Wie Austrittsgespräche gelingen können

Manchmal frage ich Geschäftsführer und Führungskräfte, warum Mitarbeitende das Unternehmen denn verlassen hätten.

Was höre ich dann?
„Ja, gute Frage….“
„Hmm. Das weiß ich eigentlich nicht.“
„Ich vermute, das hatte mit der Situation xy zu tun.“

Es ist extrem selten, dass mir Entscheider aus dem Unternehmen zu dieser Frage sehr konkrete und klare Aussagen machen können.

Würde man es mit den berühmten Affen aus dem Bild oben halten, könnte man denken

„Ist ja auch schlauer.
Besser nicht fragen, nicht hinschauen und sich stumm stellen.“

„Schade, wenn jemand das Unternehmen verlässt – aber so ist das halt. Die genauen Gründe erfährt man eh nicht und Reisende soll man nicht aufhalten…“ höre ich auch öfters.

Ist das bequem? Ja. Schlau ist es sicher nicht.

Vor allem verschenken Sie eine ungeheuer wertvolle Quelle für wichtiges Feedback.

Feedback ist das Frühstück für Champions

Sind Sie bereit?

Das müssen Sie nämlich sein, wenn Sie wirklich zum Champion werden wollen. Sie brauchen den Mut und die Bereitschaft, wirklich hinzuschauen und hinzuhören, wo es wehtut. Ja, das kann schmerzhaft sein – doch es lohnt sich.

Worauf will ich hinaus?

Es ist natürlich wichtig, die vorhandenen Mitarbeiter zu fragen, was sie gut finden. Doch wenn sich Menschen für das Verlassen des Unternehmens entschieden haben, bietet das die Chance sehr viel zu lernen.

Deswegen sollten Sie unbedingt Austrittsgespräche führen.

Das Idealbild: Sie führen am Ende der Zusammenarbeit ein sehr ehrliches und offenes Gespräch, versuchen zu ergründen und zu verstehen, was zum Abschied geführt hat und nutzen die Erkenntnisse, ihre Unternehmenskultur, Führung und Personalarbeit zu reflektieren und zu verbessern.

Warum Austrittsgespräche so wertvoll sind

Hat sich jemand für einen beruflichen Weg außerhalb Ihres Unternehmens entschieden, gibt es keinen Grund, Ihnen nach dem Mund zu reden. Die Chance ist groß, dass Sie ein Feedback bekommen, das viel offener, klarer und pointierter ist, als Sie es sonst zu hören bekommen.
So wie es manchmal leichter ist zu formulieren, was man nicht will, ist es auch manchmal ertragreicher zu verstehen, warum jemand sich gegen das Unternehmen entschieden hat. Diese Chancen sollten Sie sich nicht entgehen lassen.
Allerdings liegt die Hürde hoch.

Wertvoll sind Austrittsgespräche nur, wenn Sie ein ehrliches und offenes Gespräch führen. Das wiederum ist gar nicht so einfach. Je nachdem, wie der Trennungsprozess insgesamt gelaufen ist, kann es gut sein, dass die Beziehung zum bisherigen Mitarbeiter nicht ganz unbelastet ist.
Vielleicht ist man dann ganz froh, die letzten Wochen mit Anstand hinter sich gebracht zu haben.
Manchmal sind Chefs persönlich beleidigt, weil jemand geht, auf den sie gebaut hatten. Keine gute Voraussetzung für ein wertvolles Feedbackgespräch.
Und Mitarbeitende sind auch oft erleichtert, wenn die letzten Tage möglichst entspannt ablaufen – ein durchaus schwieriges Gespräch wird gerne vermieden, wenn es nicht sein muss.

Wie Sie Augenhöhe herstellen

Wie auch bei anderen Mitarbeitergesprächen ist die Vertrauensgrundlage entscheidend. Deren Ursachen liegen tiefer. Hatten Sie jahrelang eine sehr offene und persönliche Gesprächsebene, dürfte auch ein Austrittsgespräch vergleichsweise gut gelingen.
Hatten Sie viel Abstand oder gar Spannungen, liegt die Latte noch viel höher.
Soll ein Austrittsgespräch seinen Zweck erfüllen, können Sie auf ein paar Aspekte achten.

Terminieren Sie das Gespräch zu einem Zeitpunkt, an dem die Formalien der Trennung alle erledigt sind. Arbeitszeugnis geschrieben, Übergabe erledigt und alles organisatorische geklärt – das ist eine gute Voraussetzung für ein gutes Gespräch.
Was für andere Mitarbeitergespräche gilt, ist auch hier wichtig: Informieren Sie vorher über die Intention des Gesprächs. Geben Sie Ihrem Mitarbeiter die Gelegenheit, sich anhand einiger Fragen auf das Gespräch vorzubereiten.

Wenn Sie glaubhaft vermitteln können, dass sie wirklich verstehen und lernen wollen, ist die Chance groß, dass Menschen ihre ehrliche Meinung kundtun.
Haben Menschen Angst vor lästigen Diskussionen oder gar Vorwürfen, werden sie sich dieser Situation zu entziehen versuchen. Verständlich.

So gelingen Austrittsgespräche

Es gibt verschiedene Meinungen darüber, wer solche Gespräche führen sollte. Gibt die Qualität Ihrer Beziehung es her, würde ich immer als Geschäftsführung, Inhaber oder Führungskraft das Gespräch selbst führen wollen. Dennoch kann es klug sein, dass z.B. ein Mitarbeiter der Personalabteilung oder ein Teammitglied einer Projektgruppe Arbeitgeberstrategie ein solches Gespräch führt – ohne das Machtgefälle zu Chef oder Chefin.

