Was Arbeitgeber aus dem Silicon Valley lernen können

„Wie, Sie waren im Silicon Valley?“

„Ja, gestern.“

Richtige Reisen in die USA sind gerade nicht möglich – und doch: ich war kürzlich an zwei Abenden im Silicon Valley. Wir waren in San Francisco bei Firmen wie LinkedIn, Salesforce, Twitter und Slack. Wir haben mit Vertretern einiger Unternehmen gesprochen, mit Matthias Hohensee, dem Korrespondenten der Wirtschaftswoche und mit dem deutschen Generalkonsul in San Francisco. Das war hoch interessant und zwischen all den medienbeherrschenden eher verstörenden Nachrichten aus Übersee war hier das andere Amerika präsent – das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Auch das gibt es noch. Inspirierend.

Geht nicht? Doch – aber eben virtuell. Prof. Knoblauch hat die sonst reale Unternehmerreise kurzerhand virtuell angeboten. Da war ich dann sofort dabei. Und welch witzige Zufälle es manchmal gibt: unser Tourguide in San Francisco war ausgerechnet Christoph Burkhardt, ein hoch interessanter Kollege, mit dem ich mich Anfang des Jahres in Köln zum Interview getroffen habe. Das Interview gibt es jetzt in meinem Podcast. Es schließt in mancher Hinsicht an mein Gespräch mit Pero Micic an. Zur Podcastfolge mit Christoph Burkhardt geht es hier.

Das Bild oben ist übrigens tatsächlich auf dem Google Campus in Mountain View entstanden. Allerdings ist es schon fünf Jahre alt. Durch die eigenen Reiseerlebnisse dort war die virtuelle Tour doppelt interessant. Was wir jetzt per Google Earth sahen, kenne ich in echt. Aber wir waren ja nicht zum Sightseeing dort.

Wie werden Unternehmen innovativ und zukunftsfähig?

Christoph Burkhardt ist Kognitionspsychologe, Innovationsexperte, Pfarrerssohn, schwul und lebt in San Francisco, Köln und Shanghai. Er berät Konzerne und Mittelständler zu Innovationsfragen und ist selbst Geschäftsführer eines Startups. Wer sollte besser Einsichten geben können, was im Valley passiert und wo wir uns eine Scheibe abschneiden können? Drei Aspekte will ich hier in aller Kürze beleuchten. Im Podcast gehen wir viel tiefer.

Es ist an alles gedacht, für alles gesorgt

Der Kampf um die Talente zeigt sich im Silicon Valley in einem weltweiten Maßstab. Alle wissen, dass der Erfolg davon abhängt, die besten Talente zu gewinnen. Ambitionierte Talente aus aller Welt ziehen ins Tal der Möglichkeiten. Es werden teils für unsere Vorstellungen astronomische Gehälter gezahlt. Auch das Leben ist unfassbar teuer. Aber kaum irgendwo verschmelzen Nationalitäten, Sprachen, Hautfarben und Lebensstile so sehr. Dazu kommen wir gleich noch.

Christoph kann im Vergleich immer nicht fassen, dass es hierzulande noch Firmen gibt, in denen Mitarbeiter für ihren Kaffee zahlen müssen oder kein freies Mittagessen bekommen. Zwischen San Francisco und San Jose sind kostenloses (und hochwertiges) Essen längst selbstverständlich. Mitarbeiter suchen sich aus, welche technische Ausstattung sie gerne hätten, werden massiv umworben. Firmen wie Google, Facebook und Apple haben auf ihrem Campus alles in Bewegung gesetzt, um Menschen von allem zu entlasten, was Zeit kosten und Mühe machen könnte.

Manche arbeiten dann im Ergebnis rund um die Uhr. Wozu sollen sie die Firma verlassen? Das ist extrem und sicher übertrieben. Aber der Gedanke, ein viel besseres und komfortableres Umfeld zu schaffen – in diese Richtung dürfen wir noch einiges tun.

Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation

Christoph zeigte Anfang der Woche Bilder aus modernen Firmenzentralen. Eine seiner Aussagen: „Menschen sprechen gerne miteinander über Fragen der Arbeit. Nur nicht gerne am Schreibtisch.“ Cafés, Couch-Ecken, Besprechungsnischen – und Orte zum ungestörten Arbeiten. Büros der Zukunft werden ganz anders aussehen.

Sprechen wir über Innovation. Christoph ist davon überzeugt, dass die Idee als solche weit überschätzt wird. Es ist nicht das eine Genie, es ist das Umfeld, das System, das dazu führt, dass extrem viel und schnell kommuniziert wird. Alle denken mit, es gibt keine „heiligen Kühe“, es ist dieses ambitionierte und extrem schnelle Suchen nach neuen Lösungen in einem Umfeld voller Unternehmergeist, Wagniskapital und Hochschulen, in dem Innovationen am laufenden Band entstehen. Christoph wie auch unsere anderen Impulsgeber betonten etwas, was von uns aus betrachtet, oft zu kurz kommt: es ist ein sehr dichtes, sehr persönliches Netzwerk im Silicon Valley, das für die Dynamik sorgt. Man kennt sich, man trifft sich, man vernetzt sich.

Wer den Erfolg auf die Universitäten, die Strategien und die Unsummen von Wagniskapital reduziert, übersieht vermutlich den wichtigsten Aspekt. Und im übrigen den, der am leichtesten in einem „normalen“ Unternehmen aufzubauen ist: Freiräume, in denen alle mitdenken dürfen. Freiräume und die Ermutigung, keine Rücksicht auf „heilige Kühe“ nehmen zu müssen. Freiräume ohne Hierarchien, Abteilungen und Dienstwege. Die sind viel zu langsam. Für Talente von morgen sind viel schneller und an direkte Kommunikation gewöhnt.

Diversität: „Wenn ich auf Menschen treffe, die ich nicht verstehe, fange ich an zu denken.“

Ein Treiber für ungewöhnliche Lösungen, für neue Ideen und unkonventionelle Geschäftsmodelle ist die Unterschiedlichkeit beteiligter Menschen. Das beginnt bei Menschen unterschiedlicher Generationen. Wir beleuchten im Gespräch die Verständigungsschwierigkeiten und unterschiedlichen Anforderungen von Menschen unterschiedlicher Generationen. Sein Blick auf das Potenzial kommender Generationen ist dabei ebenfalls sehr positiv.

Der weltweite Kampf um die Talente führt zu so stark durchmischten Bevölkerungen, dass es nicht mehr das „Normale“ gibt. Die Hälfte der Mitarbeiter in vielen Firmen kommt aus dem asiatischen Raum. Menschen aller Herkünfte arbeiten zusammen. Wir sprechen über Diversität in Bezug auf die sexuelle Orientierung. In San Francisco sind schwule Paare, die ihr Kind im Kindergarten abgeben, ganz normal. Beim Pride March sind alle großen Unternehmen mit eigenen Zugnummern vertreten.

In Deutschland ist Köln einer der offensten Standorte und wirbt damit um Unternehmen. An anderen Orten sind wir von Freiheit, Vielfalt und Toleranz weit entfernt. Der Fachkräftemangel und die wachsende Zahl an mutigen Protagonisten führen auch hier zu mehr Toleranz und Offenheit für unterschiedliche Menschen. Je vielfältiger und diverser Organisationen sind, desto innovativer und wettbewerbsfähiger werden sie.

Christoph formuliert das so: „Wenn ich auf Menschen treffe, die ich nicht sofort verstehe, fange ich an nachzudenken.“ Schaffen es Unternehmen, Vielfalt in ihre Teams zu bringen, entstehen neue Sichtweisen. Wer als offenes und tolerantes Unternehmen bekannt ist, wird für Menschen interessant, die woanders nur mit angezogener Handbremse arbeiten und leben können. Auch in dieser Hinsicht kann der Fachkräftemangel ein Glücksfall sein.