Foto: SmartFactoryKL e.V.

Die Fabrik der Zukunft

Gestern San Francisco, heute Kaiserslautern. Diesmal war der Weg in die Zukunft der Arbeit viel kürzer. Bei einer Tagung sagte Stefan Wess vor einigen Monaten „KI“ heiße eigentlich nicht „Künstliche Intelligenz“, sondern „Kaiserslautern Inside“. Ein schönes Wortspiel und tatsächlich findet sich geballte Kompetenz in Sachen Fabrik der Zukunft, Automation und KI in Kaiserslautern. Mit wem könnte ich also fundierter über Industrie 4.0 und ihre Auswirkungen sprechen als mit Martin Ruskowski, Professor an der TU Kaiserslautern, Leiter des Forschungsbereichs Innovative Fabriksysteme am DFKI in Kaiserslautern und Vorstandsvorsitzender der SmartFactory KL e.V.

Das Gespräch über die Zukunft der Arbeit haben wir im Frühjahr geführt. Das ganze Interview hören Sie in der aktuellen Podcastfolge. Zentrale Aussagen habe ich Ihnen hier zusammengefasst und Folgen für Firmen und Führungskräfte skizziert. In anderen Gesprächen war u.a. von der „Dark Factory“ die Rede – der Fabrik ohne Menschen. In gewisser Weise beruhigend aus dem Interview mit Prof. Ruskowski: So schnell wird das nicht kommen, da die Kosten von Robotern bei solchen Visionen massiv unterschätzt werden. Doch der Reihe nach.

Wenn Maschinen transparent und gesprächig werden

Die Grundidee der Industrie 4.0, intelligentere, „gesprächigere“ und transparentere Maschinen zu einer vernetzten Produktion zu verbinden, hat weitreichende Folgen. Die auch aus Kaiserslautern vorangetriebene Vision der botgesteuerten Produktion bedeutet nicht weniger, als dass Maschinen durch kleine Softwareprogramme und nutzerfreundliche Schnittstellen viel besser mit Menschen und direkt miteinander kommunizieren. Richtig vernetzt, stimmen sich die einzelnen Teile des Produktionsprozesses direkt miteinander ab. Produkte suchen sich die optimalen Stationen für die nächsten Arbeitsschritte selbst, Arbeitsstationen koordinieren die Auslastung untereinander autonom und im Falle eines Ausfalls einer Station, steht nicht die ganze Produktion still.

Wie Arbeitsplätze sich verändern

Die Utopie, dass die menschlichen Arbeitsplätze in der Produktion verschwinden – sie dürfte auf mittlere Sicht nicht eintreten.  Eine Kernaussage aus unserem Gespräch: die Polarisierung der Arbeit und der Arbeitsplätze. Fleißarbeiten können automatisiert werden, vor allem in der Planung und Steuerung der Produktion. Die oft hoch qualifizierten Menschen, die das bisher gemacht haben, werden entlastet und gewinnen den Freiraum, sich um die Verbesserung und Weiterentwicklung der Prozesse zu kümmern. Die Arbeit wird kreativer und produktiver. Wenn hier Arbeitsplätze verloren gehen, dürfte das gerade so reichen, die Verluste durch die bevorstehende Pensionierung der vielen hochqualifizierten Baby Boomer auszugleichen.

Nehmen uns die Roboter die Arbeit weg?

Am anderen Ende werden die einfacheren Arbeiten nicht einfach so wegfallen. Im Gegenteil – wahrscheinlich wird es viele noch lange geben. Ganz einfach, weil Roboter oft teurer sind, als menschliche Arbeitskraft. Während Software und Prozessoren in atemberaubender Geschwindigkeit schneller, leistungsfähiger und billiger werden, läuft das bei den mechanischen Komponenten viel langsamer. Der Preis ist nur das eine. Menschen sind auch flexibler, insbesondere, wenn Arbeitsprozesse sich häufig ändern. Ist ein Produktionsprozess erst technisch automatisiert und für hohe Summen eingerichtet, ist eine Umrüstung zeitaufwändig und teuer. Wer für sich oder für seine Kinder über Berufe mit Zukunft nachdenkt, der sollte all die Aufgabenfelder, die mit Automatisierung, Künstlicher Intelligenz oder Kommunikation und Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine zu tun haben, im Blick behalten.

Was ändert sich in Sachen Führung?

