Psst – hast Du schon gehört …?

In Zeiten des Lockdowns haben viele den Plausch an der Kaffeemaschine im Büro vermisst.

Jetzt – wo wir den wieder haben – ist aber auch nicht alles eitel Sonnenschein. In verschiedenen Gesprächen haben wir die letzten Wochen über ein schwer greifbares Phänomen diskutiert:

den Flurfunk.

Tatsächlich ist das eine vielschichtige Erscheinung. Spricht man vom „Flurfunk“, dann impliziert das ja meistens etwas anderes als den entspannten Austausch an der Kaffeemaschine.

Meist steckt eine eher negativer Ton in der Beschreibung, wird die Form der Kommunikation, die man als Flurfunk bezeichnet, eher als schwierig, störend oder negativ interpretiert.

Kommunikation der schwierigeren Art

Gemeint ist ja auch häufig die Art des „Über-Dinge-Redens“, die eher nicht auf der öffentlichen Unternehmensbühne kommuniziert wird, sondern eher  – wie man so schön sagt – „hinten herum“.

Da wird zu Neuigkeiten mehr vermutet als gewusst aber munter gemutmaßt. In Verbindung mit allgemeinen Befürchtungen und Gerüchten, die man gerade brandaktuell gehört hat, werden die wildesten Hypothesen verbreitet.

Kommen Führungskräfte zu solchen Dialogen dazu, verstummt das Gespräch schnell oder wird ganz unauffällig auf etwas belangloses oder fachlich-dienstliches gelenkt.

Kaum sind Chef oder Chefin wieder draußen, brandet der Dialog erneut auf, steigert sich ins Echauffierende. In professionellen Flurfunk-Kulturen funkt man darüber, dass die Kollegen und Kolleginnen schon wieder was neues funken…

Man kann sich das beliebig weiter ausmalen. Eines ist klar: so richtig produktiv ist das nicht.

Der Preis und was man tun kann

Flurfunk ist teuer – und zwar auf mehreren Ebenen. Man kann davon ausgehen, dass das Vorhandensein von Gerüchten, Hypothesen, Vermutungen und das Nachdenken, Reden und Beschäftigen damit, einfach schon mal viel Zeit kostet. Von der Verunsicherung der Beteiligten ganz zu schweigen – und on top können noch schädliche Wirkungen durch falsche Informationen oder unnötige Ängste kommen.

Doch was kann man tun?

Die etwas flapsige Empfehlung aus einer Diskussion nach einem Vortrag letzte Woche ist wohl eher nicht zur Nachahmung empfohlen:

„Wenn Du Flurfunk hast, schick einfach alle ins Homeoffice“.

Das ist definitiv keine Lösung, verlagert es das Bedürfnis nach Austausch doch nur in andere Kanäle und als Führungskraft bekommen Sie noch weniger davon mit. Flurfunk funktioniert auch ohne Flur.

Ein Lösungsansatz dürfte eher darin liegen, zu versuchen, die zugrundeliegenden Bedürfnisse zu verstehen. Die können vielfältig sein.

Flurfunk kompensiert nicht erfüllte Informationsbedürfnisse

Das Naheliegendste dürfte der folgende Gedanke sein:

Menschen wollen gut informiert sein. Fehlen Informationen, füllen wir die Lücke. Mit eigenem Wissen oder wenn uns das fehlt, eben mit Spekulationen. Gerade zu Themen, die uns persönlich interessieren, die spannend sind, aber bei denen es keine ausreichend guten, klaren oder aktuellen Informationen gibt, ist dieses Bedürfnis urmenschlich.

Gesellschaftsmagazine leben davon. Man hat wenig Informationen und erzeugt dennoch große Artikel voller Vermutungen. Davon leben ganze Zeitschriftenverlage. Ich weiß – Sie lesen die auch nur beim Friseur.

Im Unternehmen bestehen diese Bedürfnisse aber genauso.
Wir sollten sie aber anders erfüllen.

