4 – Tage – Woche: ein heißes Thema…

Das Thema 4-Tage-Woche hyped gerade ziemlich.

In den letzten Tagen ist der Twist in der öffentlichen Diskussion dabei ganz anders geworden.

Da war zuvor ein überwiegend positiver Tenor, getrieben von Unternehmen, die mit großem Erfolg die 4-Tage-Woche eingeführt haben.

Getrieben von Untersuchungen in mehreren Ländern, die dem neuen Arbeitszeitmodell vorwiegend positive, teils überraschend positive Wirkungen zugeschrieben haben.

Genau in die gleiche Richtung geht das neue Buch von Martin Gaedt, dass gerade taufrisch auf dem Markt ist. Er hat 151 Unternehmen interviewt und stellt deren Erfahrungen in wertvolle Zusammenhänge.
Mit Martin, den ich schon viele Jahre kenne, habe ich letzte Woche ein Podcast-Interview aufgenommen. Hier geht´s zur Folge.

Und jetzt kommt der Twist – die IG-Metall hat das Thema als Forderung für die Tarifverhandlungen auf den Schild gehoben. Das verändert vieles in der Diskussion – und ich finde nicht zum Guten.

Warum?

Weil es eben ein himmelweiter Unterschied ist,
ob innovative Unternehmen gemeinsam mit ihren Teams Modelle entwickeln,
mit denen flexiblere und teils verkürzte Arbeitszeiten bei – und das ist ja der eigentliche Clou – gleichzeitig steigender Produktivität und mindestens gleichbleibenden Gewinnen erzielt werden – oder ob für eine ganze Branche die kürzere Arbeitszeit ein neuer Standard werden soll.

Ich glaube, dass wir beide Ansätze ganz grundsätzlich auseinander halten müssen. Letzteres ist einfach der alte „Kampf“ um bessere Arbeitsbedingungen. Legitim, aber nichts Neues. Ob man die Zeit reduziert oder den Lohn erhöht – das ist einfach die Verhandlung um die Konditionen des Arbeitens. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Ganz etwas anderes sind die Formen und Ausprägungen von 4-Tage-Wochen (und anderen Modellen der flexibleren Arbeitszeiten), von denen ich in meinen Vorträgen spreche und die Martin in seinem Buch intensiv beleuchtet hat.

Flexiblere Arbeitszeit-Modelle und kürzere Arbeitszeiten – beides steht schon lange auf der Wunschliste von Menschen ziemlich weit oben. Gehört wurden diese Wünsche eher selten.

Das ändert sich gerade. Es gibt Untersuchungen, es gibt praktische Beispiele – und es scheint zu funktionieren. Besser, als viele sich vorstellen konnten.

Damit ist das Modell in der Welt.

Um es vorweg zu nehmen: ich rate nicht, das einfach einzuführen. Mir geht es eher um das flexiblere und offenere Nachdenken über Arbeitszeit-Modelle. Es gibt sehr viel mehr Optionen, als man denkt…

 

4-Tage-Woche: Es gibt so viele Modelle wie Firmen

Lassen Sie uns da mal starten: was meinen wir eigentlich mit 4-Tage-Woche?

Besonders viel Furore machen ja Modelle nach dem Motto:

Du arbeitest nur noch 4 Tage – also 80 % – und bekommst weiterhin 100 % Gehalt.“

Dieses Modell gibt es wirklich. Und ja – das kann sogar wirtschaftlich für alle Beteiligten aufgehen.

Aber schauen wir uns zunächst mal das Spektrum an. Da ist zunächst mal die Variante, die Arbeitszeit einfach nur anders zu verteilen. Es bleiben z.B. 38 oder 40 Stunden, die werden aber eben auf 4 – dann etwas längere – Tage umverteilt. Der Effekt: ich habe trotzdem 3 Tage frei, spare einen Tag die Fahrt zur Arbeit. Im Handwerk – interessanterweise die eifrigste 4-Tage-Woche-Branche – entfällt dann noch eine Fahrt zur Baustelle. Die Freitage im Handwerk haben als oft verkürzte Tage kurz vorm Wochenende eh den Ruf der unproduktiven „Handwerkerfreitage“.

Klar, dass dieses Modell aufgehen sollte. Auch für die Ertragslage der Firma, spart man doch offensichtlich Kosten ein. Das geht analog auch in Gastronomie, Pflege oder Einzelhandel.

Trotzdem haben die allermeisten der von Martin Gaedt interviewten Firmen auch eine Form von Arbeitszeitreduzierung vorgenommen. Nur eben gar nicht so häufig gleich um 20 %. Es gibt die 36 – Stunden-Woche, es gibt 34, 32 oder gar 30 bei vollem Gehalt. Es gibt auch Mittelwege mit leicht reduziertem Gehalt und deutlich gesenkter Arbeitszeit.

