Frag Picasso …

Kennen Sie das: Da grübeln Sie ewig über ein Thema, eine Fragestellung.

Irgendwie will Ihnen nichts wirklich Befriedigendes als Antwort einfallen.

Es fühlt sich an, als ob man immer das gleiche denkt. So ist das jedenfalls, wenn wir uns gedanklich im Kreis drehen. In alten Mustern und Denkbahnen. Das kann ermüdend sein.

So quält man sich dann vielleicht im Büro, in den üblichen Meetings, mit den gleichen Menschen. Trifft vielleicht Entscheidungen – aber so richtig inspiriert fühlt sich das alles nicht an.

Dann vergessen Sie das Thema und sind vielleicht im Urlaub, beim Sport oder feiern ausgelassen mit Freunden. Und Schwupps! – da ist die bahnbrechende Idee. Der unerhörte Gedanke. Der Impuls, der begeistert.

Bewusstes und unterbewusstes Denken

Man könnte sich ja jetzt ärgern, dass die grandiose Idee „zu spät“ kam. Kann man machen – geht aber smarter.

Nämlich, in dem man versteht, dass wir Menschen nun mal so denken. Es gibt verschiedene Erklärungsversuche (rechte und linke Hirnhälfte, rationales und intuitives Denken, usw.) – entscheidend ist, dass wir alle die Erfahrung dieser völlig unterschiedlichen Ebenen von Denken kennen.

Da ist das bewusste Denken. Der ständige innere Dialog. Die Gedanken, auf die wir direkt zugreifen können – und in denen wir uns wunderbar im Kreis drehen können, wenn wir zu lange in diesem Modus verharren.

Da ist das unterbewusste Denken. Ob man das „Denken“ nennen soll? Ich bin mir nicht so sicher, ist es doch eher ein passiver Prozess des stillen Zuhörens. Des „Auftauchen lassen“ von Ideen und Gedanken, die so scheinbar aus dem Nichts plötzlich da sind.

Dabei ist das natürlich kein „Nichts“. Es sind vielmehr viel weitere, eben unbewusstere Schichten unserer Wahrnehmung, unserer Muster, unserer Erfahrungen, unseres Geistes. Jenseits von Intellekt und Ego. Jenseits bekannter Muster und Gewohnheiten.

So unterschiedlich die beiden Denk-Modi sind, so unterschiedlich kann man sie nutzen. Wer das kann, gewinnt unglaublich an Produktivität und Leichtigkeit.

 

Zwei Modi – zwei „Betriebssysteme“

Wie wir mit dem klassischen, intellektuellen, bewussten Denken umgehen – das wissen wir meistens. Man kann sich konzentrieren und fokussieren, strukturiert Denken, schriftlich und sortiert.

Das schafft Ordnung im Kopf, sammelt Informationen und systematisiert eine Vorgehensweise.

Vor allem ist das in einer Sortierphase eines Themas wertvoll.

Wertvoll ist diese Art des Denkens, solange es sprudelt. Dann kommt der Punkt, an dem diese Art des eigenen Denkens erschöpft ist – im wahrsten Sinne des Wortes.

Jetzt hat man zwei Möglichkeiten:

Erstens:
Weiterdenken – das machen die meisten Berufstätigen in den meisten Situationen. Weil wir es so gewöhnt sind. Weil die Arbeitszeit halt einen Tag dauert und nicht nach sechzig Minuten Pause macht. Das funktioniert auch. Wir funktionieren.

Aber ist das inspiriert? Ist das im Ergebnis grandios?

Eher selten. Aber das erwartet ja auch kaum jemand…

Zweitens:
Aufhören. Pause machen. Raus gehen. Das Hirn entspannen. Sport treiben. Einen Waldspaziergang machen. Nichts denken.

Darf man das?

Clever wäre das schon. Denn wissen Sie was? Jetzt passiert meist genau das, was ich eingangs beschrieben habe. Wir haben frische Ideen. Gewinnen Klarheit. Sehen klügere Wege und bessere Lösungen.

 

Wie man sein Potenzial nutzt –

Ein Geheimnis vieler großer Dichter und Denkerinnen liegt genau in der klugen Nutzung beider Denk-Stile. Sie kennen das vermutlich aus Ihren „guten Zeiten“ alle. Wir alle nutzen diese Mechanismen zumindest manchmal. Vielleicht nicht bewusst – aber wir wissen eigentlich, dass sie funktionieren.

Ideal könnte es so sein:

  1. Wir starten mit einem Thema im bewussten Denken. Sammeln, diskutieren, schreiben – je nach Form – alles, was uns einfällt. Bis zu diesem im Grunde zufriedenstellenden Punkt, an dem man merkt „Es ist alles gesagt, was mir dazu präsent ist.“
  2. Dann unterbrechen wir und ändern die Umgebung. Rausgehen. Sport treiben. Hirn abschalten oder ablenken. Zur Ruhe kommen. Bis neue Inspiration auftaucht und mit ihr meist die Idee und die Motivation, am Thema weiter zu machen.
  3. Dann wieder zurück in den bewussten Modus… – usw.

Wer diesen Wechsel in seine persönliche Arbeitskultur integriert, wird wesentlich produktiver. Das ist vermutlich auch ein Geheimnis des Erfolgs verkürzter Arbeitszeiten oder der Wirksamkeit motivierter Teilzeitkräfte. Das unterbewusste „Denken“ hört ja nicht an der Bürotür auf – im Gegenteil – dort beginnt es oft erst 😉.