Der wichtigste Grund für Flurfunk ist ein Informations-Vakuum. Lassen wir das gar nicht erst entstehen, fallen viele Gründe für Flurfunk schon mal weg.

Wie das gehen kann?

Eine wichtige Grundlage bilden gut gemachte, regelmäßige Team- und Mitarbeiter-Meetings. Dort sollte Raum sein, über alle wichtigen aktuellen Entwicklungen offen und klar zu informieren.

Wichtig ist, dass hier auch offen gesprochen wird.

Gute Meetings sind keine Einbahnstraße. Sie laden auch dazu ein und fordern dazu auf, dass alle ihre Fragen stellen, ihre Sicht kundtun und dadurch ein echter Dialog entsteht.

Ist die Information gut und nachvollziehbar, entsteht kein Bedarf für emotionalen und angeheizten Flurfunk. Das schafft Raum für entspannten und wertvollen Plausch an der Kaffeemaschine.

Tieferliegende Ursachen

Ganz so einfach ist es aber leider doch nicht. Einfach nur (ok – so leicht ist schon das gar nicht) mit guten und regelmäßigen Meetings geht der Flurfunk oft nicht weg.

Warum?

Meist liegen die Ursachen tiefer.

Es kommt vor, dass es an dem Meeting und der eigentlichen Information gar nicht mangelt – und es trotzdem zu heftigem Flurfunk kommt. Das hat dann oft mit fehlendem Vertrauen oder gar offensivem Misstrauen zu tun.

Hört man eine Botschaft, glaubt sie aber nicht? Das ist ein super Nährboden für Flurfunk. Man stellt in Frage, was man da gerade gehört hat. Man fantasiert, was wohl wirklich dahintersteckt oder was als nächstes kommen könnte. Man stellt Vermutungen an und kultiviert Befürchtungen. Das mag unser menschliches Neugierde-Bedürfnis befriedigen – produktiv ist es nicht.

Eine andere Facette von Vertrauen ist der Aspekt der psychologischen Sicherheit. Ist diese Sicherheit gewährleistet, trauen sich Menschen zur offenen Frage oder Kritik. Offen, sachlich, unerschrocken.
Das entspannt und spart eine Menge Zeit und Energie.

Liegt dieses Gefühl der psychologischen Sicherheit nicht vor, werden Menschen vorsichtig. Das hängt meist mit den Erfahrungen zusammen, die man in ähnlichen Situationen selbst schon gemacht oder beobachtet hat.

Ehe man sich der Gefahr aussetzt, vor den anderen bloßgestellt zu werden, stellt man lieber die kritische Frage nicht im Meeting – und nimmt sie lieber mit in das kuschelig – sichere Umfeld mit den vertrauten Flurfunk-Partnern.

Ehe man sich der verbalen Replik des rhetorisch messerscharfen Kollegen oder der Führungskraft aussetzt, hält man sich lieber zurück.

Hinhören und die Bedürfnisse erkennen

Die Ursachen für das Entstehen von Flurfunk können unterschiedlich sein – vermutlich so verschieden wie die Unternehmen, in denen er stattfindet. Es gibt nicht die eine Lösung.

Ein häufig kluger Ansatz kann jedoch darin liegen, den Flurfunk nicht bekämpfen zu wollen. Viel mehr geht es darum, ihn als Ausdruck vorhandener Bedürfnisse zu verstehen und sich (und die beteiligten anderen) zu fragen, welche Bedürfnisse dahinter liegen und worum es wirklich geht.

Dann finden sich auch vielversprechende Wege zu besserer Information und mehr Vertrauen.

Flurfunk löst sich dann am besten auf,
wenn es nichts zu flurfunken gibt, weil alles klar ist.

Kurzfristig können einfach gute Informationen helfen.

Liegen die Ursachen in fehlendem Vertrauen und wenig förderlicher Unternehmenskultur, braucht man etwas mehr Geduld und womöglich Demut.

Dann ist die Botschaft zuerst mal: Hinhören und Verstehen wollen.
Hat man verstanden, was die Ursachen des Flurfunks waren, dürften die Lösungen auf der Hand liegen.