Obst ist völlig in Ordnung 😃

Keine Sorge, es geht nicht um´s Obstkorb-Bashing. Aber kaum etwas steht so sinnbildlich für den ganz normalen Wahnsinn der Benefits in der Arbeitswelt wie der Obstkorb, direkt gefolgt vom Tischkicker😏.

Gerade haben wir mit einem Kunden zu diesem Themenkomplex intensiv gearbeitet. Das nehme ich gerne zum Anlass für ein paar Gedanken zu den ach so heftig diskutierten Nebenleistungen von Arbeitgebern für ihre Mitarbeitenden.

Das Thema werde ich sicher in den nächsten Monaten vertiefen, Ihnen Lösungen und Denkansätze vorstellen. Aber machen wir mal einen Anfang.

Drei Arten von Wahnsinn

Die Diskussion in Fachkreisen von Recruitern changiert zwischen fundiertem Erfahrungsaustausch über Compensation-Systems, Mental-Health-Support und flexiblen Benefit-Lösungen einerseits und dem resigniert-sarkastischen Bashing von sinnfreien Benefits-Listen in aktuellen Stellenausschreibungen („Tischkicker, kostenloser Kaffee und anspruchsvolle Aufgaben“).

In der Realität sehe ich drei verschiedene Ausprägungen von nicht wettbewerbsfähigen Arbeitgeberleistungen.

Es gibt immer noch Firmen, in denen Mitarbeiter für Getränke und Kaffee zahlen müssen. Privat. Schon in meinem Interview mit Silicon Valley-Kenner Christoph Burkhardt vor über 2 Jahren hatte er das als abstrus deutsches Beispiel angeführt. Welche Signale sendet solche Knausrigkeit? Darüber muss man eigentlich nicht diskutieren.

Die zweite Art von Wahnsinn ist sehr viel verbreiteter und vielleicht auch einfach Ausdruck von noch nicht geklärten Themen der Arbeitgeberstrategie gepaart mit Ratlosigkeit. Es sind diese eigentlich belanglosen Selbstverständlichkeiten, die als Benefits angeführt werden wie die kostenlosen Getränke oder  Weihnachtsfeiern. Oder es sind Dinge ohne Wert. Sind 28 Urlaubstage ein Benefit? Ich denke in Deutschland nicht. Ist die Möglichkeit zum Homeoffice heute noch ein Benefit? Ich würde eher stutzig werden, wenn ein Unternehmen das als so große Errungenschaft darstellt. Wie weit kann es da mit einer modernen, remote-freundlichen Arbeitskultur und -flexibilität her sein?

Wie immer kann man Übertreibungen in beide Richtungen beobachten. Es gibt auch die Unternehmen, die solch überbordende Listen von Benefits anbieten, dass einem Hören und Sehen vergeht. Auch das ist manchmal zu viel des Guten. Denn eines sollte nicht in Vergessenheit geraten:

„Der wichtigste Benefit ist die Aufgabe.“

 

Benefits – worauf es wirklich ankommt

Jenseits dieser Verirrungen spielt es aber schon eine Rolle, was Arbeitgeber ihren Teams bieten – ergänzend zum Gehalt und der hoffentlich sinnvollen und zur Person passenden Aufgabe.

Eine Unterscheidung hilft im Dickicht der Begriffsfülle. Handelt es sich um einen Aspekt der Arbeitskultur oder um einen Benefit? Benefits in diesem Sinne sind Dinge, Leistungen und Vergünstigungen, die dem Mitarbeiter über seine eigentliche Tätigkeit hinaus dienlich sind und einen Mehrwert bieten. Damit gehören Sie im weitesten Sinne zum Gehalts- und Leistungspaket.

Viele Dinge, die als Benefit angeführt werden, fallen viel eher in die Kategorie der Arbeitskultur. Teamspirit, flexibles Arbeiten, Firmenkultur, etc. – das ist alles super wichtig  – aber eben kein Benefit im engeren Sinne.

Benefits können immens wertvoll für Mitarbeitende sein. Sie können begeistern, weitererzählt werden und damit einen enormen Beitrag zu Mitarbeiteridentifikation wie Arbeitgebermarketing leisten. Dafür sollten aber einige Dinge stimmen:

1.      Die Haltung muss passen.
Wollen Chefs und Firmen wirklich ihren Mitarbeitenden etwas Gutes tun, dann spürt man das. Sind sie nur einem Dienstleister auf den Leim gegangen oder fühlen sich verpflichtet, zu tun, was alle machen – dann spürt man das auch.

