Rente mit 75…

Kurz vor Weihnachten komme ich nochmal mit einem heißen Thema um die Ecke.Sorry – aber das ging jetzt nicht anders. Steht schließlich aktuell in allen Zeitungen.Sogar der Bundeskanzler hat gerade zum Thema Stellung bezogen. Olaf Scholz beklagt, dass viele Menschen bei weitem nicht bis zum offiziellen Rentenalter arbeiten. Na sowas.Die Rente mit 63 als Programm wurde vor ein paar Jahren auf den Weg gebracht. Zu einer Zeit, als man schon absehen konnte, wo die Demografie hinläuft. Jetzt wurde gerade publik, dass doch tatsächlich gut 2 Millionen Menschen davon Gebrauch gemacht haben. Na sowas.Das muss man sich leisten können. Als Gesellschaft und Arbeitsmarkt können wir das eigentlich nicht. Andererseits gilt das ja für Menschen, die mehr als 35 Beitragsjahre haben und echt schon viel geleistet haben. Wer will es dem Einzelnen verdenken?Der Spiegel hat gerade eine Umfrage gemacht: Wie lange wollen die Menschen arbeiten bzw. was sollte das richtige Rentenalter sein?Und – was glauben Sie?70?67?Nee. Die Mehrheiten liegen zwischen 65 und 60. Na sowas.Wenn man dann noch sieht, dass unglaublich viele Menschen zusätzlich trotz Abschlägen ein früheres Ende des Arbeitslebens ansteuern, wird klar, wie weit die Wirklichkeit heute und das, was aus Sicht des Arbeitsmarktes nötig wäre, doch auseinander liegen.

Rente mit …. – was wäre die Lösung?

Nein, ich bin nicht für ein festes Rentenalter mit 70 oder 75. Das wäre politisch nicht durchsetzbar und zum Scheitern verurteilt.

Was wir brauchen, sind sehr viel mehr freiwillige Beschäftigung weit über das bisherige Rentenalter hinaus. Das Potenzial der Menschen jenseits der 60 als erfahrene Mitarbeitende dürfte das größte Reservoir an Arbeitskräften innerhalb der bestehenden Bevölkerung sein.

Wir sind meilenweit davon entfernt, das richtig zu nutzen.Und genau das muss sich ändern.

Deshalb provoziere ich gerne mit der Forderung „Rente mit 75“.

Deshalb zeige ich gerne Warren Buffet und Charly Munger (die beiden sind mit über 90 noch höchst munter und aktiv 😉).Und ich erzähle von Menschen wie Ed. Es ist der nette Herr neben mir oben auf dem Bild. Das war mal wieder so eine berührende Begegnung.Beim Gala-Abend des Deutschen Redner-Verbandes im Maritim-Hotel in Stuttgart beeindruckte uns der Service am Tisch. Alle waren sehr aufmerksam und besonders Ed Dhabi fiel uns auf.Schnell, aufmerksam und humorvoll war er überall. Lobte uns Gäste, steuerte sein Team, lobte, half mit, organisierte und hielt das perfekte Maß zwischen Charme und Zurückhaltung.Da ist wieder mal jemand genau in seinem Element, strahlt die Freude an der Arbeit aus. Nein, ich wollte eigentlich kein Foto von uns beiden machen. Wirklich nicht.Aber als ich hörte, dass er 75 Jahre alt sei, musste das doch sein. 😬Ed ist wieder so ein Beispiel eines Menschen, der mit großer Begeisterung seinen Job nach wie vor macht. Jetzt flexibel. Als Teamchef wird er bei besonderen Anlässen mit an Bord geholt. Das hält fit – in Kopf und Füßen. Er jedenfalls ist flott unterwegs – in jeder Hinsicht. Eine Freude.💪

„Musst Du noch oder darfst Du schon?“

Die Lösung kann darin liegen, dass Arbeitgeber möglichst flexible Formen anbieten, mit denen Menschen freiwillig noch möglichst lange „an Bord“ bleiben können.Das können Teilzeit-Formate sein, freiberufliche Mitarbeit oder projektbezogene Verstärkung. Der Möglichkeiten gibt es viele.Die Rahmenbedingungen haben sich sogar gerade verbessert, in dem die Zuverdienstgrenzen für Vorruheständler fallen. Das ist mal eine politische Entscheidung in die richtige Richtung.Aus Sicht von Arbeitsmarkt und Unternehmen muss die Strategie sein, möglichst viele Menschen möglichst lange in Arbeit zu halten.Freiwillig. Gerne. Mit Freude.Das kann nämlich sehr gesund sein.Für die Menschen: Sie behalten eine sinnvolle Aufgabe, ihre Kontakte, haben Erfolgserlebnisse.Für die Firmen: Sie erhalten Erfahrung und Kompetenz. Gewinnen Flexibilität.

Freiwillig?!

Das ist genau die Crux. Die Leute müssen nicht mehr. Sie müssen wollen. Und das tut nur, wer sich wertgeschätzt und fair behandelt fühlt und seinen Job mag.Achten Sie mal in Ihrem Umfeld darauf, wie Menschen über ihre Arbeit sprechen.

„Und? Wie lange musst Du noch?“

Wer so fragt, denkt vermutlich eher drüber nach, möglichst schnell in den heimischen Garten oder die Sonne Teneriffas zu kommen als über eine Verlängerung seines Arbeitslebens.

Es beginnt viel früher

Damit wird auch klar, dass wir viel früher anfangen müssen.Werden Menschen im Unternehmen mit 58 zum alten Eisen gezählt, darf man sich nicht wundern, wenn sie möglichst schnell raus wollen.Wird mit Menschen in Mitarbeitergesprächen entwickelt, welche Spuren sie in den letzten 7 Jahren des regulären Arbeitslebens hinterlassen wollen, steigen die Chancen auf Verlängerung erheblich.Bietet das Unternehmen gezielt flexible Varianten des Arbeitens an und bewirbt die aktiv, erschließt es sich ein riesiges Arbeitskräftepotenzial. Das können die eigenen bisherigen Mitarbeitenden sein, das können aber auch Menschen sein, die lange Jahre etwas anderes gemacht haben.Ja, wir werden uns daran gewöhnen, dass Menschen mit 65 noch mal eine neue Aufgabe antreten. Warum denn auch nicht?Als einzelnes Unternehmen können wir uns eine Menge einfallen lassen und überlegen, welche Menschen und welche Aufgaben sich für eine Senior-Beschäftigung (wie nennen wir das eigentlich besser?) eignen.Sprechen Sie mit Ihren verdienten Mitarbeitenden frühzeitig über deren Pläne. Zeigen Sie Möglichkeiten auf, schaffen Sie Beispiele und berichten Sie darüber.Im Employer Branding können persönliche Storys von deutlich älteren Mitarbeitenden wunderbare Botschafter Ihrer Möglichkeiten sein.Auch hier gilt wieder: Für schlechte und mittelmäßige Firmen ist der Weg zu diesem Potenzial im Arbeitsmarkt unendlich weit.Und umgekehrt: tolle Firmen tun sich sehr viel leichter. Ist die Firmenkultur schon ein „Wie lange darf ich noch?“ muss man nur das Potenzial erkennen und nutzen. Das ist ein riesiger Vorteil für großartige Arbeitgeber. Noch einer mehr.