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Der Fachkräftemangel und der Wandel im Arbeitsmarkt sind langfristige Entwicklungen. Corona als plötzliche und durchschlagende Krise verändert diese Entwicklung, bremst manches und beschleunigt anderes. Wie werden wir danach arbeiten? Welche Erfahrungen aus der Krise und welche Lehren werden wir mitnehmen können in die Zukunft der Arbeit? Stefan Dietz führt 10 Aspekte auf, über die sich nachzudenken lohnt – in der Krise und für die Zeit danach.

Podcastfolge #2

Corona und der Fachkräftemangel

Gibt es nach Corona einen Fachkräftemangel? Keiner weiß genau, wie die Krise sich auswirkt. Doch es lohnt sich, die besondere Situation zu nutzen und aus dem, was gerade passiert, zu lernen für die Zukunft der Arbeit. Denkanstöße, Impulse und Ideen, was sie tun können – in dieser Folge.

Corona hat uns vor Herausforderungen gestellt, die wir alle so noch nicht erlebt haben. Und es betrifft viele Lebensbereiche. Ich konzentriere mich ausschließlich auf das, was die Art, wie wir arbeiten, angeht. Und schon das ist mehr als herausfordernd und niemand von uns weiß so genau, welche Folgen Corona und die Maßnahmen zur Bekämpfung tatsächlich für die Zukunft haben werden. Aber das war schon sehr einschneidend. Plötzlich mussten wir arbeiten mit Abstand. Homeoffice für alle. Unterricht ohne Präsenz. Das war schon eine unglaubliche Challenge plötzlich anders zu arbeiten. Und man kann sagen das ist wie ein plötzlicher und ziemlich radikaler Audit gewesen. Wie flexibel und wie gut digitalisiert sind unsere Unternehmen, unsere Organisationen? Und es war tatsächlich etwas erbarmungslos, weil man hat Licht und Schatten gesehen. Da gibt es Firmen, die konnten, so wie wir zum Glück auch, einfach die Laptops unter den Arm nehmen und von zuhause weiterarbeiten. Wenn die Daten in der Cloud, die Firmenstruktur, die Kultur, die Art, wie man führt und zusammenarbeitet, schon so angelegt waren, dass das digital und relativ ortsunabhängig ging, konnten Unternehmen quasi komplett produktiv bleiben, zumindest wenn ihr Geschäft noch stattgefunden hat. Und umgekehrt gab es die Unternehmen und Organisationen und Verwaltungen, die plötzlich nicht mehr fähig waren zu arbeiten. Da ist Arbeit im Büro liegengeblieben, weil Laptops nicht vorhanden waren, weil die Prozesse nicht so organisiert sind, dass sie außerhalb des Büros überhaupt funktionieren, weil rechtliche Fragen nicht geklärt und enorme Vorbehalte vorhanden waren. Also, da hat sich enorm Unterschiedliches gezeigt und gleichzeitig hat sich aber auch gezeigt, dass ganz viel gelungen ist, was viele Menschen nie für möglich gehalten haben. Ganz viele haben uns berichtet, dass die Arbeit im Homeoffice sehr viel produktiver war und viel besser geklappt hat, als man sich das eigentlich gedacht hat. Und viele, die das lange abgelehnt haben, haben jetzt auf einmal andere Erfahrungen gemacht. Nicht alles ist Gold, was glänzt, aber insgesamt ist, glaube ich, schon sehr viel gelungen, was viele gar nicht für möglich gehalten hatten. Jetzt weiß niemand wirklich, wo Entwicklungen hinführen. Und die Entwicklung, die durch Corona hinzugekommen ist und die quasi als schnelle kurzfristige Krise, die vielleicht trotzdem länger anhält, als wir es uns im Moment vorstellen, einen Drall in eine Entwicklung im Arbeitsmarkt bringt, die ja eher längerfristig läuft. Demografie auch technologischer Wandel, diese Entwicklungen, die ich beschrieben habe, die zum Fachkräftemangel führen, laufen langfristig.

