Die Forderungen nach längerer Arbeitszeit geistert in politischen Diskussionen

42 ist ja bekanntlich die Antwort auf alles – zumindest bei Douglas Adams´ „Per Anhalter durch die Galaxis“.

Bei der wöchentlichen Arbeitszeit der Zukunft ist sie das definitiv nicht.

Rein mathematisch mag die Idee ja nachvollziehbar sein, die der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Prof. Dr. Michael Hüther vor einigen Wochen in die Diskussion geworfen hat: wir sollten zu einer Wochenarbeitszeit von 42 Stunden kommen.

Siegmar Gabriel ist gerade auf den Zug aufgesprungen.

Was ich davon halte?

Ich finde das völlig aus der Zeit gefallen und kontraproduktiv.

Der Vorschlag zeigt in die völlig falsche Richtung.
Die meisten Menschen wollen eher weniger arbeiten als 40 Stunden.

Menschen suchen nach Flexibilität und viele sind bereit, für mehr Freizeit und Freiheit auf Gehalt zu verzichten – zumindest unter den aktuellen finanziellen Bedingungen.

Eine standardmäßige Verlängerung der Wochenarbeitszeit ist als Diskussionsbeitrag von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Ich vermute auch, dass der Beitrag eher ein Weckruf, ein Testballon oder einfach nur eine gut funktionierende Provokation sein sollte.

Wie gesagt – mathematisch hat das eine Logik – fehlen Leute, müssen die anderen halt mehr arbeiten.

Doch ich sehe eine ganz andere Gefahr. Bestärkt eine solche Forderung doch altes Denken konservativer Arbeitgeber und weckt falsche Hoffnungen. Das Gegenteil wäre viel wichtiger.

Lassen Sie mich von einem Dialog berichten und dann ein paar aus meiner Sicht klügere Fragestellungen aufwerfen.

„Keiner will mehr Vollzeit arbeiten“

Ich hatte kürzlich ein sehr nettes Gespräch mit einer Unternehmerin.

Eigentlich zwei.

Das erste vor ein paar Wochen am Rande einer Veranstaltung. Sie hatte vorher das Fehlen von Mitarbeitern beklagt, die bereit seien, Vollzeit im Fach-Einzelhandel zu arbeiten.

Als Kunde erwarte jeder Ladenöffnungs- und Service-Zeiten, am besten von 8 bis 18 Uhr. Auf der Mitarbeiterseite aber fehle die Bereitschaft, diese langen Zeiten auch selbst zu leisten.

So verständlich die Klage auch ist, ich habe ihr von den Trends zu flexibleren Arbeitsmodellen und guten Beispielen berichtet. Verbunden mit dem Appell, hier viel offensiver Flexibilität anzubieten.

Ich habe ihr von meinem Zahnarzt berichtet. Den hatte ich mal unter anderem ausgewählt, weil er Öffnungszeiten bis 21 Uhr hat. Damit konnte ich Bohren und betäubte Mundpartien in den Feierabend verlagern. Ich fand das klasse, naja – zumindest weniger schlimm.

Seine Öffnungszeiten gehen sogar noch weiter – Montag bis Freitag von 7 bis 21 Uhr und am Samstag bis 14 Uhr. Wie er das macht? Mit 4 Zahnärzten im Wechsel und zwei Schichten im Team.

Die Mitarbeiterinnen sind begeistert und können eine Woche vormittags und eine Nachmittags arbeiten. Das bringt Flexibilität für alle und lange Servicezeiten für die Kunden.

Natürlich ist das komplexer. Natürlich braucht man mehr Leute.

Aber es geht. Mitarbeitende sind zufriedener, können die Arbeit mit dem Privatleben besser verbinden und kommen damit eher zu dieser Praxis als zu einer anderen.

Meiner Einzelhändlerin erzählte ich von diesem Beispiel und von einigen anderen – mit 3-Tage-Wochen, Job-Sharing und mehr. „Frau A., wir dürfen da als Arbeitgeber viel flexibler werden“ – so oder ähnlich war meine Aussage.

Jetzt trafen wir uns wieder. Im Gespräch mit einigen Unternehmerkollegen berichtete sie von einem Dialog in ihrem Betrieb. Ihr Verwaltungschef klagte über die fehlende Bereitschaft zur Vollzeitarbeit 😉.

Als sie vehement widersprach und deutlich machte, dass man da umdenken und viel mehr in Teilzeitmodellen denken müsse – da hatte sie die Verblüffung auf ihrer Seite.

Recht hat sie halt auch.

Schön, wenn Gespräche und Impulse so schnell wirken 😉 😉 😉 .