Es gibt 4-Tage-Wochen für alle. Es gibt ein Nebeneinander von 4-Tage-Woche und 5-Tage-Woche in der gleichen Firma. Gleiche Arbeitszeit für alle, aber unterschiedliche Aufteilung.

Ein Modell, das noch gar nicht im Buch war, über das wir aber im Podcast schon gesprochen haben, finde ich besonders interessant: Die Arbeit wird auf 4 Tage verdichtet und der 5. Tag ist für Weiterbildung vorbehalten. Das hat auch was.

 

Wirkungen – erwartbare und überraschende

In mehreren Ländern gab es wissenschaftlich begleitete Studien über die 4-Tage-Woche. Die Ergebnisse sind durchweg positiv. Es funktioniert nicht nur, sondern die allermeisten Firmen möchten das zunächst als Experiment angelegte Modell weiterführen.

Martin hat bei seinen Interview-Partnern auch fast nur positive Resonanz eingesammelt. Jetzt muss man einräumen, dass das an seiner Auswahlstrategie gelegen haben kann 😉. Schließlich hat er über Instagram und Linkedin nach Anwendern gesucht und mit denen Kontakt aufgenommen, die darüber gepostet hatten und seinen Fragebogen ausgefüllt haben. Das führt nicht unbedingt zu einem repräsentativen Bild. Wo es nicht geklappt hat, schweigt man vermutlich lieber….

Dennoch: die Wirkungen sind überzeugend:

Naheliegend: Die Firmen können sich vor Bewerbern kaum retten. Wo vorher Flaute und das Jammern über den Fachkräftemangel herrschten, stehen die Leute auf einmal Schlange. Cooler Effekt, der sich aber sicherlich verringern wird, je mehr Firmen das anbieten. Aber noch ist das ein echt starkes Argument im Kampf um Talente.

Auch naheliegend, dennoch stärker als erwartet: der Krankenstand ist massiv gesunken, die Fluktuation auch. Menschen werden durch den zusätzlichen freien Tag offenbar sehr stark entlastet, bleiben gesünder, ausgeglichener und lieber an Bord.

Menschen verwenden die gewonnene Zeit für Familie und Sport, für Hobbys und ehrenamtliches Engagement. Auch das schafft Resilienz und Ausgleich.

Eher erstaunlich war für mich die Erkenntnis der immensen eingesparten Kosten wie Umweltbelastungen. Weniger Fahrten zur Arbeit, ggf. auch zur Baustelle sparen eine Menge Aufwand. Auch das eigentlich logisch.

Der Clou: da geht noch mehr!

Jetzt bleibt noch die Frage, wie sich die Einführung für die Arbeitgeber auswirkt. Die große Sorge ist ja die Wirkung auf Umsatz und Gewinn, die Wirkung auf die Verfügbarkeit beim Kunden.

Hier zeigt sich ein echter Clou. Offenbar berichten nahezu alle Anwender von mindestens gleich gebliebenen Umsätzen und Gewinnen. Auch – und gerade – die Anwender, die deutliche Arbeitszeitreduzierungen umgesetzt haben. Wie kann das sein?

Der Dreh geht so: sozusagen als Gegenleistung für die Aussicht auf die Arbeitszeitreduzierung haben sich die Teams mächtig ins Zeug gelegt und gemeinsam Produktivitätsreserven aufgespürt: Prozesse optimiert, Verschwendung eliminiert, Meetings gestrafft und Ordnung verbessert.

Der Effekt hat in Verbindung mit niedrigerem Krankenstand und besserer Gesundheit offenbar ausgereicht, um die fehlende Arbeitszeit auszugleichen.

„Na- so kann´s ja nicht gehen“ werden Sie jetzt vielleicht denken. In der Tat kann man das kritisch betrachten.

Warum sollte man diese Produktivitätssteigerung nicht auch so heben? Muss man dafür eine Arbeitszeitverkürzung in Aussicht stellen?

Oder wie es noch kritischere Stimmen äußern: „Wieso war da vorher so viel Trödelei im Spiel?“

Und wir wissen nicht, ob dieser Effekt nachhaltigen Bestand hat, wenn die anfängliche Euphorie mal verflogen sein mag.

Wie dem auch sei: von dieser Produktivitätssteigerung berichten fast alle Anwender.

Es macht eben doch einen großen Unterschied,
mit welcher Motivation Menschen die gemeinsamen Prozesse optimieren.
Sind alle an den Ergebnissen beteiligt,
macht das gleich nochmal so viel Freude
😉.