Corona und die Entwicklung des Arbeitsmarktes

Corona als zusätzliche plötzliche, unvorhergesehene Krise bringt einen Drall da hinein, verändert natürlich auch Dinge. Wie gesagt, wie genau, weiß noch keiner. Aber so ein paar Trends kann man schon erkennen. Da ist ein unglaublicher Schub für Digitalisierung, wo man auf einmal berührungslose, kontaktlose Dinge, die durch Digitalisierung möglich werden, schneller einführt. Natürlich im Bereich mobiles Arbeiten, Homeoffice, Videokonferenzen. Das ist auf einmal Alltag für ganz viele, was vorher nur einige wenige genutzt haben. Da ist Corona ganz sicher enorm beschleunigend. Und ich glaube, inzwischen ist man sich einig: Das wird die Art, wie wir arbeiten, mobiler machen, flexibler machen und nachhaltig verändern. So sind ja auch jetzt schon die Menschen, die Büros Kosteneinsparungen errechnen, ganz aktiv und ziemlich alarmiert sind diejenigen, die bisher in Büroimmobilien investiert haben. Da sind schon Folgen erkennbar. Auf der anderen Seite wird es natürlich Bereiche geben, in denen Corona und die Veränderungen in der Folge den Arbeitsmarkt auch verändern und Menschen eher vorsichtiger werden und längst nicht mehr so sicher sind, dass sie ganz schnell neue Jobs finden, weil wir natürlich Felder haben mit einem plötzlichen Arbeitskräfteüberschuss, mit Arbeitslosigkeit oder einer latenten Unterbeschäftigung, die durch Kurzarbeit im Moment überbrückt wird. Und viele sind dann sicherlich eher wieder vorsichtiger, trauen sich nicht so offensive Forderungen zu stellen. Und es wird auch Arbeitsmarktbereiche geben, in denen wir überhaupt keinen Fachkräftemangel, sondern das Gegenteil haben. Doch ich glaube, man kann davon ausgehen, in vielen gerade technologischen Bereichen, in Bereichen, in denen sich neue Dinge einführen, wird der Fachkräftemangel vielleicht vorübergehend gedämpft, aber er wird bleiben. Und diejenigen, die beispielsweise in der Gastronomie, im Einzelhandel, in anderen Jobs ihre Aufgaben verlieren, sind wahrscheinlich nicht genau die Menschen, die man braucht, um künstliche Intelligenz, Algorithmen zu trainieren und Digitalisierung voranzutreiben. Das heißt, wohin das Ganze genau führt, kann man noch nicht wirklich abschätzen. Aber ich möchte in dieser Folge einige Denkanstöße, einige Haltungen vermitteln, über die es sich lohnt nachzudenken und bei denen es auch gerade in dieser besonderen Phase, in der vieles so unsicher ist, eine Chance besteht, Dinge auszuprobieren, Dinge in die richtige Richtung zu entwickeln und nicht Momente zu verpassen, in denen man die Dinge sehr gut auf den Weg bringen kann. Lassen Sie mich zehn Aspekte beleuchten.