Das ist im Übrigen – sorry, der Sidekick muss jetzt sein – für mich auch die Magie bei gelungenen Workations. Der Wechsel aus fokussiertem Denken und inspirierender Zerstreuung ist es nämlich, der die besonderen Ergebnisse schafft, die sich gar nicht anstrengend anfühlen. Und das geht halt in cooler Umgebung wesentlich leichter als rund ums Büro.

Wissen Sie, wie man diese Wirkung jetzt noch verstärken kann?

Formulieren Sie ein Anliegen, eine Frage, die Ihnen wirklich wichtig ist, am Ende der Phase des bewussten Denkens. Dann suchen Sie aber keine Antwort, sondern lassen die Frage danach einfach los.

Das ist wie beim Bogenschießen. Sie spannen den Bogen mit der Frage, mit Ihren Anliegen. Dann müssen Sie nur noch loslassen und sich freuen, wenn Ihre Gedanken mal wieder ins Schwarze getroffen haben.

Was hat jetzt Picasso damit zu tun?

„Und wieso Picasso?“ werden Sie sich jetzt vielleicht die ganze Zeit fragen.

in den letzten Wochen war ich – neben den ja hier immer wieder berichteten Buch-Fortschritten – doch auch ziemlich viel unterwegs. Von einigen Vorträgen habe ich berichtet.

Am vorletzten Wochenende waren wir in einem ganz anderen Kontext in Paris.

Mit dem Wirkungskreis des Creditreform-Clusters von Stefan Langenfeld führte uns die diesjährige Strategieklausur nicht ans Meer und in die Sonne. Ziel war heuer Paris. Vor den Toren der französischen Metropole fand unsere Strategiearbeit in einer herrlichen Villa statt. Inspirierende Parisbesuche inbegriffen. Dabei wollten wir genau den beschriebenen Mechanismus bewusst nutzen.

Picassos Werke besuchten wir im einschlägigen Musée Picasso. Im Zuge unseres Strategieprozesses hatten alle die Aufgabe, ihre wichtigste persönliche Frage – zur eigenen Weiterentwicklung oder dem gemeinsamen Prozess mit ins Museum zu nehmen. Dort sollte sich dann jeder ein oder mehrere Bilder oder Exponate suchen, zu denen man sich hingezogen fühlt.

Erstaunlich, wie eine solche Fragestellung das eigene Denken beflügelt.

In der Kreativitätsforschung nennt man das „Auslöser-orientiertes Denken“. Das kennen wir alle. Da beobachtet man eine Szene und – schwupps – taucht eine Idee auf.

Genau diese Funktion kann natürlich Kunst in einem Museum wunderbar übernehmen.

Kunst ist ein großartiger Auslöser für unerwartete Gedanken – vielleicht gerade weil man Dinge anders sieht, zu anderen Perspektiven geleitet wird.

Die Antworten auf die jeweiligen Fragen waren – so viel sei verraten – sehr ergiebig, teilweise überraschend, manchmal lustig. Es kann auch sein, dass man die Erkenntnisse, die auf diese Art auftauchen, gar nicht wahrhaben will. Das sind womöglich die wertvollsten Einflüsterungen…

 

Die Magie des Geistes

Egal, was der Auslöser ist und ohne dem großen Meister zu nahe treten zu wollen. Wir sind es trotzdem selbst. Ohne die eigene Motivation, die persönliche Wahrnehmung würde nichts entstehen. Selbst Picasso hat ja keine Ahnung von unseren strategischen Fragen.

Doch aus dem Dialog des eigenen Anliegens, des vorgespannten Geistes mit der persönlichen Offenheit in der Begegnung mit dem Auslöser – dadurch kommt der neue Gedanke.

Eigentlich total einfach. Kennen wir alle – und nutzen es doch im Alltag viel zu wenig.

Ein paar Ideen für den Transfer:

  • Schaffen Sie mehr Rhythmus beim Arbeiten, statt sich durch die Tiefs zu quälen.
  • Bauen Sie bewusst Phasen des Loslassens ein – Sport, Waldspaziergang, Pausen.
  • Lösen Sie knifflige Themen nicht in einem Rutsch. Denken Sie sich rein. Lassen Sie los, spannen Sie Ihren Geist mit klugen Fragen und schlafen Sie drüber. Nach zwei bis drei Runden an mehreren Tagen haben Sie auch knifflige Themen gelöst. Und das meist besser, und mit mehr Leichtigkeit und Inspiration, als wenn Sie es an einem Rutsch „gezwungen“ hätten.
  • Verlagern Sie Prozesse, die inspirierend sein sollen, in andere Umgebungen. Raus aus dem Büro, raus aus den Meetingräumen. Unser Hirn braucht Futter als Auslöser. Und Bewegung.

Noch weiter steigern kann man seine Produktivität, wenn man sich klar macht, dass unser bewusstes Denken immer nur ein Thema leistungsstark bearbeiten kann. In diesem Modus brauchen wir Fokus. Ein Thema. Ohne Ablenkung.

Unser Unterbewusstsein ist dagegen unendlich leistungsfähig. Da können viele Themen parallel schlummern und reifen. Sie können sich also problemlos mit mehreren Themen „aufladen“ und sie dann abrufen, wenn sie dran sind. Sie müssen sie dann nur zwischendurch „in Ruhe lassen“.

Die Kunst ist nur, jede Art des Denkens artgerecht zu „bedienen“.