Jenseits von Büro und Homeoffice

Wo essen Sie eigentlich gerne?

Ok, ich gebe ja zu – unter den aktuell wieder restriktiven Rahmenbedingungen ist die Auswahl nicht so groß.
Doch gehen wir gedanklich in „normale“ Zeiten…
Was sind Ihre Lieblingsplätze zum Essen? Wo gehen Sie gerne hin? Wo haben Sie besondere Erinnerungen? Wo ist das Essen besonders lecker, die Atmosphäre inspirierend, die Leute interessant?

Wo speisen Sie bei besonderen Anlässen und wo sind Sie immer wieder?
Beim Essen haben wir uns längst daran gewöhnt, dass es unendlich viele Angebote gibt. Man isst nicht nur zuhause oder im Büro bzw. der Kantine.
Da sind so viele „Dritte Orte“ – Restaurants in allen Schattierungen. Von Gourmet bis Fast-Food, von Pizza bis Pasta, von Lounge bis Café. Wir haben die Wahl und wir nutzen sie.

Was hat das jetzt mit dem heutigen Thema zu tun?
Ich glaube, dass wir beim Arbeiten ähnliches erleben werden. Wo man heute viel über Homeoffice oder Büro diskutiert, ist der Bereich, der vermutlich am stärksten wachsen wird, noch wenig bewusst:

Was Restaurants für das Essen außer Haus sind,
könnten Coworking-Spaces für das Arbeiten außerhalb der vertrauten 4 Wände werden:
Außerhaus-Arbeitsplätze mit guter Umgebung, Inspiration,
interessanten Menschen und gutem Kaffee.

Ich bin davon überzeugt, dass Coworking-Spaces mehr sind als ein hipper Modetrend. Dahinter steckt ein enormes Potenzial für mehr Freiheit beim Arbeiten – aber auch enorme Möglichkeiten für großartige Arbeitgeber und für Regionen.

In der aktuellen Podcast-Folge spreche ich mit Tobias Kollewe über Coworking und die Potenziale dieser Form des gemeinsamen Arbeitens.

Coworking – die dritten Orte zum Arbeiten

Die ersten Coworking-Spaces selbst gesehen habe ich in Berlin. Vor vielen Jahren und eher in der hippen Startup-Up-Szene verwurzelt.
Was es auch schon lange gibt, sind Bürokomplexe, in denen sich Firmen kurzzeitig und flexibel einmieten konnten. Nicht neu und meist alles andere als hipp.
Im Laufe meiner Reisen habe ich die unterschiedlichsten Formen von Coworking-Spaces und -Konzepten gesehen, getestet und hineingeschnuppert.
Ich habe Coworking-Spaces in Strandnähe entdeckt. Dort kann man professionell arbeiten und in der Pause und nach Feierabend Meer, Strand und Kultur genießen. Ob Mallorca, Malaysia oder Bali – überall wächst diese Kombination der Lebensstile.

In den Metropolen dieser Welt entstehen immer neue Spaces. Professionelle Struktur, perfekte Ausstattung, beste Zentrumslage. Oft als Kette organisiert, finden Vielreisende mit Abo und Mitgliedschaft Schreibtisch und Besprechungsraum heute in München, morgen in Madrid und übermorgen in San Francisco.
Das Hotel in Köln mit Coworking-Area im Foyer, das Einkaufszentrum in Bangkok mit Coworking-Lounge oder das Coworking-Café in Berlin – da wird etwas normal, was viele Menschen noch gar nicht auf dem Schirm haben.
Unter Pandemiebedingungen ist dieser Trend sicher mindestens gehemmt. Für die Zeit danach prophezeie ich ein starkes Wachstum. Nicht jedes Konzept wird erfolgreich sein. Aber wir werden viele Varianten sehen.
Vermutlich werden wir in einigen Jahren eine Fülle von Möglichkeiten des professionellen Arbeitens außer Haus haben – zum Arbeiten mit Mehrwert und Inspiration.
Wie wir das vom Essen längst gewohnt sind.

Arbeiten für Profis

Das Thema begleitet mich schon lange. Jetzt wollte ich der Entwicklung auf den Grund gehen. Dazu hatte ich den perfekten Gesprächspartner im Podcast-Interview.

Tobias Kollewe lebt die Idee des Coworking. Als Gründer und Vorstand der cowork AG entwickelt und betreibt er selbst Coworking-Spaces, berät Betreiber und Interessenten und verfügt über einen Insiderblick auf das Thema wie kaum ein anderer. Im Ehrenamt ist er Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Coworking Spaces.

