Rhythmus, Rituale und Ruhe – Rückenwind statt Kampf

Die Tage werden kürzer, Weihnachten naht und die berühmten Tage „zwischen den Jahren“ stehen vor der Tür. Für viele hat diese Zeit ein inneres Dilemma: im Außen sind noch viele Dinge zu erledigen und Projekte abzuschließen – Stress und Hektik inklusive. Widersinnig, wenn die Weihnachtspost den Stresslevel noch zusätzlich erhöht.

Im Inneren wäre etwas ganz Anderes angesagt: Zeit für Pause, Ruhe, Runterkommen. Die Tage werden kürzer. Die Natur zieht sich in den Winterschlaf zurück. Auch wir Menschen sehnen uns nach Ruhe und Pause, nach Kerze und Kamin, Sofa und gutem Buch, Zeit mit lieben Menschen und Waldspaziergängen.

Weihnachten, die Zeit „zwischen den Jahren“ und der Start ins Neue Jahr – für mich war und ist das eine besondere Zeit. Nicht immer habe ich sie so bewusst gestaltet und genossen wie heute. Ähnliches beobachte ich bei anderen.

Was man so versucht….

Da waren Jahre, in denen der Stau der Vorhaben sich vor den Feiertagen auftürmte. Mit letzter Kraft am 23. alles abschließen und dann über Weihnachten krank werden, weil der Stress seinen Preis hat. Doof.

Oder der Versuch „zwischen den Jahren“ alles nachzuholen, was übers Jahr liegen geblieben ist: Büro aufräumen, Steuererklärung machen. Erstaunlich, wie kurz diese Zeit doch eigentlich ist. Hat jedenfalls nie geklappt. Und erholsam war´s auch nicht.

Oder Menschen, die den Modus in den Ferien gar nicht ändern. Waren es sonst die „to do´s“ im Job, sind es jetzt die Ansprüche und Erwartungen von Kindern, Schwiegereltern und eigenen Idealen, denen man dann über die angeblichen Feiertage nachrennt. Wozu?

Dabei kann diese Zeit so wohltuend sein. Da ist die Qualität der Jahreszeit. Da sind die gesellschaftlich tief verankerten Rituale um Weihnachten. Fast alle Aktivitäten sind reduziert, fast alle machen Pause. Nie ist es so leicht, wirklich abzuschalten. Man versäumt nichts. Im Gegenteil. Schafft man sich Zeit und Muße, kann gerade diese Zeit eine Quelle von Kraft und Inspiration sein. Einige Ideen dazu möchte ich in den Impulsen der nächsten 3 Wochen mit Ihnen teilen.

Reite die Welle – natürliche Rhythmen nutzen

Was wir in der Vorweihnachtszeit so deutlich spüren – diese Diskrepanz zwischen innen und außen – das gibt es auch sonst im Jahr. Menschen funktionieren nicht wie Maschinen. Wir sind natürliche Wesen. Als Teil der Natur spüren wir die Rhythmen der Jahreszeiten. Als kulturell über Jahrhunderte geprägte Spezies nehmen wir tief verankerte Bräuche und Rituale wahr.

War früher durch Konventionen und Regeln klar fixiert, was man wann zu tun hatte, leben wir heute zum Glück in weitaus größerer Freiheit. Wir „müssen“ nichts mehr und haben die Freiheit, selbst zu wählen, wie wir unseren Rhythmus gestalten wollen, welche Rituale wir beibehalten oder neu etablieren wollen.

Bewusstes Ritual statt achtlose Routine

Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob man häufig gedankenlos das Gleiche tut oder ob man bestimmte Zeiten und Phasen im Sinne eines Rituals sehr bewusst gestaltet. Im ersten Fall rast die Zeit und man klagt, dass die Jahre immer kürzer werden. Im zweiten Fall tritt das Gegenteil ein: Erwartung und Vorfreude ordnen Gedanken und Aufmerksamkeit.

In Vorbereitung z.B. auf ein paar ruhige Tage zum Lesen fallen uns die richtigen Bücher ein. Mit der Entscheidung für eine Fastenwoche spüre ich regelmäßig Tage vorher, wie sich der Körper schon umstellt. Haben Sie ein Ritual, um Ihr Jahr auszuwerten und das Neue vorzubereiten, dürfen Sie sich schon Tage vorher auf gute Ideen freuen. Das läuft ganz automatisch, ohne jede Anstrengung und voller Energie. Das gilt dann, wenn wir im Einklang mit inneren Rhythmen sind. Kämpfen wir dagegen an, ist die Wirkung eine ganz andere.

