung von Qualifikationen, etc.) oder hochnäsiges Herabschauen auf andere Länder leisten, ist auf dem Holzweg. Wir sind nicht allein auf der Welt. Auch Jammern und Fordern sind keine Lösungen.

Viel schlauer ist es, diese Entwicklungen in Ruhe zu beobachten, neugierig zu sein und dann die Lage für das eigene Unternehmen klug zu analysieren. Wachsam aber auch gelassen Chancen zu erkunden und zu nutzen. Auch dazu ein paar Denkansätze:

Recruiting weiter denken
Für bestimmte Tätigkeiten können Mitarbeitende in anderen Ländern eine gute Erweiterung des Talentepools sein. Das kann die Variante von G-P sein mit Festangestellten. Das können aber auch Aufträge an Freelancer über Plattformen wie fivrr oder upwork sein. Dort bieten tausende von spezialisierten Freelancern ihre Dienste an – vom Texten über Website-Erstellung bis zu IT- und Planungsleistungen. Das lohnt mal einen Blick. Und ist nur einen Klick entfernt.

Remote- und Sprachhürden meistern
Wer sich der Herausforderung stellt, Menschen vollständig remote ins Unternehmen zu integrieren und das mit einigen Planern in z.B. Moldawien gut meistert – na, der hat doch leichtes Spiel und viel Potenzial – zuhause und anderswo. Genauso mit der Sprache. Warum soll in manchen Bereichen Englisch als Arbeitssprache nicht völlig normal werden?

Gelassen bleiben
Auch wenn sich heute mancher Gedanke vielleicht etwas alarmistisch angehört haben mag, möchte ich zum Schluss auch einen Appell an die Gelassenheit richten. Wer diese Entwicklungen realistisch einschätzt und im Blick hat, Chancen erkundet und nutzt, hat anderen viel voraus. Denn viele Mitbewerber werden die Entwicklungen falsch einschätzen – um nicht zu sagen – verschlafen.

Und für Talente hier wie global gilt immer noch: großartige Arbeitgeber werden Menschen anziehen und können diesen Entwicklungen gelassen entgegensehen.

Was wir aber definitiv tun sollten: unseren Blick über den Tellerrand weiten, unsere Firmen modern aufstellen und alte gewohnte Grenzen im Denken entspannt und zukunftsoffen über Bord werfen.

Es werden sich vermutlich in enormer Geschwindigkeit neue Entwicklungen – und Chancen – auftun.

Der von mir sehr geschätzte Zukunftsexperte Pero Micic sagt:

„Eines ist sicher. So langsam wie heute wird es nie wieder sein.“

Podcast – Arbeitsmarkt global. Mitarbeiter auf der ganzen Welt beschäftigen.

In fast jedem Land der Welt Menschen zu finden und rechtssicher zu beschäftigen, ohne dafür eigene Niederlassungen gründen zu müssen? Martin Tillert, Partner Direktor bei G-P für den deutschsprachigen Raum, erläutert das innovative Modell. Wir diskutieren die Entwicklungen im globalen Arbeitsmarkt und ihre Auswirkungen auf Firmen und Gesellschaft. Hören Sie rein!

2023-05-08T18:08:43+02:00

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