Arbeitgeberstrategie braucht Führungskräfte

Früher hat man gesagt „Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen“ – man könnte das übertragen „Man braucht eine ganze Firma um einen attraktiven Arbeitgeber zu formen“. Klar kann man sagen „Recruiting macht unsere Personalabteilung“ oder „Fürs Employer Branding haben wir gerade jemanden eingestellt“. Doch die Gefahr ist groß, dass man damit weit unter seinen Möglichkeiten bleibt. Die Marke als Arbeitgeber besteht ja nicht nur aus dem grafischen Außenauftritt.

Die Kommunikation als Arbeitgeber beschränkt sich ja nicht auf die Karriereseite und den offiziellen Social Media Kanal.
Der Kontakt zu Interessenten beschränkt sich nicht auf das freundliche Recruiting-Team.
Die Wirkung, die Ausstrahlung als Arbeitgeber entsteht aus der Summe aller Eindrücke, die nach außen wirken.

Spätestens jetzt kommen die Führungskräfte ins Spiel.

Wirken Führungskräfte als Booster der Arbeitgebermarke, multiplizieren sie die Botschaften, animieren sie Empfehlungen, begeistern sie Mitarbeiter wie Bewerber – dann entfaltet eine gute Arbeitgeberstrategie phänomenale Wirkung.

Ganz anders sieht es oft in der Praxis auf. Fühlen sich Führungskräfte nicht zuständig und zeigen mit dem Finger auf das kleine Recruiting-Team oder die Personalabteilung, kann das beste Arbeitgeber-Kommunikations-Konzept nur mäßige Wirkung entfalten.

Eine richtig gute People Strategy wirkt durch das gesamte Unternehmen und bezieht die Führungskräfte wirksam ein. Dafür gibt es viele Methoden und Wirkungsfelder. Auf drei wichtige möchte ich im heutigen Impuls eingehen.

Führung, die begeistert

Das ist vermutlich die am wenigsten überraschende Dimension. Sie kennen die Aussage

„Menschen bewerben sich bei einem Unternehmen, wenn sie kommen.
Wenn sie wieder gehen, verlassen Sie oft ihre Führungskräfte!“

Somit ist klar, dass die Qualität der Führung, die gelebte Kultur und die wertschätzende Kommunikation ein Schlüssel zur Mitarbeiter-Identifikation sind. Fühlen sich Menschen gut aufgehoben, gefordert und gesehen, ist die Chance groß, dass sie lange im Unternehmen bleiben und gerne als Multiplikator für den Arbeitgeber werben.

Den Fachkräftemangel bezeichne ich ja manchmal als Verbündeter für gute Führung:
Je größer der Leidensdruck wird, desto weniger können es sich Firmen leisten, schlechte Führung zu tolerieren. Das fängt damit an, dass die richtigen Menschen führen. Nur wer Menschen mag und sich mit Menschen beschäftigen will, sollte auch führen dürfen. Führung braucht Reflektion, Coaching und ein gemeinsames Führungsverständnis. Und Führung braucht Priorität. Führung braucht Zeit. Führungskräfte müssen auch an der Qualität ihrer Führungsarbeit gemessen werden.

Stellen wir uns eine Firma mit 20 Führungskräften vor, die wiederum je 10 Mitarbeitende führen. Machen die alle einen tollen Führungsjob, entstehen 200 Multiplikatoren für die Firma. Welch eine Wirkung! Leider stimmt auch das Gegenteil. Haben diese Führungskräfte kein klares Bild, keine Lust auf diesen Teil des Jobs und fehlt ein gutes Führungsbild im Unternehmen? Was können schlechte Führungskräfte zerstören oder zumindest konterkarieren! Wie wichtig gute Führung für die Attraktivität und Ausstrahlung als Arbeitgeber ist – das sollte auf der Hand liegen.

Bewerbungsverfahren auf Augenhöhe

Weniger im Bewusstsein ist die Rolle von Führungskräften im Recruiting-Prozess. Mitarbeitergewinnung macht die Personalabteilung? Pustekuchen.
Klar kann der Prozess im Recruitingteam liegen. Doch Führungskräfte sind gleich an mehreren Stellen elementar:

Das fängt beim Konzipieren der Ausschreibung an. Bei der Definition der Stelle, der Aufgaben und vor allem des Anforderungsprofils sind auch Führungskräfte und Fachabteilungen gefordert. Recruiting und Personalentwicklung können gute Fragen stellen, beim Formulieren helfen und Sparringspartner wie Projektmanager des Prozesses sein. Aber die Definition, wer genau gesucht wird, was die entscheidenden Anforderungen sind – das ist Führungsaufgabe.

Was so selbstverständlich klingt, erleben wir leider in der Praxis immer wieder anders. Da heißt es allzu schnell „Schreibt mal die Stelle aus“ und man versäumt den tiefergehenden Prozess. Dann führt man (wenige) Bewerbungsgespräche und trifft eine Entscheidung. Leider allzu häufig, ist man dann ein paar Wochen oder Monate später in der doofen Situation, wieder kündigen zu müssen oder sich den faulen Kompromiss schönreden zu müssen.

