Mein neues Büro in Berlin – Coworking

Geht doch!

Vor 2 Jahren stand ich in Berlin am Hauptbahnhof und suchte vergeblich einen guten Platz zum Arbeiten. Die DB-Lounge war mir zu voll und für Video-Calls nicht vertraulich genug. „Coworking – das wär´s jetzt.“ dachte ich damals. Aber da war noch nichts.
Das hat sich zum Glück geändert und ich habe letzte Woche everyworks besucht. Ein Konzept zum Coworking direkt am Bahnhof als Kooperation der Deutschen Bahn mit Design Offices. In Berlin als eine der Pilotstädte bereits eröffnet.

Es gibt einen offenen Coworking-Bereich – chic, modern, mit Kaffeemaschine und Getränken inklusive.
Neben den normalen Arbeitsplätzen gibt es Telefon-/ Videoboxen für ungestörtes Sprechen.
Das Modell ist charmant wie einfach. Man lädt sich die App aufs Handy, checkt online ein. Die Abrechnung erfolgt minutengenau mit 16 Ct. pro Minute. Die ersten 5 min sind frei, mit der Bahncard gibt es Rabatt.
Die nette Mitarbeiterin an der Rezeption erklärt alles. Im Nu ist das Gepäck an der Garderobe mit Vorhängeschloss gesichert und das Arbeitsplätzchen ausgesucht.
Heute reicht es bei mir nur zum Testbuchen und Reinschnuppern. Ich habe nur noch eine halbe Stunde bis zur Abfahrt. Das nutze ich jetzt zum Testen und Bilder machen und lasse mir das Konzept erklären.

Ich bin schnell überzeugt. Das ist ein tolles neues Angebot und macht komfortables Arbeiten jenseits überfüllter Cafés genau dort verfügbar, wo man es braucht.
Bonus: man kann sich einen kleinen Besprechungsraum mit Kamera, großem Bildschirm, Whiteboard und 4er-Tisch buchen. Auch größere Einheiten sind verfügbar.
So kann man auch wichtige Termine unterwegs professionell in Reisetage integrieren. Genauso muss das sein.

Schöne neue Welt

Ich sage ja immer „Man kann von überall aus arbeiten“. Wer den Mund voll nimmt, muss natürlich testen und den Beweis antreten 😉. Das ist jedenfalls mein Anspruch.
Auf der aktuellen Reise nach Berlin waren viele Elemente geschmeidigen mobilen Arbeitens spürbar:

Das konzentrierte Arbeiten am PC klappt im Zug schon lange gut. Ich kann kaum irgendwo so konzentriert arbeiten. Irgendwie hilft mir das Vorbeifliegen der Landschaft auch gedanklich in Bewegung zu bleiben. Seit das WLAN unterwegs meist brauchbar ist, kann man auch mit Online-Tools arbeiten oder Emails beantworten. Kleine Hänger in der Verbindung fallen da nicht so sehr ins Gewicht.

Ambitionierter wird es dann bei Videokonferenzen im fahrenden Zug. Mein Rekord waren mal fast 2 Stunden ohne Unterbrechung zwischen Mannheim und Augsburg. Ab Augsburg nach München ging dann nichts mehr. Jetzt auf dem Rückweg aus Berlin konnte ich tatsächlich ein Jour Fixe mit Videokonferenz und gemeinsamer Arbeit am digitalen Projektboard in MeisterTask problemlos online machen. Sogar am Teammeeting konnte ich störungsfrei teilnehmen. Ein Restrisiko genau zum wichtigsten Zeitpunkt ins Funkloch zu fahren, bleibt natürlich bestehen. Und dass die dröhnende Ansage im Bahnhof Hildesheim genau zu dem Zeitpunkt kommt, als ich die Schlussfolgerungen aus dem Meeting zusammenfassen will – sei´s drum 😉.

Das Coworking am Hauptbahnhof erweitert das Spektrum der Angebote. In der ganzen Stadt wächst die Zahl unterschiedlicher Coworkings. So praktisch das ungestörte Arbeiten in professioneller Umgebung ist, so inspirierend kann das Arbeiten im Café sein. Besonders dann, wenn das Ganze auf Coworker eingerichtet ist – genug Steckdosen, genug Platz auf dem Tisch und klare Signale, dass man zum Arbeiten willkommen ist. Im Spreegold in Berlin konnte ich so ein paar Stunden am Stück inspiriert arbeiten und lecker essen.

