Hässliche Büros braucht kein Mensch

Warum Sie „Büro“ ganz neu denken sollten und welche Büros wir in Zukunft noch brauchen

Das hätte man sich ja denken können. Controller wollen die Hälfte der Gebäudekosten sparen und Immobilieninvestoren fürchten um die Renditen ihrer Bürotürme. Ich muss schon schmunzeln, wenn man sieht, wo jetzt überall die Folgen des mobilen Arbeitens realisiert werden. Eigentlich sind die Trends ja nicht neu.

Kaum haben alle geschrieben und gesendet, dass Homeoffice ziemlich gut funktioniert. Gut – die ganze Woche und mit Kindern ohne Betreuung vielleicht nicht – aber zwei bis drei Tage die Woche – das wollen doch viele Menschen beibehalten. Medien berichten von Firmen, die Homeoffice deutlich ausweiten wollen. SAP hatte das schon lange vor Corona verkündet, Firmen wie Siemens, BASF und BMW waren damit kürzlich in den Schlagzeilen. Die allermeisten Firmen haben ähnliches vor. Soweit so gut.

Doch erstaunlich, wie schnell die Controller aus den Büschen kommen und berechnen, was man einspart, wenn man eine Büroetage abgibt, den Neubau storniert und Arbeitsplatzausstattungen reduziert. Wenn nur jeder zweite im Büro ist – wozu brauchen wir dann die ganzen Arbeitsplätze? Investoren fragen sich, ob Bürogebäude noch gut vermietet werden können? Müssen Wirtschaftsförderer Leerstände fürchten? Wie so vieles wird auch diese Entwicklung nicht so heiß gegessen, wie sie gerade hochgekocht wird. Doch es lohnt sich, über unsere Büro-Arbeitsplätze neu nachzudenken.

Wozu brauchen wir Büros – und welche ?

Wer hier schon länger mitliest, kennt mein Statement: „Alles, was man in einem Büro macht, kann man auch woanders erledigen. Büros braucht man nur, wenn sie schön sind und es dort nette Kollegen gibt!“ Das mag etwas zugespitzt sein. Man kann natürlich weiterhin einfach im Büro arbeiten und Meetings wieder live wahrnehmen. Klar. Muss man aber eben nicht mehr.

„Homeoffice ist ja ganz gut. Aber ich freue mich echt, wieder ins Büro zu kommen.“ Solche Aussagen habe ich viele gehört. Es lohnt sich, genau hinzuhören und Mitarbeiter zu fragen, was es denn tatsächlich ist, was so gefehlt hat, was wir vermissen und wonach wie uns gar sehnen. Der Desktop-PC wird es kaum sein. Der Aktenschrank vermutlich auch nicht. Was ich aber oft gehört habe – und gut verstehe – ist das menschliche Miteinander. Das Gemeinschaftsgefühl. Der Smalltalk. Gemeinsames Lachen. Vielleicht auch Lästern. Der barrierefreie Dialog, das spontane Gespräch. Die gemeinsame Pause, das kurze Brainstorming. Alles also, was mit den Menschen, dem Austausch, dem Gemeinschaftsgefühl zu tun hat. Ob uns das so klar war, dass es diese sozialen, zwischenmenschlichen Aspekte sind? Was da fehlt, wird gerade dann bewusst, wenn man es nicht hat. Dieser Grund ins Büro zu kommen, gilt für alle Firmen mit netten Kollegen und einer guten Firmenkultur.

Für den zweiten Aspekt trennt sich die Spreu vom Weizen beim Gebäude selbst. Ich habe viele Büros von innen gesehen, in denen ich freiwillig nie arbeiten würde. Kleine Räume, schmucklos-sterile Kammern, schlechte Stühle. Laute Großraumbüros. Zu kalt, zu heiß, schlechte Luft, zu klein. Solche Büros braucht kein Mensch mehr. Doch es gibt auch das Gegenteil: Tolle Gebäude, die man betritt und sich wohl fühlt. Gebäude, bei denen das Selbstbewusstsein wächst, wenn man die Eingangshalle betritt. Inspirierende Räume, komfortable Ausstattungen. Ergonomische Schreibtischstühle, große Bildschirme, leistungsfähige Infrastruktur und leckeres Essen in der Mittagspause. Solche Büros behalten ihre Existenzberechtigung – trotz Homeoffice und Coworking.

Wieviel Büro brauchen wir?

Kommen wir zu den Controllern. Die Rechnung ist einfach. 2-3 Tage Homeoffice bedeutet, dass die Hälfte der Arbeitsplätze überflüssig ist. Also Büroflächen freimachen, Kosten sparen. Jeder arbeitet, wo was frei ist. Geht klar. Oder?

