Kaum Auszuhalten

Lieben Sie Ihr Tun?

Nachdem das Neue Jahr schon ein paar Tage alt ist, ebben die guten Vorsätze ja mancherorts schon wieder ab. In früheren Impulsen habe ich oft über die Reflektionsphase „zwischen den Jahren“ geschrieben und den hohen Wert eines Innehaltens und Nachdenkens über die eigene Situation, die Arbeitsschwerpunkte, die Rolle und sonstige Fragen der eigenen Lebensgestaltung.

Und ja – darüber kann man sehr gut in den ruhigen, dunklen und meist kühleren Tagen zum Jahreswechsel nachdenken.

Es geht aber auch anders. Und das kann herausfordernd sein. Hier kommt jetzt zwangsläufig Workation ins Spiel. Die nämlich – insbesondere, wenn sie in einer so paradiesischen Umgebung stattfindet, wie ich sie gerade hier habe – hält eine unglaubliche Prüfung parat:

Lieben Sie Ihre Arbeit so sehr, dass Sie sie auch gerne machen,
wenn die Umgebung so verlockend attraktiv ist?

Schreiben Sie mit Freude Ihren Newsletter, obwohl Sie ja auch länger schwimmen könnten oder direkt eine Massage am Strand anschließen könnten? Das ist alles ein paar Schritte entfernt.

Klinken Sie sich konzentriert und gerne in ein anspruchsvolles Kundenmeeting ein, obwohl Sie unfassbar schöne Strände gleich im Dutzend in erreichbarer Nähe haben?

Das Vorhandensein und die direkte Verfügbarkeit solcher Alternativen lässt die Antwort auf die Fragen nach Wichtigkeit, Prioritäten und Lebenssinn nochmal in ganz anderer Deutlichkeit aufscheinen, als wenn man in gewohnter Umgebung inmitten aller Routinen so vor sich hindenkt.

Gerade hier in Koh Phangan treffe ich eine Menge Menschen, die in ihrem Leben grundlegende Weichenstellungen vorgenommen haben. Gerade gestern erzählte mir eine erfahrene Beraterin, wie sie erst bei ihrem ersten Aufenthalt hier vor einigen Jahren bemerkte, wie ausgebrannt sie eigentlich war und hat daraufhin ihr Berufsleben komplett umgestellt.

Eine Führungskraft einer Agentur verbringt hier einige Wochen und stellt in dieser Zeit auf Vier-Tage-Woche um. Die Arbeit findet überwiegend in der Hängematte mit Blick zum Strand statt. Ich sitze ja lieber am Tisch, er liebt diese Art von Meeting-Teilnahme. Er verwendet meistens einen virtuellen Hintergrund. An den drei Tagen Wochenende genießt er die Insel.

 

Sogar ich …

Jetzt kann ich ja zum Glück von mir sagen, dass ich meine Arbeit rundum super gerne mache. Und dennoch bin ich wirklich froh, mir dieses Jahr ein sehr viel entspannteres Programm mitgenommen zu haben als im letzten Jahr. Ich wollte unbedingt freie Tage in meine Workation einbauen, die Wochenenden komplett frei halten und auch sonst ununterbrochene Tage ohne Termine und mit genügend Zeit für Bootsausflüge, Schwimmen, Leute treffen und Nachdenken haben. Auch meine Jahresplanung und die Reflektion zur Strategie sollte ihren Raum finden. Und das geht eben nicht gut zwischen 2 Terminen, sondern eher mit einigen Tagen völliger Terminfreiheit.

Das war und ist auch megawichtig. Ich hatte hier schon in den ersten Tagen einige derart grandiose Orte vorgefunden, dass ich ein paar Mal sagte „Hier fällt es sogar mir schwer, konzentriert zu arbeiten“. Und ich habe mir die Freiräume auch genommen. Manche meiner Themen auf der Agenda habe ich direkt wieder gestrichen. Das kann auch im Februar noch geklärt werden. So ist der Mix für mich richtig gut.

Wenn Sie jetzt aber ihre Arbeit nicht so wirklich mögen, belastende Spannungen in ihren Arbeitsbeziehungen stecken oder Sie eigentlich gerne etwas ganz anderes machen würden – was Sie sich aber nicht eingestehen – dann ist Workation nicht ganz ungefährlich.

Workation kann gefährlich sein.

„Nicht ungefährlich“ bezieht sich natürlich auf die Perspektive des Status Quo. Aus Ihrer persönlichen Sicht und mit Blick auf Ihre Weiterentwicklung kann das aber genau das Gegenteil sein: nämlich ein wertvoller Wendepunkt, ein Klärungsprozess und eine Energiequelle für die Zukunft.

Der Schlüssel zum Glück liegt damit auf der Hand: wer mit sich und seiner Rolle im Reinen ist, wer seine Arbeit liebt oder zumindest mag, der kann einen sehr freien Arbeitsstil leben und ist dennoch selbstverständlich produktiv. Vermutlich sogar in gesteigerter Form. Denn wer die Bedürfnisse seines sonstigen Lebens durch freiere Arbeitsgestaltung besser in sein Leben integrieren kann, dürfte glücklicher, gesünder und inspirierter sein. Mal ganz davon abgesehen, dass man einfach manche Dinge schneller und entschlossener erledigt, wenn man noch was Schönes vorhat.

