Sind wir alle zu faul?

Das arme Faultier kann ja nichts dafür, dass alle neidisch auf seinen gemütlichen Lebenswandel mit perfekter Work-Life-Balance zu sein scheinen. Regelmäßig muss das possierliche Tierchen wegen seines Namens herhalten, wenn mal wieder die angebliche Faulheit von Zeitgenossen an den Pranger gestellt werden soll.

Großartige Arbeitgeber – für alle

Letzte Woche habe ich über die Menschen geschrieben, für die Workation und Homeoffice nicht möglich sind. Das Thema hat mich weiter beschäftigt und ich werde ihm auch ein kleines Kapitel im Buch widmen.

In der aktuellen Podcastfolge baue ich die Gedanken nochmal weiter aus. Und wissen Sie was? Ich finde die aktuelle Folge richtig gut geworden. Warum?

Erstens wurde mir dabei nochmal bewusst, wie viele Möglichkeiten für attraktivere Arbeitsbedingungen es gerade auch für die Jobs gibt, die an den Ort der Beschäftigung gebunden sind. Es lohnt sich, darüber intensiver nachzudenken und die eigenen Leute nach ihren Wünschen und Bedürfnissen zu fragen.

Zweitens lohnt sich der Blick auf die Haltung hinter attraktiven Arbeitsbedingungen: es sind Vertrauen und die Freiräume für Mit- und Selbstbestimmung. Das geht in nahezu allen Arten von Jobs, sieht aber jeweils ganz anders aus.

Drittens – und das erscheint mir das wichtigste: Chefs und Chefinnen und Führungskräfte sollten nicht in die Falle tappen, die beiden Gruppen von Mitarbeitenden – remote-fähige Bürojobs und ortsgebundene Aufgaben sich gegeneinander ausspielen zu lassen.

Es geht um einen klugen Dialog, welche Bedürfnisse die unterschiedlichen Gruppen haben und welche Vereinbarungen zur Zusammenarbeit es braucht, damit der Laden läuft und alle einen guten Job machen können. Im Idealfall mit möglichst viel Freiräumen und Vertrauen.

Was man da alles anbieten kann, das bearbeiten wir übrigens in der nächsten Woche mit unserer Gruppe ambitionierter Mittelständler in unserem diesjährigen ersten Durchgang des People Strategy-Programms.

Jeweils mit einer internen Projektgruppe um die Inhaber und Inhaberinnen herum erarbeiten wir Schritt für Schritt die Entwicklung und Umsetzung der jeweiligen People Strategy im Unternehmen. Vom strategischen Bedarf, über die Positionierung und das Employer Branding bis zur konkreten Verbesserung der akuten Recruiting-Prozesse sind wir gemeinsam fleißig am Weiterentwickeln – mit schönen Erfolgen und guten Fortschritten.

Wenn Sie das für sich auch als wertvoll ansehen und damit zum Ende des Jahres oder Anfang des kommenden Jahres starten wollen, melden Sie sich am besten zum Seminar People Strategy am 20.09. an (Zur Info geht es hier). Das ist der perfekte erste Schritt. Oder vereinbaren Sie einen individuellen Termin. Antworten Sie gerne einfach auf diese Email und wir melden uns.

 

Kluge Fragen statt plumpe Verallgemeinerungen

Doch es gibt noch ein weiteres Thema in der öffentlichen Diskussion, das mir – wie man so schön sagt –  etwas auf den Zeiger geht.

Es sind diese unsäglichen Verallgemeinerungen, Klagen und Forderungen. Meistens auf Kosten der jüngeren Generationen, der modernen Arbeitsverhältnisse und im Tenor des Untergangs des Abendlandes.

Warum macht man das – außer auf der Suche nach Beifall im populistischen Sinne?

Da ist die Forderung nach längerer Arbeitszeit.