2.      Die Benefits müssen zu den Bedürfnissen passen.
Was hilft ein Firmenwagen, wenn der neue Teamleiter eher der Post-Pkw-Generation angehört, der nur selbst Auto fährt, wenn es sein muss? Oder was bringt die BAV, wenn die fehlende Kinderbetreuung das wirkliche Problem ist?

3.      Die Benefits müssen verstanden werden.
Wer sich mal mit dem Wust an Regelungen und steuerlichen wie sozialversicherungsrechtlichen Fragen in der Abwicklung von Sachbezug, BAV oder Fahrtkostenerstattung beschäftigt hat, kann ein Lied davon singen: Da kann man zwar mehr Netto beim Mitarbeiter landen lassen. Doch da diese Effekte auf der Lohnabrechnung nicht unbedingt sichtbar sind, ist der geldwerte Vorteil im Gespräch mit Freunden schnell verpufft.

Lassen Sie sich nicht vor den Karren spannen

Eine weitere Warnung muss sein: Auch im Reich der Benefits herrscht Goldgräberstimmung. Fachkräftemangel als Problem ist allenthalben erkannt und ein Heer von Anbietern fährt auf dem Ticket mit echten oder vermeintlichen Lösungen.

Da gibt es viele gute und wertvolle Leistungen – keine Frage. Aber es lohnt sich doch immer ein neutraler Blick, der auch die Interessen potenzieller Anbieter durchleuchtet und erst danach zu einer Entscheidung kommt.

Wer Versicherungen im Angebot hat, wirbt natürlich gerne mit der Mitarbeiterbindung. Doch wer bleibt im Unternehmen, um einer Versicherung willen? Wo man ja ohnehin Ansprüche aus betrieblichen Altersvorsorgemaßnahmen mitnehmen kann. Natürlich gehören Leistungen wie BAV oder betriebliche Zusatzversicherungen zu den Basis-Benefits. Aber fragen Sie sich – und am besten Ihre Mitarbeitenden – welche Prioritäten diese wirklich haben, ehe Sie teure Verpflichtungen eingehen.

Dass die Abwicklung von Benefits voller Risiken und Fallstricke ist, kann Ihnen jeder Steuerberater oder Personalsachbearbeiter berichten. Da gibt es komplett steuer- und sozialversicherungsfreie Benefit-Optionen, andere haben feste Budgets. Weitere Leistungen können pauschal versteuert angeboten werden. Vorsicht ist geboten, wenn Anbieter auf Basis der erzielbaren Einsparungen hohe Erfolgshonorare fordern – gegen angeblich finanzamts-sichere Gestaltungen.

Will man eine flexible Auswahl an Benefits zur Verfügung stellen, gelingt das nur mit einer smarten Software-Lösung, die für korrekte Verbuchung sorgt – will man nicht seinen Verwaltungsaufwand in unermessliche Höhen treiben. Das kann einfach eine Software sein, in der man seine eigenen Benefits und seine bewusst ausgewählten Partner integrieren kann. Mit smarter App für die Mitarbeitenden.

Doch auch hier schlummern Gefahren. Dann nämlich, wenn das Geschäftsmodell des Partners vor allem auf die Erzielung von Provisionen aus vermittelten Leistungen der festen Partner abzielt. Dann geht es eher nicht um das Wohl Ihrer Mitarbeiter.

Dennoch können alle diese Angebote zu guten Ideen führen. Genau hinsehen, lohnt sich also in jedem Fall. Das machen wir auch gerade und führen Gespräche mit verschiedenen Anbietern und Lösungsansätzen.

 

Gute Ideen und kluge Fragen

„Und was sollen wir jetzt machen?“ könnten Sie ja jetzt fragen – angesichts so vieler Hinweise auf Fehlentwicklungen und Risiken 😉.

Das ist ja sonst nicht meine Art, so negativ auf Themen zu schauen…
Also hier mal ein paar Ideen und Fragen, die eine Richtung aufzeigen können.

1.      Verschaffen Sie sich einen Überblick – was haben wir bereits im Unternehmen? Was könnte dazu kommen? Was würde das kosten? Wie komplex ist die Umsetzung?

2.      Suchen Sie den Dialog mit Ihren Teams und holen Sie sich ein Feedback ein.

 

3.      Überstürzen Sie nichts. Es kann viel motivierender sein, Benefits nach und nach auszubauen und so immer wieder kleine motivierende Schritte zu gehen.

 

4.      Ermöglichen Sie Flexibilität und stimmen Sie individuell oder mit Bezug auf Mitarbeitergruppen geeignete Benefits ab. Gehen Sie dabei von Herausforderungen Ihrer Mitarbeitenden aus und fragen Sie sich, was Sie ggf. als Unternehmen besser und leichter übernehmen könnten.