10 Aspekte zum Umgang mit Corona und dem Fachkräftemangel

Aspekt 1: die Homeoffice-Challenge

Was haben Führungskräfte nicht diskutiert, was sind nicht Bedenken formuliert worden, dass Homeoffice bei uns doch irgendwie nicht geht, obwohl Experten und Vorreiter schon seit Jahren sagen, dass man eigentlich alles, was man in Büros machen kann, auch mobil machen kann. Es gibt Firmen, die arbeiten ausschließlich so und es gibt immer schon Firmen, die in wichtigen Teilbereichen so arbeiten, dass Menschen ein paar Tage die Woche nach Bedarf auch außerhalb des Büros arbeiten können. Jetzt hat Corona etwas erzwungen und dadurch viel, viel schneller realisiert, als es sonst möglich gewesen wäre, nämlich dass ganz viele Menschen plötzlich und fast vollständig zuhause arbeiten mussten. Das sind erschwerte Bedingungen. Niemand stellt sich ein Homeoffice vor, wenn man nicht raus darf, wenn Kinder nicht betreut werden, wenn in einer kleinen Wohnung zwei Erwachsene arbeiten und zwei Schüler Hausaufgaben machen müssen. Das ist natürlich nicht ideal und es ist ja auch nicht richtig vorbereitet gewesen. Aber trotzdem hat es für ganz viele Menschen besser geklappt, als viele geglaubt haben. Und wenn man diese Erkenntnis nimmt, dann darf man auch davon ausgehen, dass das nicht ohne Folgen bleiben wird. Jeder hat erlebt, dass Arbeiten auch außerhalb des Büros funktioniert. Natürlich dürfen alle wieder in ihren Büros mit ihren Kollegen zusammenarbeiten. Das will ja niemand verhindern. Aber man muss eben nicht zum Arbeiten ins Büro. Das wird jeder Arbeitnehmer in Zukunft als Selbstverständlichkeit erwarten. Und jeder Arbeitgeber muss sich heute Gedanken machen, wie nach der Krise in normaleren Zeiten ein Konzept aussehen kann für möglichst gutes, mobiles, entspanntes Arbeiten, was es Mitarbeitern erlaubt, einzelne Tage im Homeoffice zu sein, auch mal auf Reisen zu arbeiten, im Coworking Space zu arbeiten, im Café, einem anderen Standort des Unternehmens. Die eigentliche Freiheit des mobilen Arbeitens, die hat gar nicht so viel mit Homeoffice alleine zu tun, die fängt eigentlich erst jenseits von Homeoffice und Büro an. Wenn es egal ist, wo ich arbeite, dann kann ich auch mal zwei Wochen aus Portugal arbeiten, ohne Urlaub zu machen, wenn ich einfach abends surfen gehe, aber tagsüber meinen ganz normalen Job mache. Warum soll das nicht gehen, wenn Führung, wenn klare Ziele, wenn all diese Dinge, die man natürlich entwickeln muss, gut entwickelt sind? Dazu wird es auch eigene Folgen geben. Das ist auch nicht ganz trivial und ganz einfach ein Unternehmen auf mehr Homeoffice umzustellen, das will ich gar nicht beschönigen. Die grundsätzliche Botschaft aber ist: Es sollte niemand glauben, dass diese Art des Arbeitens wieder so wird wie früher. Dass Menschen es akzeptieren werden, dass Jobs nicht auch aus dem Homeoffice erledigt werden können, die prinzipiell dafür geeignet wären. Und da lohnt es sich, die Erfahrung, die man jetzt macht, zu nutzen und zu überlegen: Was müssen wir lernen? Verändern? Welche Systeme brauchen wir? Was müssen unsere Führungskräfte lernen? Wie können wir unsere Mitarbeiter unterstützen? Und wie kann Homeoffice dann auch gut funktionieren als ganz normaler Bestandteil des Arbeitens? Und Homeoffice erweitert im Sinne von mobilem Arbeiten, egal von wo.

Aspekt 2: der Digitalisierungs-Status quo

Wenn nun auf einmal quasi erzwungen wurde, auf Abstand zu arbeiten, dann kann man sehr schnell spüren und merken, was denn nahtlos funktioniert hat und wo man im Grunde Prozesse noch hatte im Unternehmen, die auf den festen Standort angewiesen sind. Und es ist bei dem einen Unternehmen nahezu die gesamte Struktur, die gar nicht darauf eingerichtet ist, außerhalb des Gebäudes zu funktionieren und bei anderen sind es nur noch kleine Reste. Bei uns war es zum Beispiel so, dass wir alle Prozesse digital im Netz abgebildet haben, alle Daten in der Cloud, Web-Applikationen nutzen für alles, was wir an Software benutzen, außer unserem crm-system. Das haben wir gerade kürzlich, als der letzte Server abgeschmiert ist, auf einen neuen lokalen Rechner installiert. Das führte jetzt genau in dieser Phase dazu, dass immer eine Person, die dann die Rechnungen schreibt, dazu tatsächlich ins Büro fahren muss. Da alle anderen zu Hause waren, war das jetzt Corona-mäßig kein Problem, aber es macht natürlich sofort bewusst, wie aufwendig dann ein Prozess wird, der nicht komplett digitalisiert ist. Und eine solche erzwungene Situation wie Corona bietet natürlich auch eine, wenn man so will, eine Chance alles das aufmerksam zu notieren und zu vermerken, wo man spürt Okay, da bleiben wir hängen, da stimmt unsere Technologie noch nicht, da sind Widerstände, da sind Prozesse nicht so definiert, dass man sie sinnvoll delegieren kann. Es gibt kein digitales Unterschrift-System und dadurch werden Dinge automatisch kompliziert. Manche Menschen müssen Akten händisch mitnehmen zum Homeoffice, damit sie damit überhaupt arbeiten können. Manchmal funktioniert ein datenschutzkonformer Zugang zu einem Server nicht. Es können ganz technische Dinge sein. Das können eher in den Abläufen begründete Dinge sein, die noch nicht funktionieren. Und das kann man in einer solchen akuten Situation auch nicht alles perfekt lösen. Da muss improvisiert werden. Die Botschaft ist auch nicht, das alles sofort perfekt zu machen, sondern auch nicht mit sich zu hadern, weil man vielleicht an vielen Dingen so weit zurück ist, sondern neben dem, was man akut in der Krise tun muss, parallel vielleicht ein kleines Team zu beauftragen. Schreibt alles auf, was ihr merkt, wo wir besser werden müssen, sammelt alle Ideen. Und sobald dann etwas Zeit ist, setzt man sich zusammen und fängt an nachzudenken. Was lernen wir daraus und wie können wir das in Zukunft machen?