Es ruckelt noch

Doch so reibungslos klappt das mit dem Arbeiten unterwegs nicht immer. Auf dem Hinweg will ich ein paar Rückrufe machen – die Handyverbindung ist so schlecht, dass ich davon schnell wieder absehe. Das WLAN ist genau in meinem Wagen defekt – also umziehen. Auch in der Stadt selbst ertappe ich mich des Öfteren beim Vergleich von Handy-Empfang und WLAN-Geschwindigkeit mit Dubai, Thailand oder Mallorca…. –  manchmal braucht man echt Geduld – und das mitten in der deutschen Hauptstadt.

Die Grundbotschaft aber ist: es entwickelt sich. Zahl und Qualität von „Dritten Orten“ zum Arbeiten steigen in erfreulichem Maße. Das ist gut so. So wird es normal, mit wenig Aufwand per App seinen Platz zu buchen und sicher sein zu können, dass man die Arbeitsumgebung findet, die man gerade braucht und wo man sie gerne hätte – inspirierendes Café, ruhiges Coworking oder abgeschlossener Meetingraum mit Video-Equipment.

Natürlich läuft die Entwicklung nicht überall gleich schnell und da muss noch eine Menge in die Infrastruktur und gute Angebote investiert werden. Das wird Fahrt aufnehmen.

Meine Tour in Berlin hat allerdings eine andere Facette des mobilen Arbeitens bewusst gemacht, die oft noch zu kurz kommt in der Diskussion.

Wir sprechen oft über die Arbeitgeberseite. Stellt der Arbeitgeber gute Tools zur Verfügung? Besteht eine Offenheit und Toleranz fürs remote-Arbeiten? Sind Führungskräfte mobil genug in Kopf und Führungshaltung?

Doch es gibt noch eine zweite Seite der Remote-Kompetenz:
die auf Seiten des Menschen, der mobil arbeitet – ob Führungskraft oder nicht.

Wer´s mag und kann, arbeitet remote hoch produktiv.

Doch das ist weder selbstverständlich noch jedermann´s und jederfrau´s Sache.

Sind Sie remote kompetent

Wenn die technischen Möglichkeiten bestehen, heißt das noch lange nicht, dass sie für jeden Menschen passen. Das fängt damit an, dass das Spektrum der Möglichkeiten des mobilen Arbeitens vom Arbeiten im Homeoffice in den vertrauten vier Wänden auf der einen Seite bis zum Arbeiten in wirklich mobilem Kontext auf Reisen wie hier beschrieben reicht.

Wer als Persönlichkeit Wert legt auf Beständigkeit, Ruhe und Routine, für den sind die sehr mobilen Formen bestenfalls eine Notlösung. Doch auch für diejenigen, die prinzipiell ein mobiles Arbeiten gut finden, stellt es eine Herausforderung dar, sich so zu organisieren und zu steuern, dass wirklich produktive Tage entstehen. Ich übe das ja nun selbst schon ein paar Jahre – sei es beim „Arbeiten in der Sonne“, beim Schreiben meines Buches oder früher schon beim Arbeiten auf Geschäftsreisen.

Was meine ich damit?

Sie brauchen eine gute Fokussierung und Konzentrationsfähigkeit. Dann hilft die inspirierende Umgebung zwischen Konzentrationsphasen wieder auf neue Gedanken zu kommen. Wer sich nicht voll auf sein Thema konzentrieren kann und sich ständig ablenken lässt, hat in belebten Cafés keine Chance auf hohe Produktivität.

Sie sollten reise-resilient sein. Wer schnell Stress hat, wenn sich ein Zug verspätet, der nächste Anschluss nicht klar ist oder das Einchecken im Hotel etwas dauert – für den ist das kein Spaß. Je gelassener und freudiger man das Reisen an sich handhaben kann, desto eher kann ich Reise und Umgebung als Inspiration nutzen und bei meinen Themen bleiben.

Mobiles Arbeiten kann an so lästigen Dingen scheitern wie fehlenden Adaptern, zu wenig Strom im Akku oder nicht vollständig digital verfügbaren Daten. Ich erinnere mich an viele ärgerliche Szenen, wenn ich meine inzwischen ziemlich perfektionierte Technik-Ausstattung im Rucksack sehe. Da steckt ebenfalls eine Menge Lehrgeld drin.

