Und was ist mit den anderen?

Gerade weil ich im Moment so intensiv über Workation recherchiere und schreibe, will ich heute einer Frage nachgehen, die viele Menschen in diesem Zusammenhang beschäftigt.

Was ist mit den Menschen, deren Job nicht remote-fähig ist?

Ich hatte dieser Tag ein erkenntnisreiches Interview mit dem Personalchef der Schweizer Hotelplan-Gruppe, ein Reisekonzern mit 2.500 Mitarbeitenden, der zum Migros-Konzern gehört.

Hotelplan bietet Mitarbeitenden neben individuellen Workations sogar Workation-Villas an. Die Firma mietet jedes Jahr woanders eine Villa am Meer oder in den Bergen und im Wechsel können immer einige Mitarbeitende dorthin zum Arbeiten. Die Reaktionen sind begeistert.

Im Gespräch wird Walter Jung am Ende etwas nachdenklich:

„Weißt Du“, fragt er, „was mich am meisten beschäftigt?“
und setzt fort „Ich frage mich, was wir dagegen tun können,
dass da keine Zwei-Klassen-Gesellschaft entsteht.“

In der Folge diskutieren wir noch eine Weile, was man für Reisebüro-Mitarbeitende oder Reinigungskräfte tun könnte.

 

Was tun für Menschen mit ortsfesten Jobs?

Es ist unstrittig, dass die Flexibilisierung des Arbeitsortes nun mal nur bei Jobs funktioniert, für deren Erledigung man nur Laptop und gutes Internet benötigt.

Gerade in der Linkedin-Bubble sprechen viele über Remote- und Hybrid-Work und über Workation. Die einen sind interessiert, begeistert und überlegen, wie sie das für sich ausprobieren können.

Andere schütteln den Kopf oder fühlen sich gar provoziert. Das sollte nicht sein.

So fühlte ich mich gestern doch getriggert, einen ausführlichen Kommentar zu einem Beitrag zu schreiben, den ich hier aufgreifen möchte.

Das Anliegen des Autors, selbst Geschäftsführer eines Produktionsunternehmens kann ich völlig nachvollziehen. Er war erkennbar leicht genervt von den vielen Beiträgen über ortsflexibles Arbeiten und wollte all den Jobs eine Bühne geben, die das nicht in Anspruch nehmen können: Baggerfahrer, Produktion, Pflege, Gastronomie, Einzelhandel…. – seine Liste war super lang.

Ich wollte in meiner Antwort zwei Aspekte hervorheben:

 

Seht auch die andere Seite

Der erste Aspekt:

Jobs, die man nicht mitnehmen kann ins Homeoffice oder zur Workation,
kann man auch nicht einfach so aus dem Ausland erledigen bzw. dahin verlagern.

Wer kein Homeoffice machen kann, hat womöglich den sichereren Job.

Das ist eine Facette, die vielen Menschen vermutlich nicht so richtig bewusst ist. Remote-fähige Jobs kann man nicht nur mit an den Strand nehmen. Man kann Sie prinzipiell auch von Indien aus erledigen lassen – zu einem deutlich geringeren Lohn.

Der zweite Aspekt:

Die eigentlichen Arbeitgeberleistungen hinter Homeoffice, Remotework und Workation sind Vertrauen, Flexibilität und Bemühen um die Bedürfnisse der Mitarbeiter.


Und diese Leistungen sollten sich nicht nur auf einen Teil der Belegschaft beziehen, sondern auf alle.

Damit kommen wir zur eigentlich wichtigen Frage.

 

Was können wir für Euch tun?

Das Grundanliegen, ein großartiger Arbeitgeber für alle zu sein, ist nicht abhängig davon, ob Jobs remote-fähig sind oder nicht.

Den Menschen mit mobil-fähigen Jobs das Homeoffice oder gar die Workation zu neiden oder gar zu untersagen, weil die Produktionsmitarbeiter ja auch nicht mobil arbeiten können – das wäre die schlechteste Lösung und hilft niemandem.

Eine andere Denkrichtung erscheint mir sehr viel erfolgversprechender:

Für nicht-mobile Jobs darf man sich andere Dinge einfallen lassen. Möglichkeiten gibt es vermutlich auch hier mehr, als man zunächst denken mag:

Flexible Arbeitszeitmodelle, autonomere Einsatzplanung im Team, bessere Ausstattung, Mitsprache bei der Anschaffung von Maschinen und Arbeitsgeräten, gute Arbeitsklamotten, lecker Essen und, und, und…

Eine besonders wertvolle Frage: Welche Dinge können wir als Unternehmen für unsere Mitarbeitenden anbieten, die andere nicht so leicht anbieten können?

 

Ideen, die unverwechselbar machen

Da dürfen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Noch besser: Fragen Sie Ihre Mitarbeitenden, was die interessant fänden.

Es gibt Firmen, die Ihren Leuten am Wochenende den Bagger zur Verfügung stellen (zum privaten Gebrauch wohlgemerkt, nicht zur Schwarzarbeit 🙃😉).

Ich hatte schon mal von der Schreinerei auf Rügen berichtet, die den Mitarbeitern den privaten Möbelbau am Wochenende ermöglicht.

Walter Jung von Hotelplan hat berichtet, dass die Vergünstigungen beim Buchen von Reisen für Mitarbeitende deutlich erhöht wurden.

Wir arbeiten gerade mit einer Berliner Immobilienverwaltungs-Gesellschaft an ihrem Recruiting. Für sie ist spielend leicht, woran alle anderen scheitern: die Wohnung in Berlin kann gleich mitgeliefert werden.

Das ist doch mal ein Benefit, oder?

Für jeden das Richtige statt Gegeneinander

Der entscheidende Gedanke ist das Kümmern um alle. Ohne falsche Gleichmacherei. Ohne vermeintliche Bevorzugung der einen oder anderen Gruppe.

Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan und durchaus eine große Herausforderung für alle Chefs und Chefinnen. Besonders dann, wenn Sie wie viele Unternehmen eben beide Arten von Jobs in Ihrer Belegschaft haben.

Da wird dann schon mal der Frust der Inhaber nicht-mobiler Jobs auf die workation-fähigen Kollegen bei der Geschäftsführung deponiert.

Meine Botschaft: Steigen Sie nicht auf das Gegeneinander-Ausspielen ein. Die Vergleiche bringen nichts.

Lenken Sie die Energie lieber um und starten Sie einen Dialog um die wirklichen Bedürfnisse:

„Was können wir denn tun, um Eure Arbeitsbedingungen besser und produktiver zu machen?“

Das bietet die große Chance, über echte Verbesserungspotenziale zu sprechen, statt unsinnige Stellvertreter-Diskussionen zu führen, die niemandem etwas bringen.