Aspekt 3: Führungskultur und Identifikation

Der dritte Aspekt hat mit der Führungskultur und Identifikation und dem Vertrauen im Unternehmen zu tun. Gerade wenn Menschen nicht mehr zusammen sind beim Arbeiten, sondern zeitversetzt arbeiten, im Homeoffice arbeiten, dann stellt es auch Führung vor ganz neue Herausforderungen. Auch das will gelernt sein und erfordert andere Kultur, wenn Menschen nicht gemeinsam in einem Raum sind und sich quasi zufällig begegnen, sondern ein Kontakt nur stattfindet, wenn er bewusst initiiert wird, als Videokonferenz, als Telefonat. Auch die Art, wie man führt, klare Ziele, transparenter Fortschritt in den Projekten. Das braucht andere Instrumente und es ist ein Feld, wo es sich sehr lohnt hinzuschauen. Haben Menschen klare Ziele, identifizieren sich mit ihren Aufgaben und können dadurch sehr eigenverantwortlich im Sinne des Unternehmens agieren? Oder entsteht eine große Verunsicherung, weil Menschen sich überhaupt nicht wertgeschätzt wahrgenommen fühlen, wenn sie nicht den ständigen Kontakt haben oder in Unsicherheit fallen, weil es gar nicht so eine klare Zielsetzung gibt? Und das gilt genauso für die Führungskräfte. Haben Führungskräfte ein klares Bild von Identifikation, von ihrer Rolle, wenn es eben nicht über Präsenz und Kontrolle funktionieren kann? Auch diesbezüglich muss sich ein Unternehmen verändern, wenn es flexibler werden will in Zeiten und Orten des Arbeitens. Ich bin ja schon länger ein Fan von Videokonferenzen.

Aspekt 4: Reisen, Meetings, Konferenzen und Lernen

Wir werden vermutlich viel mehr online und virtuell tagen, sprechen und abstimmen, als wir das in der Vergangenheit getan haben. Das Leiden der Reisegesellschaften ist die eine Seite, die negative Seite. Auf der anderen Seite werden wir alle unglaublich viel Zeit sparen, die wir auf Reisen verbracht haben, um zu einem Meeting zu fliegen oder zu fahren, was dann ein, zwei Stunden gedauert hat. Es wird sehr viel selbstverständlicher sein – da  bin ich mir schon ziemlich sicher – dass Meetings mit guter Videokonferenz-Technik stattfinden können. Wir werden eine ganz neue, auch eine Ausstattungwelle sehen. Es wird normal sein, dass in jedem Besprechungsraum eine Technik vorhanden ist, die es leicht macht, einzelne Personen zu einem Meeting, mehrere Menschen in einem Raum hinzu zu schalten. Und das in einer Qualität, die fast so gut ist, wie wenn die Menschen im Raum wären. Plastisch vor Augen geführt haben uns das die Fernsehsendungen in Talkshows, wann Menschen zugeschaltet standen, mit ihrem Bildschirm dort, wo sonst ein realer Mensch gestanden hätte. Und es war völlig normal, dass die Hälfte oder mehr der Talk Teilnehmer bei Lanz, Plasberg und Co. einfach zugeschaltet waren. Das hat wahrscheinlich umwälzende Konsequenzen auf online Lernen, auf online Konferenzen auch Messen. Je weiter sich die Technologie entwickelt – Stichwort virtuelle Realitäten, künstliche Intelligenz, Avatare – je besser diese Technologie wird, desto mehr werden wir uns ganz selbstverständlich daran gewöhnen, dass wir uns nicht räumlich örtlich bewegen müssen, um mit Menschen irgendwo auf der Welt zu konferieren. Das ist ein riesiges Thema. Da gibt’s auch noch einige eigenständige Folgen dazu, weil auch das ein Gewöhnungseffekt ist und eine Haltung erfordert, sich positiv und dauerhaft mit den Themen auseinanderzusetzen. Videokonferenzen sind keine Notlösung für eine Krise, sondern werden genauso normal, wie wir früher telefoniert haben.

