Mitarbeiterauswahl – 5 Tipps, mit denen Sie die teuersten Fehler vermeiden

„Für mehr Bewerbungsgespräche haben wir keine Zeit“

Das ist einer dieser unendlich teuren Sätze.
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Manche Firmen kaufen Menschen wie eine Flasche Sekt im Supermarkt.

​Man schaut, was im Regal steht, betrachtet die Verpackung, schaut auf den Preis und nimmt sie mit.

Bei einer Flasche Sekt ist das ok.

Wer Menschen einen Arbeitsvertrag unterschreiben lässt, die man gerade einmal in einem Bewerbungsgespräch gesehen hat, handelt genauso.

Ok – das kann mal klappen.

Tut es aber oft nicht. Und das ist teuer. Das ist frustrierend – für alle Beteiligten. Spricht man darüber, folgt meist der nächste teure Satz:

„Dafür haben wir ja die Probezeit.“

​Wenn es nicht passt, ist eine Trennung in der Probezeit immer besser als später – klar. Aber wenn Sie in der Probezeit viele Trennungen haben, dann war Ihr Auswahlverfahren schlecht.

Kennenlernen auf Augenhöhe statt Bewerber-Grillen

Viele Gewohnheiten rund um die Mitarbeiterauswahl stammen aus längst vergangenen Tagen. Auch als Bewerber noch Schlange standen, war es nicht besonders einfühlsam, Kandidaten warten zu lassen, unter Stress zu setzen und die vermeintliche Macht des Arbeitgebers auszuspielen.

Heute schon und morgen noch mehr kommt es darauf an, sich gegenseitig kennenzulernen. Am Ende entscheiden Bewerber wie Unternehmen, ob eine Zusammenarbeit passt.

Stil und Methoden von gestern passen längst nicht mehr in die Zeit.

Doch es geht nicht einfach um Nett-sein und Wertschätzung. Es geht um professionelles Kennenlernen und gute Verfahren, die zu einer hohen Trefferquote in der Mitarbeiterauswahl führen.

Wie sich Auswahlprozesse wandeln, wie Sie vorgehen können und Auswahlprozesse so gestalten, dass Sie eine hohe Wahrscheinlichkeit für Volltreffer haben – darum geht es in der aktuellen Podcastfolge.

Fünf Tipps für die bessere Mitarbeiterauswahl habe ich Ihnen hier zusammengestellt.

Tipp 1 zur Mitarbeiterauswahl: Investieren Sie Zeit ins Kennenlernen 

Klar, kann man aus Bewerbungsunterlagen manches herauslesen. Aber entscheidend ist der echte Eindruck des Menschen. Schaffen Sie mehrere Möglichkeiten, Menschen kennen zu lernen. Kontakt statt Papier ist die Devise. Führen Sie kurze Telefonate oder Video-Interviews mit vielen Menschen. So sortieren Sie vor. Es fallen weniger Menschen wegen Formsachen durchs Raster. Sie ersparen sich die Sorte Bewerbungsgespräch, in der Sie nach 1 Minute wissen „Das wird nichts“ und aus Höflichkeit ein 20-minütiges Interview führen. Gestalten Sie einen mehrstufigen Kennenlern- und Auswahlprozess.

Wie oft haben wir schon erlebt, dass sich Menschen im zweiten Gespräch ganz anders präsentieren als in der gelernten Bewerbungssituation. Das geht in beide Richtungen:

Da blühen Menschen auf, wenn sie nicht mehr durch übermäßige Nervosität gehemmt sind.
​Da fallen abgezockte Bewerbungsprofis bei näherem Hinsehen in sich zusammen. ​​

​​Führen Sie mehrere Gespräche, investieren Sie Zeit und Energie.

​Google hatte vor einiger Zeit noch bis zu 32 (!) Gespräche vor einer Einstellung. Durch über Jahre entwickelte Testverfahren und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz hat man das auf 4 reduziert.

Man muss es nicht übertreiben und Künstliche Intelligenz brauchen Sie auch nicht. Gute Verfahren und emotionale Intelligenz reichen völlig. 😉​​​​​​

Tipp 2 zur Mitarbeiterauswahl: Erarbeiten Sie genau, wen Sie suchen

„Ja, wenn ich mir einen Kollegen backen könnte,…“

Genau diesen Satz haben wir zur Methode gemacht. Je klarer Sie wissen, was Ihr neues Teammitglied später leisten und einbringen soll, desto besser. Haben Sie eine genaues Bild, in welchen Situationen sich später zeigen wird „Das ist genau die richtige Person für diese Aufgabe“, dann hilft Ihnen diese innere Vorstellung im Auswahlverfahren.

Das genaue Wissen um das nötige Profil, um die Situationen, in denen sich jemand später bewähren muss, ist die innere Referenz in gut geführten Interviews. Wenn Sie genau wissen, worauf es später ankommt, stellen Sie ganz andere Fragen. Sie lassen sich nicht blenden, fragen nach und gleichen vor ihrem inneren Auge Person und Anforderungen ab. Das ist wesentlich konkreter und differenzierter als die üblichen Bewerbungsgesprächs-Fragen.