Vorhaben übers Jahr mit inneren Rhythmen abzugleichen – das geht im persönlichen Bereich recht gut. Doch auch im Unternehmenskontext kann viel Energie gewonnen werden, können gute Ergebnisse leichter erzielt werden, wenn das Äußere Tun besser den inneren Rhythmen entspricht. Ein paar Erfahrungen und Ideen dazu: 

Eine Frage des Zeitpunktes…

Jahresplanung: wir haben ein paar Jahre lang versucht, im Dezember die Jahresziele für das Folgejahr festzulegen. Kaufmännisch nachvollziehbar. Menschlich widersinnig. Richtig gut geklappt hat das nie. Alle Beteiligten sind eher in der Energie, Aufgaben abzuschließen. Alle wollen eher ihre Ruhe und brauchen eine Pause. In dieser Energie Visionen und ambitionierte Ziele entwickeln? Schwer. Budgets fortschreiben und Projekte verlängern – das ist kein Problem. Aber wirklich neue, begeisternde Produktideen? Radikale Veränderungen und Durchbrüche? Fehlanzeige.

Viel besser klappt unser jetziges Vorgehen: zum Jahresende einen guten Abschluss finden. Das abgelaufene Jahr auswerten, Erfolge bewusst machen. Baustellen identifizieren und natürlich gerne Ideen aufnehmen, die schon auftauchen. Aber kein Entscheidungsdruck, keine Festlegung, keine Zeitplanung. Nur ein Termin zur Strategieentwicklung im Neuen Jahr. Dann eine erholsame Pause zum Jahreswechsel.

Im Neuen Jahr ambitionierte Jahresziele formulieren und Pläne schmieden – mit frischem Kopf und Ideen, die sich inzwischen entwickelt haben. In innerer Aufbruchstimmung gelingt das viel besser.

Analog haben wir auch Mitarbeiterentwicklungsgespräche gesplittet. Eines zum Jahresende als Abrundung des Jahres. Das gibt Sicherheit. Dann im Januar / Februar die ambitionierte Vorschau – das motiviert. In Summe dauert dieses Vorgehen nicht unbedingt länger, bringt aber viel mehr und gelingt leichter. Alternativ kann es auch klug sein, Visionsentwicklung und Jahresziele im Sommer zu platzieren. Das hat wieder eine andere Energie und schöpferischen Freiraum.

Rückenwind statt Kampf

Sicher lassen sich nicht alle Firmentermine nach inneren Rhythmen planen. Vorgaben von Investoren, steuerliche Fristen und Kundenanforderungen – es gibt Eckdaten. Doch darüber hinaus zu reflektieren, wo Sie gegen die natürlichen Rhythmen ankämpfen und wie man die wichtigsten Schlüsseltermine und -Prozesse übers Jahr so orchestrieren kann, dass die Dinge für alle beteiligten leicht gehen – das lohnt sich allemal. Das gilt für wiederkehrende Prozesse durch das Jahr wie für die Struktur von Monaten und Wochen. Jetzt vor Weihnachten und Jahreswechsel heißt das vor allem: ein gutes Ende finden. In der Führung offene Prozesse nochmal anschauen und sortieren. Dinge beenden. Verbundenheit bewusst machen.

Gutes Selbstmanagement kann wahre Wunder wirken. Mir hilft die Liste zum Neustart des Jahres enorm. Alles, was im alten Jahr nicht mehr erledigt werden kann oder muss und sich dann auf der Liste für den Neustart findet, kommt auf die Liste und ist aus dem Kopf. Themen, die ich dann neu angehen will, genauso. Dieses „den Kopf frei kriegen“ ist elementar für die Qualität von Entspannung und Inspiration in den Tagen „zwischen den Jahren“.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Abschluss dieses besonderen Jahres. Mehr Zeit für sich selbst haben die meisten von uns dieses Jahr zwar unfreiwillig – aber wenn wir Dinge schon nicht ändern können, ist es klug, das Beste daraus zu machen. Lassen Sie Ideen auftauchen, was Sie gerne tun möchten in der bevorstehenden Pause. Was wollen sie gerne mal lesen? Was mit Ihren Kindern, ihrem Partner gemeinsam unternehmen? Was für sich selbst klären, erkunden oder entwickeln? 

Die nächsten Ausgaben schließen an die Gedanken von heute an. Sie sind persönlich. Jetzt geht es nicht um die Firma und die Zukunft der Arbeit. Es geht um Sie. Es geht darum, zur Ruhe zu kommen, nach innen zu hören, das Jahr zu reflektieren und das nächste vorzubereiten. In der Ruhe liegt die Kraft – und manche wertvolle Erkenntnis.

Ich freue mich auf und wünschen Ihnen eine erholsame und inspirierende Zeit mit viel Muße für sich und Ihre Liebsten. Vor allem wünsche ich Ihnen Freiraum, Inspiration und gute Gedanken.