Generationenfrage oder Zeitgeist?

Sie halten sich hartnäckig – die Thesen und Empfehlungen zum Umgang mit der GenZ und den jungen Millenials.

Die einen überbieten sich mit vermeintlichen GenZ-Benefits, die anderen hängen gedanklich fest in der Klage über die „Jungen“, die ja nicht mehr voll arbeiten wollen, gleich im Bewerbungsgespräch nach Homeoffice fragen und überhaupt auch gar keine Verantwortung mehr übernehmen wollen.

Mal langsam, möchte ich sagen.

Es ist nämlich gar nicht gesagt,
dass die zugrundeliegenden Hypothesen tatsächlich so stimmen.

Gleich in mehreren Studien bestätigt sich, was ich in Interviews schon vor längerer Zeit ergründet hatte:

Die ach so klaren Generationen-Zuschreibungen an GenZ´s, Millenials oder Boomer sind gar nicht so sicher, wie man immer hört und liest.

Peter Martin Thomas erklärte vor einigen Jahren in einem interessanten Gespräch einen grundlegenden Zusammenhang:

Werte einer Menschengruppe können sich entweder über einschneidende Erlebnisse ausprägen oder über das Milieu, zu dem sich Menschen zugehörig fühlen.

 

Gleiche Erlebnisse – gleiche Werte

Die Hypothese, dass eine ganze Generation eine ähnliche Werteausprägung hat, ist dann schlüssig, wenn es für die gesamte Bevölkerung in ähnlichem Maße so einschneidende Erlebnisse gab, dass sich ein ähnliches Wertegerüst ausprägen konnte.

Die letzte Phase mit so einschneidenden und für die nahezu gesamte Gesellschaft gleichen Erlebnissen, war die Phase im und nach dem 2. Weltkrieg. Von einer Kriegs- und Nachkriegsgeneration zu sprechen mit bestimmten Wertepräferenzen ist damit schlüssig.

Dann ging es aber nicht in gleichem Maße weiter.

Danach sind die Erlebenswelten innerhalb der gleichen Generation in verschiedenen Milieus viel unterschiedlicher und damit auch die Werte, die sich prägen.

Im gleichen Milieu ähneln sich die Werte bei Jung und Alt mehr als man denkt.

Was versteht man unter Milieus?

Ich beziehe mich hier auf die Definitionen der Sinus-Milieus. Peter Martin Thomas war damals in der Rolle als Forscher, Redner und Experte bei einer Tochterfirma der Sinus-Gruppe. Die Sinus-Milieus werden im Marketing häufig verwendet, um Kundengruppen stimmig erreichen zu können. Googlen Sie das mal. Kann man auch im Employer Branding gut verwenden.

Es werden ca. zehn Milieus definiert. Da gibt es die leistungsorientierten Performer. Da gibt es die Traditionellen am einen Ende der Skala wie die Expeditiven am anderen Ende. Konsum-hedonistische Milieus, Neo-Ökologische, Nostalgisch-Bürgerliche oder Postmaterielle.

Ohne hier jetzt zu tief einzusteigen – mir geht es um den Grundzusammenhang.
Der hat nämlich weitreichende Folgen.

 

Stimmt es, dass die Generationen weitaus weniger Unterschiede aufweisen als die Milieus, entbehren viele fleißig kommunizierte Wahrheiten ihrer Grundlage.

Sie suchen Auszubildende?

Nein, die sind nicht alle klimabewegt, reisefreudig und vegan. Es gibt 18-jährige im traditionellen Milieu, die gerne an Autos schrauben und vom Häuschen im Grünen träumen.

Genauso wie es welche gibt, die die Welt erkunden und andere, die für den Klimaschutz kämpfen.

Die Verteilung der Milieus unterscheidet sich sicher in den Alterskohorten – aber der Grundgedanke bleibt: es gibt nahezu alle Milieus in allen Generationen.

Genauso gibt es 60 jährige, die die Welt erkunden oder sie bewahrend schützen wollen.

„Na und?“ könnten Sie jetzt fragen.

 

Grenzen im Denken durch falsche Hypothesen

Ich beschäftige mich mit den Fragen gerade am Beispiel einer besonderen Thematik.
Sie ahnen es schon 😉, es geht auch hier um Workation.

Wieso das jetzt?

Workation wird in der breiten Diskussion als klassisches Benefit für die Jungen kommuniziert. Es stimmt sogar, dass der größte Anteil an Fragen nach Workations in Unternehmen von Mitarbeitenden unter oder knapp über dreißig kommt.

Die Frage ist nur, woran das liegt.

Ich kann es ja nur aus meiner eigenen Erfahrung sagen: ich finde Workation ist die perfekte Boomer-Arbeitsform 😉.

Natürlich ist es bisher so, dass vor allem die jüngeren nach solchen Arbeitsformaten fragen. Aber liegt das an veränderten Werten und Grundeinstellungen?

Oder nicht vielleicht einfach an einer anderen persönlichen Geschichte, Sozialisierung und Gewohnheiten?

Wem es völlig vertraut ist, alle Prozesse digital zu organisieren, wer in einer Zeit ins Berufsleben startet, in der Remote-Work längst normal und die Social Media Kanäle voller Beispiele für coole Lebensstile sind – ist es da nicht klar, dass man danach fragt und nicht versteht, wieso man für einen Büro-Job in die Firma kommen soll?

Vielleicht fragen die Erfahreneren einfach nur deshalb weniger nach solchen Arbeitsmodellen und Lebensstilen, weil sie sich nicht trauen und nicht daran gewöhnt sind?

Wer jahrzehntelang gelernt hat, wie Arbeiten funktioniert und was man zu leisten hat, der ist darauf auch konditioniert. Das dauert es ein paar Jahre, bis sich rumgesprochen hat, wie man heute arbeiten kann.

Auch davon kann ich ein Lied singen. Bei meinen ersten Workations hatte ich ein dermaßen schlechtes Gewissen. Das war verrückt, hatte ich doch mit meiner Frau und meinem Team alles besprochen und rundum grünes Licht. Aber die Denkmuster, die über Jahrzehnte gewachsen sind, brauchen auch ein Weilchen bis sie sich wieder auflösen.

Geben Sie den anderen eine Chance…

Doch auch jenseits von Workations kann ein neuer Blick auf die Menschen unterschiedliche Alters viele Türen öffnen, mindestens in 2 Denkrichtungen:

Denkrichtung eins: nehmen wir die jüngeren Generationen doch einfach, wie sie sind – in aller Unterschiedlichkeit und versuchen zu verstehen, welche Bedürfnisse und Prioritäten da bestehen.

Vielleicht muss man die Dinge nicht so machen, wie Boomer das über viele Jahre gewöhnt waren.

Vielleicht ist asynchrone Kommunikation mit Chats, Videobotschaften und Sprachnachrichten tatsächlich effizienter als dauernde Meetings.

Denkrichtung zwei: Wenn viele Forderungen der GenZ gar kein Generationen-Thema sind, sondern eher Zeitgeist, warum sollten dann nur die jüngsten im Arbeitsmarkt bestimmte Bedürfnisse haben. Gestehen wir doch den über 50jährigen bitte auch ein bisschen mehr Lernbereitschaft und Innovationsfähigkeit zu.

Vielleicht müssen die nur ein bisschen intensiver „Ent-Lernen“ – das ist gar nicht so einfach.

Bei Workation ist meine Hypothese, dass der Trend gerade erst am Start ist.

Wenn die erfahreneren Mitarbeitenden erst mal verinnerlicht haben,
was da gehen könnte, dürfte es an den Workation-Stränden auf den Kanaren eng werden…