Die Deutschen müssten mehr arbeiten und lägen im europäischen Durchschnitt weit unter allen anderen. Das sind häufig wiederholte Forderungen, unterfüttert durch Statistiken, nach denen in Deutschland viel weniger gearbeitet werde als in allen anderen europäischen Ländern.

Ich konnte leider mangels Zeit noch nicht in der Tiefe nachforschen. Mir scheint aber eine Verzerrung vorzuliegen. Auf die wirklichen Vollzeitstellen bezogen, liegen wir zwar nicht bei den längsten Vertrags-Arbeitszeiten in Europa, aber durchaus im Mittelfeld.

Die ganz niedrigen Arbeitszeiten entstehen erst dann, wenn man Teilzeitjobs mit einrechnet. Das aber ist gleich eine doppelte Verzerrung.

Erstens gibt es gar keinen Grund zur Klage bezogen auf die Arbeitszeiten in echten Vollzeitjobs. Da liegen wir mitten drin.

Zweitens liegt das eigentliche Problem eher darin, dass Teilzeitkräfte, die gerne länger arbeiten würden, das aus unterschiedlichen Gründen in Deutschland nicht ausreichend können. Sei es, weil die Familienaufgaben ungleich verteilt sind. Sei es, weil Kinderbetreuung nicht ausreichend gut funktioniert. Sei es, weil man in Teilzeit bei Führungsaufgaben nach wie vor benachteiligt ist.

Wir arbeiten also keineswegs zu wenig, eher zu unmodern und zu unflexibel. Das als Frage aufzuwerfen, wäre vermutlich wesentlich ungemütlicher als das Aufstellen von Forderungen. Klüger und konstruktiver wäre es allemal.

Sind wir alle faul?

Die zweite Forderung, die mich mächtig ärgert, ist die nach mehr Leistungsbereitschaft in Deutschland.

Es mag ja sein, dass die Arbeitswelt nicht mehr so funktioniert, wie noch vor 20 Jahren. Vermutlich ist das auch ganz gut so.

In einem Nachbarbundesland hat sich ein Landrat gerade pressewirksam darüber echauffiert, dass die Leute heute schon im Bewerbungsgespräch nach Homeoffice-Möglichkeiten fragen würden. Ja – wo soll man das denn sonst machen?

Was wird der gute Herr wohl sagen, wenn die Leute vorm Bewerbungsgespräch mein Buch über Workation gelesen haben werden? 😉

Das Fatale ist, dass die Klage über einen angeblichen Rückgang an Leistungsbereitschaft implizit gekoppelt wird mit der – nachgewiesenermaßen falschen – Unterstellung, dass Menschen beim Remote Arbeiten weniger engagiert oder produktiv wären und sich eigentlich um die Leistung drücken würden.

Oft ist das Gegenteil der Fall, wenn man unproduktive Wegezeiten einsparen kann. Davon profitieren Produktivität und die persönliche Lebenssituation wie Gesundheit.

Sicher gibt es diese Einzelfälle fehlender Leistungsbereitschaft. Falls jemand besonders viele davon haben sollte, wäre es allerdings klüger, vor der eigenen (Führungs-)Tür zu kehren als populistische Forderungen zu formulieren.

Wer keine Leistung bringen will, der konnte das auch in einer Präsenzkultur ganz gut verstecken.

Viel klüger als Pauschalverurteilungen wäre es, für sinnvolle Aufgaben, klare Ziele und gutes Führen zu sorgen und im Unternehmen Arbeits- und Kommunikationsmodelle zu entwickeln, mit denen alle möglichst produktiv sein können.

Sowohl die, die gerne ihre komplette Arbeitszeit im Firmengebäude verbringen möchten oder müssen als auch die, die woanders produktiver sind und andere Vorstellungen haben.

Aber das wissen Sie ja eh und machen das besser. Vielleicht können wir ja alle zusammen einen Beitrag gegen die Pauschalverurteilungen und für klügere Fragen leisten.