Aspekt 5: Die Haltung zu mobilem Arbeiten

Der nächste Aspekt hat mit der Haltung und der Kultur zu mobilem Arbeiten zu tun. Das schließt so ein bisschen an an das, was wir bei der Homeoffice Challenge gesagt haben. Und beim Thema Führung? Ich glaube, in vielen Unternehmen wird in Zukunft die Botschaft sein: Wo sie arbeiten, ist egal. Wer da nur an Homeoffice denkt, springt, glaub ich, zu kurz. Warum soll ein Mitarbeiter nicht vier Wochen von Bali aus arbeiten? Oder eben die paar Wochen am anderen Standort in Italien sein? Und da wird es sehr, sehr unterschiedliche Modelle geben. Und Unternehmen sind, glaube ich, gut beraten, sich zu überlegen, was sie auch als Stärke ihrer eigenen Arbeitgebermarke nach außen transportieren können. Und es wird, glaube ich, sehr wichtig sein, dafür zu sorgen, dass die eigenen Führungskräfte ihre Haltungen und ihre Annahmen über produktives Arbeiten in Frage stellen und nicht der Versuchung erliegen, wieder in den alten Zustand zurück zu wollen. Die Gefahr ist nämlich groß, dass man damit das Problem des Fachkräftemangels verschärft, weil es andere Firmen geben wird, die da sehr progressiv sein werden.

Aspekt 6: Der Wandel in einzelnen Branchen und Geschäftsmodellen

Da gibt es Bereiche, da wird Corona natürlich einen Schub und eine Beschleunigung bringen für Entwicklungen, die sonst auch gelaufen wären, aber wahrscheinlich viel schleichender. Nehmen Sie zum Beispiel den Einzelhandel in kleinen Innenstädten. Das ist klar, dass sich vieles Richtung online verlagert, das nur besonders spezialisierte Läden überleben. Und wenn nun plötzlich der ganze Umsatz wegbricht, dann wird es natürlich auch zu einem großen Ladensterben führen. Vergleichbares wird es in anderen Branchen geben. Andere werden sich sehr schnell verändern in dieser Notsituation. Nehmen Sie Weiterbildung. Ganz viel wird in ganz kurzer Zeit gerade in Richtung online Lernen und virtuelle Formate umgewandelt. Das ist ein Prozess, der wäre sowieso schon gelaufen oder ist gelaufen, aber er beschleunigt sich massiv. Und was man auch nicht übersehen darf: Es gibt Wandel in Branchen, der vielleicht mit Corona gar nicht so viel zu tun hat. Nehmen Sie die Automobilindustrie, der Wandel zu der Elektromobilität. Es wird aber in vielen Firmen auch so sein, dass man diese besondere Krisensituation nutzt, um vielleicht Personal abzubauen, was man sowieso eigentlich gerne abgebaut hätte, aber in dem Umfeld ohne Krise, das nicht so leicht gegangen wäre. Da gibt es sicherlich gewisse Mitnahmeeffekte, Bereinigungseffekte. Wenn man jetzt schon in der Krise gelandet ist, dann startet man gleich mit Entwicklungen, die man sowieso vor hätte, sodass ich glaube, dass es sich erstens lohnt zu schauen: Wenn wir jetzt schon neu starten müssen, was machen wir dann gleich anders, was sonst vielleicht noch ein paar Jahre gedauert hätte? Aber auch aufmerksam hinzuschauen, was denn im eigenen Geschäftsmodell, in der eigenen Branche, auch im Umfeld, Dinge sind, die eigentlich keine guten Karten haben für die Zukunft.

