Wir brauchen mehr Lagerfeuer – Events der Zukunft

Können Sie sich noch erinnern?
An Ihre letzten guten Gespräche am Lagerfeuer?

Da sitzt man still und schaut gemeinsam in das Spiel der Flammen.
Es knistert. Es wärmt. Man kommt ins Gespräch. Ideen entstehen, Verbindungen wachsen.

So hat manche Kooperation, manches Unternehmen, manche Erkenntnis angefangen.
Ja – das ist schon ein tief sitzendes Bedürfnis.
„Lagerfeuer“ ist oft ein Gleichnis für diese besondere Qualität der Begegnung.

Bei Tagungen und Events entsteht diese Qualität oft an der Bar, bei der After-Show-Party oder in einem Pausengespräch – ja, und manchmal am Lagerfeuer.

Wie sehr uns das fehlt, spüren wir deutlich in den aktuellen Zeiten. Lagerfeuer-Atmosphäre schaffen bisher noch die wenigsten Online-Konferenzen.

Tagungen im Wandel

Viele etablierte Tagungen sind Corona zum Opfer gefallen. Manches wurde einfach abgesagt oder ausgesetzt. Anderes mehr oder minder gut ins Digitale verlagert. Hier bin ich ja selbst gerade häufig bei Vorträgen oder in der Moderation aktiv. Und als Teilnehmer habe ich Online-Formate ebenfalls sehr schätzen gelernt. Sind gut gemachte Online-Formate doch mega-effizient. Kein Reiseaufwand, meist niedrigere Kosten, höchst flexibel kann man sich die Teile aussuchen, die interessant sind. So konnte ich an viel mehr Events teilnehmen, als es sonst je möglich gewesen wäre.

Und dennoch: Sicher dürfte sein, dass es uns wieder zum gemeinsamen Erleben zieht. Zur Begegnung. An die Bar. Zum Lagerfeuer.Aber es wird nicht einfach wie früher – sondern hoffentlich besser! Finden oder besser fanden doch in der Vergangenheit viele Tagungen in ermüdend gleichförmiger Form statt: Als Aneinanderreihung irgendwie interessanter, aber doch austauschbarer Vorträge in unglaublich atmosphäre-freien Tagungshotels.

Da gibt es wahrlich Luft nach oben 😉.Wo die Reise hingehen kann und welche Chancen das beinhaltet – darüber spreche ich in der aktuellen Podcastfolge mit Jens Ihsen. Er ist Direktor der Düsseldorf Convention und ist an einem Forschungsprojekt beteiligt zur Zukunft von Events. Wie wir uns kennengelernt haben?
Naja – am Lagerfeuer. Zumindest im übertragenen Sinne. Bei der GSA-Convention, von der ich hier vor einigen Wochen berichtete, hat er mit interessanten Thesen zur Zukunft von Tagungen im Kreise erfahrener Redner und Event-Profis aufhorchen lassen. Mir war schnell klar „Wir müssen reden“.

Da ich nun gerade in Düsseldorf war und – das könnte nicht besser passen – den Readsummit der Fashion-Branche moderiert habe (Online-Veranstaltung, live gestreamt aus den Räumen der IGEDO Company in Düsseldorf), haben wir uns zum Gespräch verabredet.

Warum Tagungen und Events so wichtig sind

Für das Interview mit Jens Ihsen gibt es gleich mehrere Bezüge. So bin ich häufig auf Bühnen als Redner oder Moderator beteiligt und alleine deshalb schon an der Zukunft von Tagungen interessiert.

Jedes Unternehmen ist betroffen. Wie oft besuchen wir Tagungen, Kongresse und Events – zum Lernen, zum Kooperieren, zum Verkaufen oder zum Gewinnen neuer Mitarbeiter und Partner. Die Art wie wir das tun und die Effekte, die wir aus Veranstaltungen ziehen, werden sich verändern und wir können von neuen Formaten profitieren.
Doch es gibt noch eine Ebene: die Region, der Standort.
Jedes Unternehmen, das um Talente wirbt, „verkauft“ immer auch den eigenen Standort mit. Ist der Standort nicht attraktiv, wird es schwer, gute Leute in die Region zu gewinnen. Heißt im Umkehrschluss: es lohnt sich, sich zu engagieren für die eigene Region.

Im Rahmen einer klugen regionalen Entwicklungsstrategie können unverwechselbare und strategisch klug aufgesetzte Tagungen ein Booster für die Entwicklung sein. Betrachtet man den Wandel in der Arbeitswelt, lohnt sich der Blick auf die Veränderungen bei Tagungen und Events also gleich mehrfach.

Hybrid – gekommen, um zu bleiben

Jens Ihsen sagt „Wir werden weniger Events haben“. Die, die morgen noch eine Chance haben, müssen erlebnisorientierter sein, mehr Gelegenheiten zur Beteiligung bieten und vor allem braucht es einen klaren Grund, warum eine bestimmte Tagung an einem bestimmten Ort stattfindet.

Was wird sich bei der Tagung selbst verändern?
Das Digitale wird bleiben. Teilnehmer sind sehr viel besser informiert. Zur Wissensvermittlung brauchen wir kein Live-Event mehr. Menschen kommen vorbereitet, sind während des Events online und erwarten echten Mehrwert von der realen Veranstaltung.