Eine seiner wichtigsten Botschaften: das Gros der Nutzer in Coworking-Spaces sind professionelle Nutzer, die durchschnittlich 2 Tage pro Woche in einem festen Coworking-Space arbeiten. Oft mit Einzelbüro und Rückzugsmöglichkeit – aber gerne mit anderen Menschen im gleichen Space und dem Zugang zum „besten Kaffee der Welt“ (den hat angeblich jedes Coworking-Space 😉). Also Stammlokal sozusagen.

Klar kann man ein Coworking einfach mal für ein paar Stunden nutzen. Was aber zunimmt sind Unternehmen, die für einen oder gleich mehrere Mitarbeitende Büro-Kapazität im Coworking buchen. Datenschutz, IT-Sicherheit und abgeschlossene Bürotüren inklusive. Oft ist ein solches Leistungspaket dann sogar noch günstiger als das eigene feste Büro. Flexibler ist es allemal.

Potenziale für großartige Arbeitgeber

Der naheliegende Gedanke ist natürlich der Vorteil für den einzelnen Mitarbeiter. Doch das greift viel zu kurz. Die Effekte sind für Unternehmen riesengroß.
Unternehmen können sich räumlich viel leichter ausdehnen. Im Recruiting spielt Entfernung keine Rolle. Wenn ein neuer Kollege sein Zuhause 500 km entfernt hat, funktioniert das trotzdem. Z.B. mit 2 Tagen im neuen Coworking-Office in der Heimatstadt, 2 Tage Homeoffice und je nach Bedarf einen oder mehrere Tage am Firmenstandort.

Ziehen Mitarbeitende aus persönlichen Gründen in eine andere Region, ist das kein Grund mehr zur Kündigung – wie früher.
Ein ganz anderer Denkansatz: Entwickeln Unternehmen ihre eigenen Büroflächen und Gebäude weiter, kann eine Art Campus entstehen mit Coworking-Bereichen.

Je nach Sicherheitsanforderungen mehr oder weniger offen. In Coworking-Bereichen mit Bezug zum Unternehmen können Gäste, Partner und Lieferanten arbeiten und netzwerken. Potenzielle Mitarbeiter können Tuchfühlung zum Unternehmen aufnehmen. Firmen kreieren sich eine Art „Start-up-Inkubator“ und profitieren von frischen Kontakten und Ideen.

Ist dieser offene Arbeitsbereich ästhetisch und atmosphärisch gelungen, werden Sie vermutlich feststellen, dass auch die eigenen Mitarbeiter gar nicht so selten mal eine Arbeitssession oder ein Meeting in die Café – Lounge verlagern. Sie wissen ja „Hässliche Büros braucht kein Mensch mehr“.

Auch Regionen profitieren

Auch aus einer ganz anderen Perspektive wird riesiges Potenzial sichtbar: Statt täglich Stunden beim Pendeln zu verschwenden, sparen wohnortnahe Coworking-Spaces eine Menge Zeit.
Das ist eine Chance für ländliche Räume. In Rheinland-Pfalz gibt es das Projekt „Dorfbüros“, bei dem Coworking-Angebote in ländlichen Orten in einer Anlaufphase unterstützt werden. Tobias Kollewe begleitet dieses Projekt.

Die Effekte: Menschen sparen irre viel Zeit, können sich um Ehrenamt, Familie und sich selbst kümmern. Unternehmen können Talente längerfristig halten und ländliche Räume können hoch qualifizierte Menschen und Familien halten bzw. wieder gewinnen.
Das ist nur ein Aspekt. Denken Sie an die Quartiersentwicklung in Stadtteilen. Denken Sie an die Frage, was aus Innenstädten in Zeiten des Online-Handels werden kann. Da ist viel Raum für pfiffige Umgebungen und Infrastrukturen für produktives Arbeiten jenseits von Büro und Homeoffice.

Wenn Sie jetzt Lust bekommen haben, sich diese Welt mal etwas vertrauter zu machen – nehmen Sie mal mit Coworking-Spaces in Ihrer Nähe oder unterwegs auf Reisen Kontakt auf. In vielen Spaces kann man für kleines Geld einfach mal die Atmosphäre schnuppern oder im frei zugänglichen Bereich vom berühmten Kaffee kosten.

Podcast – Coworking Spaces

In meinem Gespräch mit Tobias Kollewe spreche ich über die Entwicklung und die Chancen von Coworking Spaces. Tobias ist Gründer und Vorstand der cowork AG und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Coworking Spaces e.V. (BVCS)

2021-12-17T16:05:29+01:00
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