Wie spielen Sie?

Fußball ist ja nicht immer ein guter Vergleich zu Unternehmen. Aber manchmal drängt er sich doch auf.

So diese Woche als Jürgen Klopp seinen Abschied aus Liverpool verkündet hat.

Warum?

Nun ja – zumindest nach allem, was ich auf Presseberichte gestützt, wahrnehmen kann, ist das mal wieder ein gutes Beispiel gekonnter Führung.

Nicht nur, dass ihm die Art der Kommunikation gut und glaubwürdig gelungen ist.

In einem weiteren Artikel las ich über die Zukunft der wichtigsten Spieler und warum deren Verträge nicht längst über den nächsten Sommer hinaus verlängert wurden.

Begründung: Der Club war zwar seit geraumer Zeit über Klopps Entscheidung informiert. Man wollte aber keine Spieler zur Vertragsverlängerung animieren, so lange die Entscheidung des Trainers nicht kommuniziert war.

Wenn das Bild so stimmt, hat man viel richtig gemacht:

Frühzeitige, offene Kommunikation intern.
Ein klug gewählter Zeitpunkt und eine gekonnte Form extern.
Ein fairer Umgang mit den Beteiligten und Betroffenen.

Nicht schlecht und durchaus ein gekonntes Beispiel für gelungene Kommunikation bei Führungsveränderungen.

Spielsysteme

Auch in anderer Hinsicht kann der Blick ins Fußballerische interessante Erkenntnisse für die Entwicklung von Organisationen bieten.

Denken wir an Spielsysteme.

Im Fußball geht es um hohes Pressing, viel Ballbesitz, 3-er, 4-er oder 5er-Kette oder hängende und rotierende Spitzen.

In Unternehmen geht es eher um Hierarchien, Matrixorganisation, agile Rollenkonzepte oder holokratische Circles.

Jetzt kann man herrlich streiten, welches System das beste sein mag. Das wird auch reichlich getan.

Doch mit welchem Ertrag?

Denn erfolgreich sind nun eben gerade nicht nur das eine oder das andere System. Andere Faktoren scheinen viel erfolgsentscheidender zu sein.

Spielsystem muss zu Spielern und Kultur passen

Es ist ein wenig wie die Frage nach Henne oder Ei. Man kann ein Spielsystem wählen und dann die dazu passenden Spieler einkaufen. Das ist im Fußball gar nicht so selten. Teuer – aber möglich.

In Unternehmen geht das höchstens, wenn man neu gründet und auf der grünen Wiese startet. Im Regelfall hat man eine sehr viel höhere Kontinuität im Team als im Spitzenfußball. Das hat viele Vorteile. Bei der Wahl des Spielsystems aber schränkt es die Optionen ein.

Es dürfte schwer sein, in einer konservativen und sicherheitsorientierten Firmenkultur ein extrem agiles, freiheitsorientiertes und selbstorganisierendes System einzuführen. Das passt nicht zu den Bedürfnissen und Stärken der Leute und dürfte zum Scheitern verurteilt sein.

Umgekehrt kann ich ein freiheitsliebendes eigenverantwortliches Team durch eine strikt vorgaben- und prozessorientierte Unternehmensführung völlig verprellen und seiner Produktivität berauben.

Deswegen ist es so trügerisch und gefährlich, wenn ein Manager, Inhaber oder Personaler irgendwo da draußen ein tolles neues Organisationskonzept kennengelernt hat und damit seine Firma beglücken will.

Mein Impuls dazu: gerne offen und interessiert Systeme anschauen und neugierig sein. Aber achtsam und überlegt prüfen, ob und was wirklich im eigenen Umfeld, mit den vorhandenen Menschen und aufbauend auf die eigene Firmenkultur passen und funktionieren kann.

Ein gewisses Maß an Herausforderung und Veränderungsbedarf kann wertvoll und fruchtbar sein, kann neuen Schwung in die Firma bringen. Aber zu viel ist meist zum Scheitern verurteilt.

 

Wirksam kann nur sein, was verinnerlicht ist

oder – wenn man eine echt platte Fußballweisheit bemühen will: „Die Wahrheit liegt auf dem Platz“.

Bringt ein neues oder verändertes Spielsystem keine schnellen Ergebnisse, lassen die Rufe nicht lange auf sich warten „Das System funktioniert nicht“.

Dabei liegt die Ursache des fehlenden Erfolgs häufig gar nicht im System. Oft wurde dessen Essenz gar nicht so in der Tiefe verstanden oder für die Anwendung im Alltag verinnerlicht, dass der Ansatz seine Wirkung entfalten konnte.