Aus den späteren Anforderungen können Sie zielgerichtet Testaufgaben, simulierte Realsituationen und gezielte Beobachtung ableiten.

Tipp 3 zur Mitarbeiterauswahl: Lassen Sie sich nicht blenden – testen Sie

Fragen Sie einen Bewerber auf eine Führungsposition, ob er einer bestimmten Führungssituation gewachsen sei. Sie werden natürlich ein „Ja“ bekommen – je nach Typus gefolgt von ein bisschen Führungstheorie oder einem Schmankerl aus dem früheren Arbeitsleben.

Das können Sie glauben und dann nach drei Wochen feststellen, wie der Neue zwischen Ihren Softwaregenies und dem Vorstand weiche Knie bekommt. Aber wir haben ja die Probezeit…

Testen ist ein weites Feld. Ein Erfolgsgeheimnis liegt in der professionellen Vorbereitung. Welche Kompetenzen und Verhaltensweisen, welche Persönlichkeitsmerkmale wollen wir prüfen? Welche Aufgabenstellung könnte sich eignen und ist der Situation angemessen? Was können wir simulieren? Gibt es Aufgaben, die die potenzielle Neue vorbereiten kann? Worauf achten wir in der Beobachtung und welche Situationen können wir schaffen, die nebensächlich wirken und doch so aufschlussreich sein können.

Tipp 4 zur Mitarbeiterauswahl: Viele Augen sehen mehr

Spätestens in der engeren Wahl müssen die Menschen an Bord sein, die später mit dem Bewerber zusammenarbeiten. Klug ist es, Menschen, zu denen Schnittstellen bestehen, einzubeziehen. Wollen Sie einem potenziellen technischen Projektleiter auf den Zahn fühlen, brauchen Sie Entwickler am Tisch. Die stellen ganz andere Fragen. Sitzt ein Vertriebler in der Runde, können Sie leicht eine praktische Situation simulieren. Der Kunde macht Druck, die Ingenieure sind mehr als ausgelastet, die Geschäftsführung hatte schon einen Anruf von der Geschäftsführung des Kunden. Das klappt nicht überzeugend, wenn da nur zwei Personaler am Tisch sitzen. Deren Rolle ist dennoch wichtig und deshalb dürfen Menschen nicht fehlen, die sensibel für Kommunikation, Persönlichkeit und feine Signale sind.

Beteiligen Sie Menschen mit unterschiedlicher Perspektive und schaffen Sie mehrere Begegnungspunkte. Bereiten Sie gemeinsam vor, worauf Sie achten wollen und wer wann aktiv wird. Wenn dann alle ihre Beobachtungen unabhängig voneinander notieren und danach abgleichen, werden Sie staunen, was man alles beobachten kann.

Tipp 5 zur Mitarbeiterauswahl: Machen Sie keine Kompromisse

In Zeiten des Fachkräftemangels kann das ein harter Satz sein. Manche Firmen sind froh, wenn es überhaupt halbwegs gute Bewerber gibt. Wenn das bei Ihnen so ist, müssen Sie früher ansetzen und Ihre Arbeitgeberattraktivität systematisch steigern. Nur wer eine Auswahl an guten Bewerbern hat, kann wählen. Nur wer wählen kann, bleibt wettbewerbsfähig. Alle anderen versinken im Mittelmaß oder verschwinden ganz. Dabei hat der Fachkräftemangel noch gar nicht richtig angefangen…

Doch zurück zu “keine Kompromisse“. Wenn Sie oder einer Ihrer für die Auswahl wichtigen Kollegen ernsthafte „Bauchschmerzen“ bei einer potenziellen Einstellung haben – dann sagen Sie nicht „Ja“. Ein anderes Kriterium: Wenn Sie nicht das Gefühl haben „Die oder den müssen wir so schnell wie möglich einstellen, ehe uns jemand zuvorkommt“, sind Sie vielleicht auch noch nicht am Ziel.

Eine Unterscheidung ist dabei wichtig. „Keine Kompromisse” bezieht sich nicht auf Fachwissen und Erfahrung. Hier dürfen und sollten Sie sogar Kompromisse machen. Beides kann man aufbauen.

Hire for attitude, train for competence.

Diese Botschaft kann man gar nicht genug betonen. Früher wurde oft – gerade, wenn die Not groß war – nach Fachwissen, Vorerfahrung und Branchenkenntnis eingestellt. Auf die persönlichen Faktoren hat man weniger geachtet. Teuer.

Bei Persönlichkeit und der berühmten „Chemie“ sollten Sie keine Kompromisse machen. Alles andere kann man lernen. Stimmt das Wesentliche, macht dieser Lernprozess allen Beteiligten Freude.

Ach ja. Den Sekt kaufen Sie gerne trotzdem. Stellen Sie ihn kalt und köpfen Sie eine Flasche, wenn sie wieder eine erfolgreiche Probezeit beendet haben.