Erfolgsfaktoren – Warum und wie es funktioniert

Klingt zu schön, um wahr zu sein? Ehrlicherweise lohnt sich der Blick hinter die Kulissen. Warum und wie funktioniert es dort, wo es funktioniert?

Mit einigen wenigen Unternehmen, bei denen es nicht funktioniert hat, hat Martin dann doch gesprochen. Was diesen Firmen gemeinsam war: sie haben ein 4-Tage-Woche – Modell eingeführt, eher übergestülpt. Das ging dann schief.

Für mich völlig naheliegend und aus Martin´s Interviews bestätigt: Gelungen ist das dort, wo die Firmen mit ihren Teams zusammen ihr eigenes, individuell angepasstes Modell entwickelt haben. Es bestätigt sich auch hier: Sprecht miteinander. Hört Euch Bedürfnisse und Anforderungen an. Entwickelt Optionen miteinander – und dann findet Euer eigenes Modell, das bei Euch passt.

Auch klug: nicht sofort in der ganzen Firma ausrollen, sondern ein Pilotprojekt starten. Wissen darüber alle in der Firma bescheid, kann man Erfahrungen sammeln, das Modell verbessern und dann nach und nach alle einbeziehen.

Noch etwas ganz Grundlegendes schien immens wichtig: Alle Unternehmer und Geschäftsführerinnen verbindet offenbar eine Grundhaltung:

Sie alle meinten es ehrlich mit Ihren Leuten und
wollten ihren Menschen wirklich etwas Gutes tun.

Klingt vielleicht trivial. Aber eine solche Maßnahme nur als Arbeitgebermarketing zu „machen“ wird vermutlich nicht aufgehen.

Kommt es von Herzen und voller Überzeugung, kann man das Arbeitgebermarketing nicht vermeiden 😉.

 

Fazit: so können Sie weiterdenken…

Sie merken – es lohnt sich, sich mit dem Gedanken näher zu beschäftigen. Aber auch hier gilt: bitte nichts überstürzen.

Kein Aktionismus,
aber gerne beweglicheres Denken und
mehr Offenheit für flexiblere Modelle.

Ob Teilzeitmodelle, Job-Sharing, 4-Tage-Woche oder andere Variationen für Sie das Beste sind? Wer weiß. Flexibilität in Arbeitszeitmodellen kann auch in die andere Richtung gehen. Vielleicht gibt es Menschen im Team, die gerne auf 48 Stunden aufstocken würden – bei höherem Gehalt natürlich.

Die oben beschriebenen Effekte werden auch nicht in jeder Branche gleich sein. Das könnte die Krux mit der IG-Metall-Forderung sein. Wird das eine Vorgabe für alle ohne die wertvollen Effekte, der gemeinsamen, freiwilligen Entwicklung eines coolen Modells, was bleibt dann?
Wo soll dann die Produktivitätssteigerung herkommen?

Gibt es in einem jahrelang per Lean-Management optimierten Produktionsprozess überhaupt noch solche Reserven, wie man sie bei Dienstleistungen oder Verwaltungsprozessen natürlich allerorten findet?

Ein Dialog mit den eigenen Teams über die Thematik kann jedenfalls sehr wertvoll sein. Vielleicht entstehen erste Schritte in eine kluge Richtung.

Warum nicht mal ein paar Freitage aus dem Arbeitsalltag rausziehen und in die Weiterentwicklung der Firma, der Prozesse und der Menschen investieren?

Vielleicht sind es erst mal viel kleinere und weniger spektakuläre Schritte als die pressewirksame 4-Tage-Woche, die bei Ihnen einen gesunden Schritt der Weiterentwicklung bedeuten.

Das Thema und die Erkenntnisse darin sind jedenfalls viel zu wertvoll als dass wir sie in einer vermutlich ziemlich laut und teils populistisch geführten Diskussion in den Himmel loben oder in Bausch und Bogen verurteilen sollten.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen inspirierende Gedanken für Ihre Arbeits-Zeit-Modelle von Morgen. Da gibt es noch so viele Varianten und Gestaltungen zu entdecken….

Podcast – 4-Tage Woche. Mitarbeiter und Unternehmen begeistern.

Wie kann die Umstellung auf eine 4-Tage-Woche gelingen und welche Vorteile bringt sie für Arbeitgeber und Arbeitnehmer? Martin Gaedt hat 151 Arbeitgeber interviewt, die Varianten der 4-Tage-Woche eingeführt haben, und zeigt, dass alle begeistert sind: Der Krankenstand sinkt rapide, die Fluktuation geht gegen Null und Bewerber stehen Schlange. In dieser Podcastfolge spreche ich mit Martin Gaedt darüber, hören Sie rein!

2023-05-08T18:13:13+02:00

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