Selbstklärung als Personalentwicklungs-Maßnahme

Während manche Arbeitgeber immer noch im Misstrauen stecken, ob ihre Leute denn im Homeoffice (von Workation ganz zu schweigen) wirklich arbeiten, denken andere darüber nach, ob es nicht eine wertvolle Personalentwicklungsmaßnahme wäre, Mitarbeitende mindestens darin zu unterstützen, sich selbst Auszeiten zu geben und die eigene Lebenssituation und persönliche wie berufliche Ziele zu klären.

Natürlich kann es dabei zum Ergebnis kommen, dass sich die Wege besser trennen. Aber ist das nicht im Zweifel auch für alle Beteiligten besser, als in Unzufriedenheit und Mittelmaß zu verharren?

Es können aber auch ganz andere Wirkungen entstehen:

Eine größere Klarheit über die eigenen Stärken und Ziele. Oder mehr Gelassenheit und eine bessere Selbststeuerung – da kann man auf Reisen, besonders wenn man allein reist, eine Menge lernen. Oder neue Ideen für die berufliche Weiterentwicklung oder erfolgversprechende Strategien.

Mit einer anderen Workation-Aktivistin habe ich mich gestern lange unterhalten. Sie führt Coliving- und Coworking-Projekte durch und hat als Coach einen besonderen Fokus auf die Vernetzung der Personen und die gemeinsame Weiterentwicklung und Reflektion. Sie beschreibt wunderbar, wie ihre Generation (die 20 bis 30jährigen) die Welt sieht und was ihnen auch fehlt und sie von erfahreneren Menschen lernen können.

Das verbinde ich direkt mit Ansätzen, die ich beim Schreiben meines Buches formuliert habe:

Workation könnte auch ein großartiges Instrument sein, um Menschen unterschiedlicher Generationen zu mehr Verständnis und Verbindung zu animieren. Stellen Sie sich vor, da sind ein paar ziemlich junge und ein paar erfahrenere Mitarbeiter zusammen für zwei Wochen in einer Workation. Vielleicht mit einigen Aufträgen rund um Generationenverständnis, moderne Arbeitsweisen und Steigerung der Arbeitgeberattraktivität für unterschiedliche Zielgruppen.

Unter der Sonne oder beim gemeinsamen Cocktail kann hier wirkliches Verständnis entstehen.

Ich glaube, wir stehen da erst am Anfang.

Es geht nicht um die Frage, wie viele Tage man im Büro sein muss. Viel wichtiger ist es, dafür zu sorgen, dass Menschen klar sind in ihrer beruflichen Rolle, dass Führung gut funktioniert und eine echte und ehrliche Verbindung zwischen Firma, Führungskraft und Mitarbeitern besteht.

Wenn dann noch klare Rollen und gute, moderne Führung funktionieren, sind Menschen auch gerne produktiv. Egal, wo sie arbeiten.

Für diese Woche möchte ich Ihnen also dreierlei mitgeben:

Nehmen Sie sich Zeit und schaffen Sie sich geeignete Räume, um die eigene Rolle und Situation zu reflektieren. Je klarer Sie sind, desto leichter wird es. Aus der Sicht als Arbeitgeber unterstützen Sie Mitarbeitende darin, sich diese Zeiten zu nehmen und vielleicht schaffen Sie sogar selbst Anlässe dazu.

Als zweites die Erinnerung daran, sich nicht in Scheindiskussionen zu den falschen Fragen verwickeln zu lassen, sondern Führung und Personalentwicklung wirklich mit hoher Priorität und in guter Art und Weise zu entwickeln. Wer in Mitarbeiterdialogen und sonstigen Gesprächen wirklich ehrlich und offen in die Tiefe geht, versteht Führung und Personalentwicklung langfristig richtig. Stimmt die innere Verbindung und Klarheit, ist es egal, wo Menschen arbeiten. Auch wenn das heute nur am Rande in den Impulsen vorkommt. Genau an solchen Projekten arbeiten wir gerade – und ich von hier aus mit: Talentprogramme, Führungskräfteentwicklungsprozesse, Arbeitgeber-Botschafter-Programme – da sind einige Projekte neu am Start bzw. geht die dauerhafte Begleitung weiter.

Und als Drittes möchte ich Ihnen eine große Portion Sonne und Meer mitschicken. Mit der Idee, dass Sie diese Bilder bitte einfach als Gleichnis nehmen. Ersetzen Sie gerne Sonne und Meer durch Berge und Schnee oder was auch immer Ihre Lieblingsumgebung ist. Und wenn es gerade nicht ein paar Wochen woanders sein können, reicht es vielleicht für eine kleine Auszeit.

Oder wie es im benachbarten Yoga-Zentrum an der Wand hängt:

Yesterday is a memory

Tomorrow is a mystery

Today is a gift.

Heute ist ein Geschenk. Nutzen Sie es und gönnen Sie sich schöne Momente und gute Gedanken.