Wie es auf der einen Seite wichtig ist, dass Unternehmen mobiles Arbeiten ermöglichen,
ist es auf der anderen Seite wichtig, dass mobil arbeitende sich so organisieren, dass sie für alle Kollegen und Kunden genauso produktiv sind wie im Büro.
Erst dann wird ein Schuh draus.

Ein weiterer Aspekt ist die Bereitschaft und Offenheit, Gewohnheiten in Frage zu stellen und sich unter Nutzung neuer Möglichkeiten auch zeitlich anders zu organisieren. Dann erst entfalten die neuen Möglichkeiten mobilen Arbeitens und Reisens ihr ganzes Potenzial.

Reisen und Arbeiten neu kombiniert

Der Beginn meiner Tour war eine ganz normale Dienstreise.

Anlass war Impuls-Workshop mit einer tollen Gruppe von Inhabern großer Facharztpraxen. An einem Samstag Vormittag haben wir 90 min lang intensiv Strategien gegen den Fachkräftemangel beleuchtet. Hat Spaß gemacht, so viele Tipps und Erfolgsfaktoren in so ein kompaktes Format zu packen. High Speed Impulse, viel Futter in kurzer Zeit und eine muntere Diskussion mit vielen Fragen und tollen Beispielen im Erfahrungsaustausch. Wie führen? Was bieten? Wie neue Leute finden?

Danach habe ich mein Schwester und ihre Familie in Berlin besucht, mich mit einem Geschäftspartner verabredet und habe die schon erwähnte produktive Arbeitssession im Café genutzt. Dazwischen blieb Zeit für reichlich Berlin-Eindrücke.

Normalerweise – also früher – hätte man jetzt Sonntag Nachmittag die Rückreise angetreten – in einem sonntags immer überfüllten Zug. Dann kommt man spät Abends müde an und startet am nächsten Morgen in Meetings und Termine. Wirklich zuhause mit Zeit für die Familie ist man dann eh erst Montags Abends.

Nutzt man mobiles Arbeiten geht es auch so: Ich habe den Sonntag Abend noch in Berlin genutzt und meine Meetings am Montag morgen aus dem Hotel gemacht. Bin dann zum Hauptbahnhof gewechselt. Dort habe ich dann in meinem Fall noch die neue Coworking-Option erkundet (s.o. – beim nächsten Mal würde ich einen Teil der Meetings von hier aus erledigen) ehe mein Zug abfuhr. Montags Nachmittag sind die Züge leer, die Fahrt entspannt. 2 weitere Meetings haben online auch unterwegs geklappt. Die Arbeitszeit im Zug ist für mich mindestens so produktiv, wie die am Schreibtisch.

Ursprünglich hatte ich sogar vor, gleich Montags morgens zurück zu fahren. Das Risiko, für meine Gesprächspartner dabei doch zum Ärgernis zu werden durch ständige Unterbrechungen war mir dann doch zu groß. Das geht vermutlich erst, wenn die Bahn Coworking-Wagen einführt mit Video-Call-Boxen.

Das Ergebnis: ein vollständig produktiver Arbeitstag, während ich mich von Berlin nach Kaiserslautern bewege. Die Reise läuft quasi nebenbei und kostet keine Zeit. Je nach Abfahrtszeit kommt man zur gleichen Zeit nach Hause, wie man sonst aus dem Büro gekommen wäre. Ich hatte aber zusätzlich einen schönen Abend am Zielort und konnte wesentlich entspannter reisen als übermüdet und unproduktiv zu später Stunde am Vorabend.

Die Botschaft: probieren Sie mal Varianten mobilen Arbeitens aus. Sammeln Sie Erfahrungen und erweitern Sie Ihr Spektrum an Arbeitsformen. Für sich selbst wie für Ihre Mitarbeiter lohnt es sich, nicht nur über die Möglichkeiten und die Technik nachzudenken. Entwickeln Sie ihre „Remote-Kompetenzen“, tauschen Sie sich aus und erschließen Sie sich die neuen Möglichkeiten des Arbeitens.

Hohe Produktivität bei gleichzeitig hoher Lebensqualität können das Ergebnis sein.
Das lohnt sich.