Freiheit will gelernt sein

„Müssen eigentlich auch Mitarbeiter New Work und Remote-Arbeit lernen?“

das war eine der Fragen, über die ich mich gerade mit einer Journalistin sehr angeregt unterhalten habe.

Meine spontane Antwort?

„Aber ja. Eine ganze Menge.“

Mit etwas Nachdenken habe ich dann ergänzt „Das alte Korsett des Arbeitens zu festen Zeiten an einem Ort – das hat eine Menge Sicherheit gegeben. Fällt das weg, müssen Fragen beantwortet werden, die sich vorher gar nicht gestellt haben.“

Wie sehen Sie das? Welche Herausforderungen haben Mitarbeitende? Was müssen / dürfen sie lernen? Und – nicht minder wichtig – wie kann das Unternehmen als guter Arbeitgeber dabei unterstützen?

Tatsächlich begegnet mir diese Thematik in den letzten Wochen gleich mehrfach – sei es bei meiner letzten Remote-Work-Reise, sei es in Workshops mit Teams bei Kunden oder wie jetzt gerade in der Vorbereitung auf einen großen Mitarbeitertag.

Sonst hört man ja vor allem viel über die Anforderungen an Firmen und Führungskräfte. Dann lassen Sie uns den Spieß mal umdrehen und den Blick auf die einzelnen Menschen richten…

Die beiden großen Freiheiten

Schauen wir zuerst mit Abstand auf die beiden großen Freiheiten, auf die wir uns zu bewegen (zumindest der Teil der Menschen mit entsprechender Qualifikation und Jobs, die sich dafür eignen 😉):

Die erste große Freiheit:

„Arbeiten Sie doch, was Sie wollen!“

Nein – ich will nicht die Anarchie ausrufen. Doch letztlich läuft der Wandel im Arbeitsmarkt darauf hinaus. Die gut qualifizierten Menschen können sich die Jobs aussuchen – und ihre Arbeitgeber gleich mit. Je stärker das Realität ist, desto weniger muss man Kompromisse machen.

Vorbei ist die Zeit, in der man verharren konnte in dem unbefriedigenden, aber dennoch gewohnten Status Quo. Das war bequem.

Fällt der äußere Druck weg, muss man sich der schier unendlichen Fülle der Möglichkeiten stellen. Muss Farbe bekennen. Was ist mir wichtig im Leben? Wofür möchte ich meine Energie einsetzen? Will ich in meiner Region, meiner Umgebung, meinem persönlichen Netzwerk bleiben oder etwas ganz Neues ausprobieren?

Verlockende Fragen – und beängstigend zugleich.

Individuell erleben Menschen diese Freiheit meist durch eine bewusste Entscheidung („ich steige aus und mache mich selbständig“, „Jetzt mache ich endlich, was ich schon immer vor hatte..“) oder eine nicht ganz freiwillige Veränderung – die Firma geht pleite, der Job verschwindet, Zustände sind nicht mehr auszuhalten oder private Situationen provozieren einen Wandel.

Im Nachhinein sind diese Phasen oft wesentliche Wachstumsschritte. Hätte man sich von allein nie getraut, alte Sicherheiten aufzugeben – fordert das Schicksal genau das, öffnen sich neue Wege.

Warten Sie nicht auf den großen Knall

Viele Menschen verharren in unbefriedigenden Zuständen – und begründen das dann schmunzelnd mit „resignativer Reife“.
Kann man machen.

Manche warten auf den große Knall.
Muss man aushalten.

Doch Entwicklung geht auch mit weniger Drama.
Jedes Nachdenken über den Sinn von Leben und Arbeit, über mögliche Entwicklungen, kann ein Schritt sein zu mehr Freiheit.

Es wird immer Menschen und Situationen geben, für den diese Gedanken aus der bisherigen Rolle heraus und zu einer Trennung von Job und Firma führen werden.
Auch das muss gar nicht schlecht sein.

Lieber ein glücklicher Ex-Mitarbeiter als ein frustrierter Noch-Mitarbeiter😉.

Für viele Menschen sind die nötigen Schritte dabei gar nicht so disruptiv. Gibt es Raum und Unterstützung für das Reflektieren auch ungewöhnlicher Entwicklungen, steigt der Spielraum. Menschen trauen sich, Vorstellungen jenseits des Üblichen zu entwickeln und in verkraftbaren Schritten in diese Spielräume hineinzuwachsen.

Trifft dieses Wachstum auf Firmen und Führungskräfte, die persönliches Wachstum und gemeinsame Entwicklung ehrlich meinen, ist es ein Match. Mitarbeitende wachsen in mehr Selbstverantwortung hinein und Firmen stellen sicher, dass alle mit vollem Engagement an Bord sind. Ziele und Arbeitsschwerpunkte sind nicht einfach Vorgaben der Firma, sondern schlüssige Etappen auf dem eigenen Lebensweg und GLEICHZEITIG ein wertvoller Beitrag für den gemeinsamen Erfolg.

New Work: „Was will ich wirklich wirklich tun?“

Gutes Führen im Sinne der Bergmann´schen Definition von New Work („Was will ich wirklich wirklich tun?“) unterstützt genau das.

Ein guter Anfang kann es sein, in die nächste Runde der Mitarbeiter-Entwicklungsgespräche Zeit, Raum und Fragen zu integrieren, die über die üblichen Themen hinausreichen und auf die persönliche Vision, die Entwicklungswünsche und die persönlichen Ziele eingehen.

Auch unser Weg, Raum und Anleitung zu geben, die eigene Vision zu entwickeln und u.a. in Strategieklausuren im Team vorzustellen, fördert diese Freiheitskompetenz.

Je mehr Raum diese Kultur im Unternehmen bekommt, desto mehr entwickeln sich Vertrauen und Zutrauen.

Sinn, Freiheit und selbstgewählte Arbeitsstile erfordern eine Selbstverantwortung, Mut und Experimentierfreude. Das kann man auf eigene Faust in einer Selbständigkeit machen. Finden diese Ideen beim eigenen Arbeitgeber keine Resonanz, bleibt fast nichts anderes übrig.

Es sei denn, man hat (oder findet) einen großartigen Arbeitgeber, der entsprechenden Raum gibt. (Spoiler: schon wieder eine riesige Chance, sich von der Masse abzuheben 😉).

In einer idealen Welt …
… entwickeln Firma und Führungskräfte genau diesen Raum zur Entfaltung.
… wachsen Menschen in Individualität und Eigenverantwortung hinein und füllen diesen Raum.
… entsteht so von innen heraus eine Kultur von gemeinsamer Entwicklung, hoher Produktivität und großer Lebens- und Arbeitszufriedenheit.

Klingt gut, oder?
Ist es auch😃.