Womit wir wieder beim Lagerfeuer wären. Oder beim intensiven Austausch, beim echten „Aus-dem-Nähkästchen-Plaudern“, beim Zeigen, beim Erleben.
Wer radikal denkt, könnte Formate überlegen, die sich auf Austausch und Begegnung fokussieren und die vielen Vorträge einfach weglassen. Die langweiligen jedenfalls. Das schafft Raum für Lagerfeuer.

Workation statt Event

Wer hier häufiger mitliest, erinnert sich an meine Berichte von den Netzwerktreffen des Citizen Circles. Dort ist schon länger Kultur, was für viele Branchentreffen und Kongresse ein Modell der Zukunft sein könnte:

Man trifft sich nicht einfach für 2 Tage in einem Tagungshotel, sondern bleibt wenigstens für 1 Woche am Ort des Geschehens. Um die festen Tagungs-Programmpunkte herum baut man sich ein Programm. Besucht Firmen vor Ort, trifft sich mit anderen Teilnehmern, vereinbart Kooperationen und konkretisiert Ideen. In diesem Fall sind auch die Orte noch besonders interessant. Auf unsere Winter-Konferenz freue ich mich jedenfalls schon sehr – sie wird im Januar auf Teneriffa stattfinden. Über eine gute Woche verteilt.

Solche Konzepte sind noch selten. Wer in Zeiten mobilen Arbeitens weiter denkt, entdeckt aber schnell, dass die Vorteile riesig sein können. Dabei muss der Ort nicht in der Sonne sein. Man kann seinen Arbeitsort für 1-2 Wochen an den Mittelpunkt seiner Branche verlagern. Die Tagung ist das Highlight, und drumherum lege ich mir Termine und pflege Kontakte.

Meine regulären Firmentermine nehme ich natürlich auch wahr – remote arbeiten geht ja nicht nur im Homeoffice oder am Strand. Man kann auch vom Hotel, Coworking-Space oder von einem befreundeten Unternehmen aus am wöchentlichen Status-Meeting teilnehmen und sich dann mit den Kollegen aus Portugal zum Essen treffen und die Entwicklungskooperation weiter denken.

Ich bin fest überzeugt, dass sich solche Formate entwickeln lassen. Dazu muss manch alte Gewohnheit losgelassen werden. Ein Veranstalter allein kann das kaum leisten. Unternehmen, Hotellerie, ja der ganze Standort kann und muss hier mitwirken – dann wird ein Schuh draus und der Ort ein Anziehungspunkt für die Branche.

Networking 365/24/7 und Standortmarketing

Eine andere Dimension ist das Networking. Den Begriff verwenden wir ja häufig in Bezug auf Tagungen. Doch Networking läuft das ganze Jahr über. Durch soziale Medien intensiviert und unterstützt. Durch digitale Tools ortsunabhängig erleichtert.

Dabei ist das kein Widerspruch zum realen Treffen bei Veranstaltungen. Im Gegenteil. Kennt man sich, ist schon im Austausch – freut man sich umso mehr auf ein reales Treffen.

Die Kontakte beginnen oft online,
am Lagerfeuer entsteht die Tiefe und
die laufende Zusammenarbeit erfolgt wieder digital.

Neue Tagungsformate lösen die Fokussierung auf wenige Termine auf. Stattdessen braucht es Netzwerke über einen längeren Zeitraum. Für eine Phase oder gar dauerhaft. Und an dieser Stelle kommt wieder die Region ins Spiel. Profiliert sich eine Region für ein bestimmtes Thema, kann eine klug aufgesetzte Tagung zum Leuchtturm werden. Außergewöhnliche Events machen auf die Region und ihre Unternehmen aufmerksam. Nicht nur Unternehmen als Arbeitgeber müssen sichtbar sein – Regionen müssen es auch.

So kommen Talente in die Region, siedeln sich Firmen an und es entsteht im Idealfall eine Spirale des Erfolgs. Während manche Menschen noch im Nachholmodus zurück zum alten Normal streben, machen sich kluge Regionen und Unternehmen Gedanken, wie sie ihre Region für die Zukunft positionieren.

Außergewöhnliche Events an besonderen Orten sind ein grandioser Hebel dazu. Nehmen wir ein sehr berühmtes Beispiel. Das Weltwirtschaftsforum in Davos. Auch das war eine Idee zwischen wenigen Menschen am Lagerfeuer. Welche Bedeutung das bekommen hat, wissen Sie. Jetzt muss es nicht gleich Davos sein. Was Ihre Übersetzung der Idee sein kann – dazu verabreden Sie sich am besten mal mit ein paar Gleichgesinnten am Lagerfeuer. Für weitere Ideen dazu, hören Sie in unser Podcast-Gespräch rein.

Podcast – Wie Events und Tagungen Unternehmen und Regionen voranbringen können

Wie werden sich Events und Tagungen in Zukunft entwickeln und wie können Regionen und Unternehmen sie strategisch klug einsetzen? Darüber spreche ich mi Jens Ihsen, Director Düsseldorf Convention. Er ist u.a. an einem Forschungsprojekt zur Zukunft der Events beteiligt. Hören Sie rein und hören Sie mehr zu Events der Zukunft.

2021-11-18T09:07:42+01:00
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