Motivation – echt oder gekauft?

Allzu oft begegnen auch mir in Vorträgen oder Beratungsprojekten Ansätze wie Leistungsprämien für das Erreichen bestimmter Ziele.

Dabei kann ich mich an kein Beispiel erinnern, bei dem der Tenor war „Klasse Sache – super fair und motivierend“.

Sehr viel eher fühlt es sich schwer an. Man denkt, es müsse helfen – aber irgendwie stimmen die Ergebnisse doch nicht so.

Manchmal schwört das Management auf diese Ansätze, hinter vorgehaltener Hand oder bei näherem Hineinhorchen in die Organisation merkt man dann aber, wie kontraproduktiv das manchmal ist.

Klar – werden Ziele mit Geld angereizt, versuchen Menschen das auch zu erreichen. Doch um welchen Preis? Das konkrete Ziel rückt in den Vordergrund, der umfassendere Blick auf das Wohl und den Erfolg der Firma als Ganzes verschwinden dafür aus dem Fokus.

Vom Aufwand und der mindestens gefühlten Ungerechtigkeit und Überforderung im System mal ganz abgesehen.

Eine Frage der Haltung

Es ist eine ganze Industrie, die sich darauf spezialisiert hat, besonders wirkungsvolle Anreiz- und Honorierungssysteme zu erfinden. Kann man machen.

Dabei lauert die Lösung aber womöglich ganz woanders. Nämlich in der grundlegenden Haltung, die hinter solchen Systemen liegt.

Reinhard Sprenger hat schon vor Jahrzehnten mit seinem Klassiker „Vertrauen führt“ genau den Zusammenhang beschrieben. „Belohnen“ wir bestimmte Leistungen in Form einer Prämie, sprechen wir den beteiligten Menschen immanent die Motivation und die Bereitschaft ab, die Ziele in ihrer Rolle eigenverantwortlich erreichen zu wollen.

Jedes Denken im Sinne von „Wenn Du das tust, bekommst Du das…“ entmündigt und korrumpiert.

Natürlich ist eine Gehaltsverhandlung immer auch ein Deal, bei dem es im Kern darum geht, welchen Beitrag eine Person im Unternehmen und zu dessen Zwecken leisten kann. Wer wirksamer ist, kann berechtigterweise ein höheres Gehalt verdienen und bekommt es dann auch.

Das kann man vielleicht einmal im Jahr oder alle zwei Jahre neu aushandeln oder im Zuge einer mittelfristigen Karriereplanung auch perspektivisch entwickeln.

Nimmt man Menschen und deren Identifikation, Motivation und Leistungsbereitschaft ernst, kommt es zwischendurch auf ganz andere Dinge an:

  • Für klare Ziele sorgen. Sind Ziele als sinnvoll anerkannt, vollständig verstanden, am besten sogar in Teilen mit entwickelt, ist das die beste Voraussetzung für motiviertes Handeln.
  • Für klare Erwartungen sorgen. Menschen wollen einen guten Job machen. Menschen wollen in der Regel auch die Erwartungen ihrer Mitmenschen erfüllen. Voraussetzung dafür: die Erwartungen müssen klar formuliert, verstanden und akzeptiert sein.
  • Hohe Identifikation erzeugt Einsatz. Identifikation entsteht, wenn man versteht und unterstützen kann, was ein Unternehmen will und warum. Und Identifikation entsteht, wenn man sich mit Firma, Kollegen und Chefs wohl und gut aufgehoben fühlt.

Sie sehen – es gibt sehr viel erwachsenere, wertschätzendere und vermutlich im ganzheitlichen Sinne erfolgreichere Strategien, als Menschen mit Bonbons „anzureizen“ und damit unbewusst zu entmündigen.

Von guten und schlechten Prämien

Im Podcast gehe ich noch sehr viel stärker auf die verschiedenen Ausprägungen und die möglichen Strategien ein. Ein paar Gedanken dazu hier in kurzer Form:

  • Mitarbeiterentwicklungsgespräche sind keine Gehaltsgespräche. Wir empfehlen, beides strikt zu trennen. Im Entwicklungsgespräch geht es um Ehrlichkeit, Tiefgang, wirkliche Knackpunkte für die Weiterentwicklung und offenes Feedback. Daraus können Entwicklungsperspektiven, Ziele und Arbeitsschwerpunkte entstehen. Es geht um Offenheit, ich muss mich verletzlich zeigen können. Das passt nicht in den Rahmen einer Gehaltsverhandlung.
  • Werden Ziele nicht erreicht, kann man die Lösung nicht kaufen. Dann sind eher Feedback, Ergründen von Ursachen und die gemeinsame Entwicklung von Strategien gefragt. Konsequentes Nachhalten durch Führungskräfte inklusive – ich spreche gerne von „penetrant-liebevoll“. Auch vor Konfrontation darf man hier nicht zurückschrecken. Führung ist nicht immer lieb und nett – aber nötig und nicht durch Prämien ersetzbar.

Doch nicht jede Prämie ist per se schlecht. Einen ganz anderen Charakter als die Anreiz-Boni á la „Wenn Du A tust, bekommst Du B“ haben echte Teamprämien im Sinne einer Beteiligung am gemeinsamen Erfolg.

Das gilt zum Beispiel für Anteile am Unternehmensgewinn, die man als Prämie an alle Mitarbeitenden ausschüttet, wie man Erträge an Aktionäre und Gesellschafter ausschüttet. Das ist nur fair und kann im Idealfall dabei helfen, einen wirklichen Schulterschluss zu empfinden:

„Wir sitzen alle in einem Boot“.

Sind wir gemeinsam erfolgreich, haben alle etwas davon.

Es wäre schön, wenn es viel mehr und einfachere Gestaltungsmöglichkeiten gäbe, Mitarbeitende unternehmerischer am Firmenerfolg zu beteiligen. Je besser alle im Unternehmen verstehen, was die Firma erfolgreich macht und auch an den Ergebnissen partizipieren, desto größer könnte die Identifikation werden.

Ob Sie eine Erfolgsbeteiligung an alle ausschütten, das über Budgets für besondere Vorhaben (ich wüsste da was – z.B. eine tolle Workation 😉🌞) lösen, eine tolle Party feiern – oder alles in der Reihenfolge.

Der Unterschied zur korrumpierenden Anreizprämie dürfte deutlich werden. Hier geht es zuerst und vor allem um den gemeinsamen und langfristigen Erfolg des Unternehmens, von dem dann auch alle etwas haben.

Klingt irgendwie vernünftig, oder?