Gerade in der Produktion haben Führungsrollen bisher oft eine klare hierarchische, anleitende und planende Rolle. Aus dem Wissen der Führungskräfte, ihrer Hoheit über die Abläufe und der damit definierten Wichtigkeit leitet sich das bisherige Selbstverständnis ab.

Das wird sich ändern müssen. Je besser vernetzt, je transparenter und je kommunikativer die Produktion wird, desto mehr müssen auch hier Menschen und Maschinen in schnellen, direktem Austausch Probleme erkennen und lösen. Der Umweg über Führungskräfte ist dann viel zu langsam. Chefs müssen loslassen lernen, sich nicht mehr definieren über die Zahl der Mitarbeiter, die sie führen. Es geht um den Erfolg der Firma als Ganzes und die Qualität der Abläufe. Gute Produktions-Führungskräfte von morgen begleiten ihr Team und die Verbesserung der Prozesse. Dazu wird es weniger Hierarchieebenen brauchen, andere, direktere Kommunikation und vor allem die Fähigkeit loszulassen und Kontrolle abzugeben.

Was Firmen fördern sollten

Der Weg zur Fabrik der Zukunft dürfte ein langer sein. Ein ganzes Ökosystem an Technologie und Software muss entstehen, Schritt für Schritt ist der Wandel zu bewältigen. Insbesondere die SmartFactory und das von ihr betriebene Mittelstandskompetenzzentrum helfen dabei. Eine der größten Hürden für die Digitalisierung der Produktion heute? Die frühe Digitalisierung gestern. Das ist wie mit den Kupferkabeln in der Telekommunikation. Wer erst gar keine hatte, ist direkt auf Glasfaser eingestiegen. Wer eine alte Technik hatte, hat größere Schmerzen in der Modernisierung.

Die andere Hürde liegt in der Angst vor moderner, vernetzter Technologie. Sind wir in Deutschland und Europa in Sachen Automatisierungstechnologie noch immer weltweit führend, haben wir Nachteile in der Anwendung, im Mindset. Hier sind andere Länder weiter, zögern weniger und gewinnen dadurch Wettbewerbsvorteile. Damit sind wir wieder bei den Menschen, die – unabhängig von Alter und Berufserfahrung – mit Experimentierfreude und Lernwillen gefragt sind.

Haben verdiente Führungskräfte jedoch das latente Gefühl, durch die Beschleunigung der Digitalisierung und Vernetzung den eigenen Job wegzurationalisieren – nein, das ist nicht motivierend. Hier ist die Führung des Unternehmens als Ganzes gefordert. Aus der Sicht von Martin Ruskowski lauert eine ganz große Falle: rationalisiert man kompetente Mitarbeiter einfach weg, verschenkt man gigantisches Potenzial. Genau diese erfahrenen Mitarbeiter können wertvolle Beiträge leisten, wenn sie den Freiraum haben, die Abläufe und Prozesse im Unternehmen zu reflektieren und zu verbessern. Also nicht freisetzen, sondern Freiraum geben. Das rechnet sich durch Produktionsverbesserungen schnell.

Wo die Hürden liegen

Neben den technologischen Herausforderungen sind im erforderlichen Wandel in der Produktion die Firmenleitungen gefragt. Sie sollten den nötigen Wandel im Selbstverständnis und in den Tools der Führungskräfte fördern und begleiten. Wer sich seiner eigenen Rolle sicher ist, kann den Wandel ungehemmt vorantreiben.

Arbeitsplätze in der Produktion dürften auch auf lange Sicht eine gute Perspektive bieten. Führung und Kommunikationskultur werden sich deutlich ändern und alle mitarbeitenden Menschen sollten Begeisterung und Bereitschaft für lebenslanges Lernen mitbringen bzw. entwickeln.

Wenn Sie mehr über die Fabrik der Zukunft erfahren wollen, hören Sie rein in den Podcast. Wollen Sie Ihre Produktion auf den Prüfstand stellen und Schritte zur Industrie 4.0 unternehmen – dann nutzen Sie die Angebote in Kaiserslautern.

Weitere Informationen zur Smart Factory KL e.V.  und dem Production Level 4 finden Sie hier.

Vernetzung mit Prof. Dr.-Ing. Martin Ruskowski via LinkedIn hier.

Hier geht´s zum Podcast-Interview mit Prof. Dr.-Ing. Martin Ruskowski

2020-11-14T18:47:35+01:00
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