Was helfen Prozessverantwortlichkeiten, wenn das Procedere der Prozessevaluation und -verbesserung gar nicht verstanden und erprobt wurde?

Was helfen Circles, wenn niemand die Moderation richtig gelernt und eingeübt hat?

Was helfen Projektboards, wenn die Anwendung der dazu ausgewählten Software nicht von allen Beteiligten gekonnt und gemocht wird?

Viel zu schnell ist man dabei, den ausbleibenden Erfolg auf ein System zu schieben.
Das ist entschieden bequemer als mit Nachdruck dafür zu sorgen, dass das als aussichtsreich ausgewählte System Schritt für Schritt wirklich implementiert und optimiert wird.

 

Nicht kirre machen lassen

Ein weiterer Fehlschluss ist das ständige Springen von Konzept zu Konzept. Das ist gar nicht so selten. In Firmen mit häufig wechselnden Führungskräften bringen neue Köpfe oft auch neue Konzepte mit.

Was erfrischend daher kommen mag. führt oft zu Frust und Resignation. Sind Teams und Belegschaften erst mal richtig „durchge-changed“ kehrt meist Resignation ein. Man härtet ab und nimmt neue Anläufe von vorneherein nicht mehr ernst.

Gerade wer als Unternehmer oder Unternehmerin oder als Führungskraft Augen und Ohren offen hält und sich über Management-Methoden auf dem Laufenden hält, ist hier in Gefahr.

Man kann da schnell den Überblick verlieren, wenn man all die wohlklingenden neuen Organisationsmodelle und -methoden so hört.

Wer wie ich das Kommen und Gehen von Methoden über zwanzig oder dreißig Jahre verfolgt hat, wird da gelassener. Ich finde es eine gute Übung, beim Blick auf neue Methoden zwar neugierig zu sein und die Essenz zu verstehen.

Dann aber hilft es oft, mal die Luft aus den wohlklingenden Namen entweichen zu lassen. Da ist oft viel Marketing rund um den berühmten alten Wein in neuen Schläuchen.

Wobei alter Wein ja nicht schlecht sein muss. Im Gegenteil. Ich stelle immer wieder fest, dass die wirklich wirksamen und wertvollen Ansätze oft alles andere als neu sind. Spektakulär sind sie oft auch nicht.

Aber eben wirksam, wenn man sie verstanden hat und wirklich gekonnt und konsequent anwendet.

Haltet durch! – nicht auf halber Strecke aufgeben

Und damit kommen wir zu einem Schlüssel zur Spitzenleistung: Ausdauer und Durchhaltevermögen. Die Bereitschaft, etwas so lange zu verbessern, zu verfeinern, weiterzuentwickeln, bis es wirklich großartige Ergebnisse produziert.

Denkt man das auf das „Spielsystem“ im eigenen Unternehmen, sind die Botschaften aus meiner Sicht eher die Folgenden:

Wenn Du ein System eingeführt hast, dann bleib diesem Ansatz treu und gebt Euch die Zeit, ihn wirklich zu einer gewissen Perfektion zu entwickeln.

Wiederholung schafft Spitzenleistung. Ob man jährliche Mitarbeiterdialoge nimmt, die kontinuierliche Prozessverbesserung, agile Rollenkonzepte, gutes Projektmanagement oder selbst-steuernde Circles – richtig gut werden die meisten Ansätze erst nach einigen Durchläufen und Lernschleifen.

Das kann naturgemäß ein paar Jahre dauern. Das erfordert Geduld und Ausdauer und damit auch eine gewisse Gelassenheit gegenüber den Versuchungen und scheinbaren Neuerungen in der Welt der Unternehmensentwicklung.

Das Faszinierende dabei: Irgendwann ist man über den Berg und ein gut eingespieltes, zur Firma passendes Spielsystem entfaltet sein Potenzial. Dann wird es extrem produktiv.

Und das Beste: wer das beobachtet hat den Eindruck großer Leichtigkeit. Alles scheint wie von allein zu klappen und wirkt ganz einfach.

Diesen Zustand wünsche ich Ihnen.

Jeder, der ihn in Teilen seines Unternehmenssystems erreicht hat, weiß aber auch:

„Alles ist schwer, bevor es leicht wird.“

Das soll Sie nicht abschrecken. Im Gegenteil. Ich möchte eher dazu ermutigen, sich nicht kirre machen zu lassen. Bleiben Sie für gut befundenen Ansätzen treu, machen Sie sie besser und lassen Sie sich nicht zu früh vom richtigen Weg abbringen.

Das lohnt sich.