Achtung! Vorsicht Falle. Es gibt Firmen, die so vorgehen. Zu der Basis erfolgreichen mobilen Arbeitens passt das nicht. Dazu braucht es nämlich eine Vertrauenskultur, Flexibilität und Wertschätzung für die Mitarbeiter. Nichts gegen Kosteneinsparungen. Doch das ist das grundfalsche Motiv für die Flexibilisierung der Arbeit. Der Eindruck ist nicht zu Unrecht: „Jetzt müssen wir zuhause arbeiten, verbrauchen unseren eigenen Strom, müssen den Stuhl selbst kaufen und können das noch nicht mal als Arbeitszimmer absetzen.“ Sollten Sie gerade Büroneubauten und -erweiterungen planen, halten Sie diese nochmal an und denken Sie neu.

Welche Art von Büro brauchen wir?

Mobiles Arbeiten heißt nicht nur Homeoffice, Café oder Coworking. Mobiles Arbeiten kann auch bedeuten, innerhalb des Firmengebäudes an verschiedenen Orten zu arbeiten. Mal hier, mal da. Mal an einem anderen Firmenstandort, mal in wechselnden Teams. Wer Büros für die Zukunft gestalten will, sollte von guten Beispielen lernen. Die gibt es schon – auch lange vor Corona. Einige Beispiele werde ich Ihnen in weiteren Beiträgen zeigen. Es gibt keine Patentrezepte. Großraumbüros mit Containern, die man sich morgens an einen freien Tisch zieht, haben sich nicht wirklich durchgesetzt. Zu sehr widerspricht das menschlichen Bedürfnissen.

Gute Büros sind dennoch flexibel. Sie bieten Räume und Umgebungen für unterschiedliche Arten des Arbeitens: Besprechungs- und Kommunikationsflächen, Sitzinseln, Umgebungen für entspannten Dialog, das interne Café. Daneben braucht es Räume für ungestörtes Arbeiten, für Videokonferenzen, ungestörte Telefonate oder konzentriertes Arbeiten. Es kann feste Arbeitsplätze geben und Bereiche für diejenigen, die nur an einzelnen Tagen ins Büro kommen. Alles das, was Büros in Zunft interessant machen kann, wird auch Platz brauchen. Zwar werden im Schnitt weniger Leute da sein – so viel kleiner werden die Büros der Zukunft aber vielleicht gar nicht. Nur anders. Schöner. Wohnlicher. Kommunikativer. Cooler.

Was sollten wir tun?

Überstürzen Sie nichts. Verstehen Sie, was Büros wirklich wertvoll macht. Analysieren Sie, was Ihr Büro heute ausmacht und morgen interessant machen kann. Sammeln Sie Ideen für Ihr Büro der Zukunft. Beteiligen Sie Ihre Mitarbeiter. Ermutigen Sie zu unkonventionellen Ideen. Probieren Sie etwas aus. Tauschen Sie mal Büros. Vielleicht schaffen Sie ein Pilotprojekt mit einer internen Coworking-Etage. Schauen Sie sich interessante Firmen an.

Lassen Sie sich nicht von architektonischen Vorzeige-Projekten blenden. Für die Qualität eines Büros sind die inneren Werte vermutlich wichtiger als die teure Architektur oder Einrichtung. Gute Büros sind inspirierende Umgebungen, in denen man gerne arbeitet. Solche Büros haben Zukunft. Hässliche dagegen haben ausgedient. Das ist auch gut so.

Nutzen Sie die Erfahrungen und Erlebnisse rund um die Krise und die erzwungene Büro-Abstinenz. Stellen Sie Ihre Bürowelt in Frage, erfinden Sie sie neu, und treffen Sie die richtigen Entscheidungen. Sie werden Büro anders denken und gestalten. Ihre Mitarbeiter werden es Ihnen danken. Schöne Büros werden auch in Zukunft ein Ort sein, an dem Menschen gerne arbeiten. Alle anderen haben ausgedient. Wer die Bedeutung attraktiver Büros richtig verstanden hat, denkt nicht nur an Kosteneinsparungen, sondern an kluge Investitionen in die Attraktivität der Büros. Das lohnt sich.

Vielleicht gehen Sie mal in den nächsten Tagen mit sehr offenen Augen durch Ihre Räumlichkeiten und stellen sich vor, wie es werden könnte. Ich wünsche Ihnen viel Freude und gute Ideen dabei.