Aspekt 7: der Fachkräftemangel

Ich glaube ziemlich sicher, der wird uns erhalten bleiben. Auch wenn Corona manche Entwicklung etwas bremst, wie wir eingangs gesehen haben, die große Linie verändert sich dadurch nicht wirklich. Und die eigentliche demographische Zuspitzung kommt ja tatsächlich erst in einigen Jahren. Das heißt, jeder Unternehmer, jedes Unternehmen ist heute, glaube ich, ganz gut beraten, auf der einen Seite die gute eigene Mannschaft zusammenzuhalten – das tun, glaube ich, auch alle und unsere in Deutschland sehr gut geeigneten Instrumente wie Kurzarbeitergeld, wie Hilfen für die Unternehmen tun da ein Übriges. Da geht es uns, glaube ich, besser als fast allen anderen Ländern auf der Welt. Also die Mannschaft zusammenhalten ist das eine. Das andere kann aber auch sein, dass in einer solchen Phase der Unsicherheit und auch der Krise es Möglichkeiten geben kann, Menschen an Bord zu holen, die man sonst gar nicht gekriegt hätte. Vielleicht auch aus einer anderen Branche, weil in Zeiten der Unsicherheit ist natürlich besonders attraktiv, wer auch tatsächlich eine Perspektive über diese Krise hinaus bieten kann. Mit seinem Geschäftsmodell, aber auch mit seiner Unternehmenskultur. Also ich glaube, man ist klug beraten, davon auszugehen: Der Fachkräftemangel wird bleiben. Und dafür die Weichen zu stellen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, kann sehr weise sein.

Aspekt 8: Flexibilität in Krisenzeiten

Warum sind wir eigentlich nicht immer so flexibel? Da hat es doch immer wieder Firmen gegeben, die gesagt haben, Arbeitszeit kann zwischen acht und 18 Uhr sein. Mit einer Kernzeit und unter dem Corona-Zwang, sich möglichst wenig zu begegnen, hat man auf einmal zwischen 5 und 22 Uhr arbeiten können, hat Schichten entzerrt und für manche Menschen Möglichkeiten geschaffen, zu anderen Zeiten zu arbeiten, die für einzelne in ihrem privaten Umfeld vielleicht viel verträglicher sind als die klassische Arbeitszeit. Das muss man nicht alles beibehalten, aber ich glaube, gut zu beobachten, wo uns besondere Flexibilität gelungen ist in Zeiten der Krise und diese Fähigkeit auch mitzunehmen und die Bereitschaft dazu, manche Dinge zum Dauerzustand zu machen, das kann sich auf die Arbeitszeiten beziehen, das kann sich aber auch darauf beziehen, dass auf einmal Menschen aus ganz anderen Geschäftsbereichen mitgeholfen, ausgeholfen haben, dass mehr Flexibilität auch in den Tätigkeiten entstanden ist, bis hin, dass auf einmal Firmen Masken genäht haben, die eigentlich ganz andere Dinge tun. So weit muss man, glaube ich, gar nicht gehen, aber das kann eben auch die ein oder andere Flexibilität in den Jobs, in den Einsatzgebieten wie auch im Geschäftsmodell zutage fördern. Und das sollte man sich aufmerksam anschauen und viele dieser tollen Fähigkeiten, die sich gezeigt haben, eben auch mitnehmen in die Zeit nach der Krise.

Aspekt 9: Sicherheit und Resilienz in Lieferketten

Ich glaube, wir werden sehr viel mehr auf Sicherheit und Resilienz in Lieferketten in Abhängigkeiten achten. Da war doch auf einmal das Toilettenpapier alle. Es gab kein Mehl mehr. Mein Lieblings-Müsli war ausverkauft… Oder haben Sie versucht, am Anfang der Pandemie-Maßnahmen, eine Webcam zu kaufen? Die waren dreimal so teuer wie in der Zeit davor, wenn Sie überhaupt eine gekriegt haben. Und das ist ja mit viel stärkeren Auswirkungen bei vielen Lieferketten passiert, dass man auf einmal gemerkt hat, wow wir sind so abhängig von einem Lieferanten, der in anderen Weltregionen sitzt und wo irgendwas passieren kann, auf das wir keinen Einfluss haben. Ich bin zwar ein überzeugter Verfechter eines Beibehaltens von globalen Wertschöpfungsketten und Vernetzung und Zusammenarbeit, aber ich glaube, wir werden an vielen Stellen darauf achten müssen, eben nicht nur von einem oder von wenigen abhängig zu sein und nicht nur auf die rein wirtschaftliche Betrachtung, wenn alles gut läuft, schauen, sondern uns stabiler und krisenfester aufstellen müssen. Das ist ja das Wesen einer Krise, dass wir nicht wissen, aus welcher Ecke sie kommt. Es wird vermutlich die nächste nicht genauso ablaufen wie diese, aber es lohnt sich, im eigenen Unternehmen auch bezogen auf die eigenen Mitarbeiter, auf die eigene Führungs- und Unternehmenskultur darauf zu achten: Was würden wir denn tun, wenn? Und da krisensicherer zu werden.