42 Stunden, 70 Jahre und kein Ende

Doch zurück zum gesellschaftspolitischen Diskurs.

Wir brauchen keine aussichtslose Diskussion um verpflichtende längere Arbeitszeiten. Die sind genauso wenig durchsetzbar wie ein verpflichtendes Renteneintrittsalter von 70 oder 72 Jahren.

Was wir brauchen sind mehr Flexibilität und bessere Anreize.

Flexiblere Arbeitsmodelle im Alter.

Diskutiert man die Rente mit 72, kommt sofort die Argumentation mit dem Dachdecker, dem man doch nicht die harte Arbeit auf dem Dach in hohem Alter zumuten könne. Das ist ein Totschlag-Argument. Niemand will das.

Doch plötzlicher Ruhestand ist gefährlich. Wussten sie, dass die Sterberate direkt nach dem Renteneintritt rapide in die Höhe schnellt?

Wenn Sie die nächsten 2 Jahre überstanden haben, steigt die Lebenserwartung wieder an.

Das ist tragisch, aber leider wahr.

Es wäre klug, viel flexiblere Modelle des freiwilligen längeren Arbeitens zu etablieren. In Zeiten des Fachkräftemangels sollten Firmen dankbar sein für jeden erfahrenen Ingenieur, Handwerker oder sonstige Expertin, die gerne noch ein paar Jahre lang für ein paar Stunden pro Woche mit an Bord sind.

Dafür brauchen wir Beispiele, Regelungen und Anreize.

Nicht einfach mehr arbeiten – sondern innovativer sein!

Der Forderung nach 42 Stunden liegt die Annahme zugrunde, dass wir zu viel Arbeit haben. In gewisser Weise  stimmt das zwar. Statt einfach mehr zu arbeiten, könnte man aber auch innovativer sein.

Wir brauchen mehr und schnellere Innovationen. Würden wir Arbeiten schneller digitalisieren und Fortschritt beschleunigen, könnten Menschen für wichtigere Aufgaben schneller freigeschaufelt werden.

In Deutschland herrscht Chaos am Flughafen, in anderen Ländern läuft es besser – auch weil viele Abläufe längst durchdigitalisiert sind.

Es gibt so viele unsinnige Jobs – so lange wir uns noch Wettbüros, nervige Callcenter und unnötige Bürokratie leisten können, brauchen wir nicht über längere Arbeitszeiten nachdenken.

Da sind wir wieder beim heilsamen Leidensdruck des Fachkräftemangels – erst wenn es weh tut, werden sinnvolle Automatisierungen vorgenommen und mögliche Fortschritte auch umgesetzt.

Flexibler ist das wahre Mehr!

Statt einfach länger zu arbeiten, sollten wir mehr Flexibilität anbieten. Dann können mehr Menschen arbeiten und in Summe wächst die Arbeitszeit – auch wenn einzelne kürzer arbeiten.

Natürlich soll gerne auch mehr arbeiten, wer das will. Hier sollten wir weniger enge Grenzen setzen – denken wir nur an unser restriktives Arbeitszeitgesetz.

Klügere Systeme statt platte Forderungen!

Wer es wirklich grundsätzlich will, sollte eine Ebene höher ansetzen. Statt längere Zeiten vorschreiben zu wollen, sollten wir Arbeiten vielleicht insgesamt attraktiver machen. Warum lasten so hohe Steuern und Abgaben auf etwas, dass wir eigentlich fördern wollen?

Wie könnte Arbeit weniger stark besteuert und durch Abgaben belastet werden?
Wie könnte ein Rentensystem aussehen, dass nicht die Arbeitsstunde wie den Staatshaushalt immer stärker belastet?

Wenn Mehrarbeit oder Zusatzarbeit weniger stark belastet wäre,
wenn Nebentätigkeiten oder Selbständigkeit unbürokratischer funktionieren würden,
dann entstünden zusätzliche Arbeitskapazitäten ganz von allein.

Aber natürlich ist es viel bequemer, eine plakative Forderung in die Diskussion zu werfen.

Die gesellschaftspolitische Diskussion wird sicherlich in diesem Thema auch nach der Sommerpause munter weitergehen.

Für die erfolgreiche Zukunft der Arbeit sind andere Denkansätze erfolgversprechend.
Mehr Flexibilität und pfiffige Modelle für unterschiedliche Arbeitsformen
– das wird erfolgreiche Arbeitgeber auszeichnen.

Lassen Sie sich nicht durch Pseudo-Lösungen zu rückwärtsgewandten Haltungen verführen.