Entscheidend ist am Ende, in welcher Konstellation ehrliches Feedback eingeholt werden kann.

Ist die Absicht des Gesprächs klar, kommt der inneren Haltung enorme Bedeutung zu. Stellen Sie sich darauf ein, vor allem zuzuhören und zu hinterfragen. Rechtfertigungen und Diskussionen bringen auch sonst wenig – hier sind sie völlig überflüssig. Die Entscheidung ist ja gefallen.
Nutzen Sie kluge Fragen und versuchen Sie, wirklich zu verstehen, wo die Arbeits-Beziehung einen Knacks bekommen hat. Wann ist der Entschluss gereift, das Unternehmen zu verlassen? Was war der Grund? Gab es einen Auslöser? Hat Dich etwas geärgert, verletzt, enttäuscht?

Man kann auch fragen „Unter welchen Umständen würdest Du wieder bei uns anfangen?“ oder „Würdest Du unser Unternehmen als Arbeitgeber weiterempfehlen? Für wen und für wen nicht?“
Worauf Sie Wert legen, kann sehr unterschiedlich sein. Sie können nach der Unternehmenskultur fragen. Sie können den persönlichen Weg einer Person im Unternehmen nochmal nachzeichnen und reflektieren. Sie können die Führungsqualität beleuchten und die Stimmung im Team.
Nutzen Sie auch die Sicht der sich verabschiedenden Person „Wenn Du frei entscheiden könntest, was hättest Du anders gemacht?“.

Man sieht sich immer zweimal – mindestens

Es gibt ja oft eine offizielle „Story“, die Menschen über das Verlassen eines Unternehmens erzählen. Manchmal gibt es sogar mehrere. Eine für den alten Chef und die Firma und eine für die persönlichen Freunde.

Dabei ist es ja völlig in Ordnung, eine „offizielle“ Story zu erzählen.

Das Ziel der Austrittsgespräche ist es,

möglichst die wahre Geschichte zu kennen und zu verstehen.

Geht es dabei vor allem um die Vergangenheit, so kann auch ein Blick in die Zukunft wertvoll sein. Schafft man einen guten Abschluss, kann das tatsächlich die Grundlage für eine erneute Zusammenarbeit in der Zukunft sein. Gar nicht so selten, kommen Menschen nach einigen Jahren und neuen Erfahrungen gerne wieder ins Unternehmen zurück – zumindest, wenn sie wissen, dass sie wieder willkommen sind.

Manch ehemalige Mitarbeiterin wird vielleicht am neuen Arbeitsplatz zum Kunden oder Kooperationspartner – oder zum freiberuflichen Berater. Wer weiß.

Und haben Sie Einrichtungen wie ein Alumni-Netzwerk und Veranstaltungen für Ihre Ehemaligen, dann können konkrete Anlässe für weitere Kontakte schon besprochen werden.

Aller Anfang ist schwer

Je kritischer Trennungsprozesse verlaufen, desto schwieriger sind gute Austrittsgespräche. Desto wichtiger sind sie aber auch. Schaffen Sie eine Routine und finden Sie eine passende Form für gute Gespräche. Trauen Sie sich in die Offenheit und Bereitschaft, zuzuhören – gerade dort, wo es vielleicht schmerzhaft ist.

Diese Botschaften sind unbezahlbar. Noch etwas zum Troste: Sie müssen nicht mit jedem Feedback einverstanden sein. Vieles hat mit der Firma, mit Ihnen zu tun – aber Feedback sagt auch immer viel über die Person aus, die es formuliert. Es ist Ihr Privileg, nach solchen Gesprächen Ihre Schlüsse zu ziehen. Sie entscheiden, was Sie sich zu Herzen nehmen, was Sie verändern wollen und wo Sie alles so ok finden, wie es ist.

Aber auch hier gilt – je besser Sie sind, desto leichter wird es.

Dass wir in unseren Unternehmen in den letzten Fällen sehr sehr gut gelungene Trennungsprozesse hatten, darüber habe ich berichtet. Dann sind natürlich auch Austrittsgespräche viel leichter.

Bei meinem letzten Austrittsgespräch nach gut 8 Jahren Zusammenarbeit, saßen wir insgesamt fast 3 Stunden zusammen. Es war zwar ein sehr angenehmes und persönliches Gespräch – und dennoch konnte ich viele Erkenntnisse mitnehmen, für die sich sehr dankbar bin.
Das ist im Übrigen auch eine deutliche Form von Wertschätzung, wenn Menschen beim Gehen ihre Wahrnehmungen und Verbesserungsvorschläge  so anbringen können und gehört werden.

Diese Qualität steht für großartige Arbeitgeber.

Wenn Sie den Mut haben, auch dort hinzuhören, wo es wehtut,
werden auch die Austrittsgespräche mit der Zeit immer besser
– und im Idealfall seltener 😉 😉

Wer den Mut oder die Zeit dazu nicht hat und es eher hält wie die 3 Affen, hat es vielleicht bequemer. Kurzfristig.
Das sind die Arbeitgeber, die dann über den Fachkräftemangel jammern und nicht verstehen, warum Menschen gegangen sind.
Ich möchte, dass Sie zur ersten Gruppe gehören.

Podcast – Wertvolle Erkenntnisse durch Austrittsgespräche

Austrittsgespräche können wertvolles Feedback für Unternehmen und Führungskraft zutage fördern – wenn eine Atmosphäre des ehrlichen und offenen Austausch herrscht. Was es zu beachten gibt können Sie auch im Podcast noch einmal näher erfahren.

2022-09-09T12:12:36+02:00
Nach oben