Aspekt 10: Die Corona-Krise als Chance?

Ich wehre mich ein bisschen gegen diesen abgegriffene Slogan der Krise als Chance. Aber die Botschaft ist tatsächlich: Wir sollten diese besondere Phase nutzen und achtsam hinschauen, was wir daraus lernen können, was da so passiert und wozu wir auch selbst im positiven Sinne in der Lage sind. Also die Krise und die Erkenntnisse daraus nutzen, um daraus für die Zukunft der Arbeit zu lernen. Denn was für die Entwicklung, die auf uns zukommt, erfolgsentscheidend ist, für einen großartigen Arbeitgeber ist es eine klare, überzeugende People Strategie zu haben. Ein klares Bild. Wer sind wir als Arbeitgeber? Wie stellen wir uns auf? Was haben wir zu bieten? Und welche Aspekte einer richtig guten Führung und Personalarbeit können wir schrittweise immer besser entwickeln? Und jetzt ist vielleicht in dieser Krise manche Maßnahme nicht angesagt. Aber häufig ist da doch etwas mehr Zeit, mal über Dinge nachzudenken und einen guten Plan zu entwickeln, eine gute Strategie und Ansätze zu entwickeln, die man dann umsetzt, wenn sie in die Zeit passen. In diesem Sinne, glaube ich, lohnt es sich, diese Phase als Trainingslager zu nutzen. Vielleicht als Trainings-Turnier, um Dinge auszuprobieren, um Ideen auf den Weg zu bringen und mit einem gut zusammengestellten Team eine Strategie als erfolgreicher Arbeitgeber für die Zeit nach der Krise, für die Zukunft der Arbeit jetzt zu entwickeln und damit einen entscheidenden Vorsprung herauszuarbeiten.

Herausforderungen annehmen und Chancen nutzen

Das waren zehn Aspekte zum Umgehen in der Krise und zum Vorbereiten auf die Zeit danach. Wenn ich jetzt versuche, ein Fazit zu ziehen, ist mir nochmal wichtig zu sagen: Wir wissen nicht wirklich, was alles entsteht. Wir können Annahmen treffen, wir können über kluge Dinge nachdenken, oder wir können einfach nur unter der Situation leiden. Und ich hoffe, dass ich ihnen einige Dinge zeigen konnte, über die nachzudenken sich lohnt. Es geht, glaube ich, einfach darum, wachsam und achtsam zu sein, auf die Dinge zu achten, die sich entwickeln, daraus zu lernen, Chancen auch zu sehen, Dinge auch einfach mal auszuprobieren. Es muss nicht perfekt sein, aus denen man aber lernen kann und auch alle beteiligten Menschen Erfahrungen machen. Es ist dabei durchaus klug, auch vorsichtig zu sein. Stichworte wie Datenschutz, IT-Sicherheit das ist alles berechtigt. Also Vorsicht? Ja, aber Bedenkenträger? Nein. Die Bedenkenträger dürfen nicht den Ton angeben, wenn man auf dem Weg in die Zukunft vorankommen will. Handlungsdruck besteht. Na klar. Aber Aktionismus wäre jetzt auch verkehrt. Also in gewisser Weise aufmerksam, achtsam, in aller Ruhe die Dinge in die richtige Richtung zu bewegen und einen Start zu setzen, jetzt zu überlegen: Wie stellen wir uns für die Zukunft auf? Das ist aus meiner Sicht ziemlich entscheidend. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen: Bleiben Sie gesund als Mensch wie als Unternehmen und stellen Sie die Weichen richtig, sodass man im Nachhinein sagen kann: „Boah, das war eine echt heftige Herausforderung, aber es hat auch einiges angestoßen und wir haben gut daraus gelernt.“ In diesem Sinne: alles Gute.