Warum?

Weil man oft zu unspezifisch ausgeschrieben hat. Weil man alle erreichen wollte und für die richtigen nicht spannend wurde. Weil man sich nur oberflächlich kennengelernt hat, anstatt die entscheidenden Eigenschaften wirklich zu testen. Jetzt werden Sie vielleicht einwenden „Klingt ja gut. Aber das braucht viel mehr Zeit als wir dazu haben.“

Wer für die gründliche Suche und Auswahl keine Zeit hat, der hat sie dann jahrelang beim Kompensieren dieser Fehler. Und das macht wesentlich weniger Freude.

Der zweite Aspekt beim Einstellungsverfahren liegt ebenfalls auf der Hand. Führungskräfte repräsentieren die Firma. Im Idealfall begeistern sie und füllen mit Leben, was Karriereseite und Recruiter den Bewerbern zuvor erzählt haben. Im schlechtesten Fall zeigen Vertriebschef und Teamleitung ein ganz anderes Bild als das, was das Employer Branding gerne vermitteln möchte.

Remote-Arbeit und moderne Tools?  Stehen auf der Karriereseite. Hört man dann im Bewerbungsgespräch Sätze wie „Naja, die Videokonferenzen nerven ja schon. Live ist mir lieber“ ist das gerade aufkeimende Vertrauen in die moderne Arbeitsweise schon vorm ersten Arbeitstag wieder platt gemacht. Dumm gelaufen. Immer stärker wird Unternehmen bewusst, wie wichtig es ist, die Menschen zu schulen und zu sensiblisieren, die die Firma gegenüber potenziellen neuen Mitarbeitenden vorstellen und repräsentieren.

Da sollten die richtigen Personen eingebunden sein – und sie sollten wissen, was sie tun.

Mit wehenden Fahnen voraus

Ging es beim letzten Aspekt auch daraus, nicht zu konterkarieren, was man woanders aufgebaut hat, folgt jetzt ein enormes Verstärkungspotenzial.
Im Idealfall sind die Führungskräfte Multiplikatoren.
Sorgen für die Verbreitung guter Storys in sozialen Medien, teilen Beiträge und senden selbst.
Animieren Mitarbeitende, aktiv in ihrem Bekanntenkreis nach geeigneten neuen Kollegen Ausschau zu halten.
Sensibilisieren ihre Teams für die Bedeutung von Arbeitgebermarketing und -strategie. Und vor allem sind sie sich ihres Einflusses auf Arbeitszufriedenheit und Identifikation bewusst und arbeiten aktiv daran mit, die eigene Firma immer attraktiver zu machen.

Der Hebel ist enorm. Ihn zu nutzen ist aber kein Selbstläufer.

Will ich, dass Führungskräfte diese Aktivitäten an den Tag legen, muss ich sie in die entsprechenden Prozesse einbeziehen. Ich muss Instrumente und Strategien kennen, verstehen und gut finden, damit ich sie aktiv propagieren kann.

Für die oft nötige Verhaltensänderung (früher mussten Informationen freigegeben werden, heute wollen wir authentische und zur Arbeitgebermarke passende Postings) braucht es Klarheit („Was wird von mir erwartet?“ „Was soll / darf ich tun?“), Ermutigung und Unterstützung.

So aktivieren Sie den Booster

Aus den Beispielen sollte klar geworden sein, wie groß das Potenzial ist, die ganze Führungsmannschaft in die Prozesse zur Arbeitgeberstrategie einzubeziehen.

So kann das gelingen:

  1. Sorgen Sie für gute Führung.
  2. Binden Sie Führungskräfte in den Prozess des Employer Brandings mit ein, genauso in die Entwicklung der Arbeitgeber-Strategie. Das fördert die Identifikation.
  3. Beteiligen Sie Führungskräfte aktiv in den Maßnahmen. Formulieren Sie klare Erwartungen, informieren sie gut und umfassend und animieren Sie zur Mitwirkung.
  4. Integrieren Sie die Themen der Mitarbeitergewinnung und Arbeitgeberkommunikation in die Vereinbarung von Zielen mit ihren Führungskräften.
  5. Sorgen Sie für ein modernes Verständnis von Arbeiten bei ihren Führungskräften selbst. Mit den Bildern von gestern, kann man Talente von morgen nicht begeistern.

Das sind jetzt ein paar Ideen und Ansatzpunkte. Im konkreten Unternehmen kann die Ausgestaltung je nach Situation ganz unterschiedlich sein. Was fast immer gleich ist? Das enorme Potenzial. Machen Sie Ihre Führungskräfte zu Botschaftern und verstärken Ihre Arbeitgeber-Strategie. Das lohnt sich.