 

5.      Denken Sie Benefits breiter. Es müssen nicht nur die Lohnabrechnungs-relevanten Dinge sein mit ihrer komplexen Regelungsfülle. Vielleicht stellen Sie ein Tablet zur privaten Nutzung zur Verfügung oder Sie bezahlen Ihren Steuerberater mal für ein paar Stunden und bieten eine Beratung für Ihre Mitarbeiter an.

 

6.      Setzen Sie kluge Investitionen und Freiräume als Benefits ein. Gerade sehr en vogue (wenn auch womöglich meinem besonderen Fokus auf das Thema geschuldet): 30 Tage Workation – also Homeoffice von woanders erlaubt. Noch macht das Furore. Oder ein großzügiges Weiterbildungsbudget. Oder eine Recherchereise. Mit etwas Fantasie kann man gute Lösungen finden, die allen Beteiligten dienen.

 

7.      Benefits sollten Teil Ihres Employer Brandings sein. Sollen Benefits wirklich auf Ihre Positionierung einzahlen, bringt es nichts, das zu tun, was alle machen. Setzen Sie auf Familienfreundlichkeit, dann bündeln Sie großzügige Kinderbetreuungsangebote, zusätzliche freie Tage und sehr flexible Arbeitsmodelle. Da haben Sie dann die Nase vorn. Setzen Sie auf Sport und Fitness, dann bündeln Sie Vereinssponsoring, Mitgliedsbeiträge, Dauerkarten bei den Idolen und Fitness-Training. Wer alles macht, hat nirgends die Nase vorn.

 

8.      Was alle können (oder alle einkaufen können), kann keinen Wettbewerbsvorteil darstellen. Besser ist die Frage: welche Werte können wir für unsere Mitarbeitenden schaffen, die niemand sonst so oder so gut erbringen kann? Lufthansa hatte (zumindest früher) großzügige Flugangebote für Mitarbeiter. Die Hotelkette 25 hours ermöglicht es ihren Mitarbeitenden, in anderen Städten in den Hotels zu übernachten, wenn Kapazitäten frei sind. Restaurants können mit leckerem Essen punkten. Ein Kunden von uns hat als Schreinerei den Mitarbeitenden die Maschinen für den privaten Möbelbau am Wochenende zur Verfügung gestellt. Was können Sie für Ihre Leute leisten, was andere so nicht können?

 

9.      Kleinigkeiten können mehr bewirken als teure Allerwelts-Benefits. Gerade heute bin ich auf Linkedin über einen Post gestoßen. Ein Mitarbeiter hat die Hafermilch fotografiert und war begeistert, dass man auch als „Nicht-Kuhmilch-Trinker“ aus dem Vollen schöpfen kann. Ist nicht teuer, aber ein Zeichen. Kaffee? Wir beziehen unseren Kaffee aus einer kleinen Rösterei und in den letzten Wochen gab es eine umfangreiche Abstimmung, welche der Kaffeesorten die beste sei.

Die Liste ist natürlich nicht vollständig. Aber wie gesagt: dem Thema werden wir uns noch öfters widmen. Doch auch hier gilt wie bei so vielen Themen in der Arbeitgeberstrategie:

Haltung strahlt immer durch.
Aufmerksamkeit kann man nicht kaufen.
Profil gewinnt nur, wer sich von anderen unterscheidet.

Ach ja: das Foto oben ist ein Schnappschuss aus der Firmenzentrale von Pipedrive in Tallinn, Estland. Dort war ich 2019 und habe ein Bürogebäude bestaunt, das seiner Zeit weit voraus war (zumindest aus deutscher Sicht 😉). Obst reichlich, frische Smoothies im Kühlschrank. Das Auto im Hintergrund steht wirklich im Gebäude und ist ein Foodtruck, in dem Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern im Wechsel einmal in der Woche etwas Einheimisches für die Kollegen gekocht haben. Wenn das Obst reichlich und frisch ist und nicht als Feigenblatt fungiert, ist das völlig ok. In jedem Fall besser und gesünder als Softdrinks und Süßigkeiten. Obwohl etwas gute Schokolade auch in keinem Büro fehlen sollte 😄

Ich will ja jetzt kein neues Fass aufmachen hier am Ende des Newsletters. Aber Pipedrive hat sogar eine Betriebssauna im Firmengebäude – und was für eine. Ich war drin. Aber in Estland wie in Finnland sei das gar nichts so Besonderes – hat man mir gesagt….

Wir dürfen also davon ausgehen, dass da noch reichlich Luft nach oben ist und der Kampf um Talente noch manche Blüte treiben dürfte.